Die CDU wagt den Neustart in der Opposition
Bei den Christdemokraten geht es einen Monat nach der Bundestagwahl in die Findungsphase. Parteichef Armin Laschet ist dabei noch längst nicht aus dem Rennen.
Opposition ist nicht nur Mist, wie der SPD-Politiker Franz Müntefering einst feststellte, sie ist auch für viele der Bundestagsabgeordneten von CDU und CSU absolutes Neuland. 16 Jahre lang hielt sich die Union in der Regierung, wer nicht davor schon Parlamentarier war, hat von vielen Dingen keine Ahnung. Etwa von der Tatsache, dass Oppositionsparteien parlamentarische Anfragen stellen müssen, wenn sie etwas von der Regierung wissen wollen. Regierungsparteien brauchen das nicht, sie fragen einfach ihre Leute in den Ministerien. Während sich diese Dinge in der Bundestagsfraktion irgendwann einschleifen werden, gilt das für die Parteien und insbesondere für die CDU nicht. Die Christdemokraten müssen in der Opposition das Laufen erst mühsam wieder lernen, es ist völlig offen, wann sie wieder in den Tritt kommen. Einen ersten Anlauf gibt es den nächsten Tagen.
Der Fahrplan, mit dem sich die CDU nach der historischen Niederlage bei der Bundestagswahl neu aufstellen will, sieht für den Samstag eine Kreisdelegierten-Konferenz vor. Dabei soll über das weitere Verfahren diskutiert werden, die gewonnenen Erkenntnisse wiederum fließen in eine Sondersitzung von Bundesvorstand und Präsidium am kommenden Dienstag ein. Die Partei-Oberen werden konkrete Schritte beschließen, dies gilt vor mit Blick auf die geplante Neuwahl des gesamten Bundesvorstands.
Gibt es für die Union eine Pleite wie für die SPD?
Ein Termin für den Parteitag wird zu bestimmen sein, das ist vergleichsweise einfach. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob die Spitze dem Druck der Basis nachgeben und eine Mitgliederbefragung gestatten will. Vielen Parteimitglieder schwebt vor, dass sich auf diese Weise basisdemokratisch ein neuer Vorsitzender oder eine neue Vorsitzende finden lässt. Die Junge Union etwa ist dafür, Ältere wie Wolfgang Schäuble sind dagegen. „Wir haben doch bei der SPD erlebt, dass so etwas nichts bringt“, sagt ein langgedientes Präsidiumsmitglied, das keine Prognose wagen will, wie die Sache ausgeht.
Denn nach derzeitigem Stand wird es nicht nur einen Kandidaten oder eine Kandidatin geben. Es geht zudem nicht nur um den Parteivorsitz, auch der Fraktionsvorsitz muss mitgedacht werden. Eine starke Oppositionsrolle kann es in der Lesart vieler nur geben, wenn beide Posten auf eine Person vereint sind. Da kämen dann Fraktionschef Ralph Brinkhaus oder Gesundheitsminister und Parteivize Jens Spahn in Frage. Beide haben ihre Anhänger, es ist damit zu rechnen, dass sich mit den Abgeordneten Norbert Röttgen und Friedrich Merz weitere Kandidaten melden. Da schwant einigen Christdemokraten, dass ihnen ein ähnlich schwammiges Szenario droht wie es im November 2019 die SPD erleben musste. Das Spitzenduo aus Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans kam damals nur auf 53 Prozent der Stimmen, die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent. Eine wirkliche Befriedung der Partei blieb aus.
Linnemann, Spahn - oder doch Laschet?
Als Kompromisslösung wird im Konrad-Adenauer-Haus darüber nachgedacht, den Wirtschafts- und Arbeitsmarktexperten Carsten Linnemann als Parteichef ins Rennen zu schicken und Spahn zum Fraktionschef zu machen. Das käme der vom amtierenden Chef Armin Laschet gewünschten Teamlösung noch am nächsten. Doch der Aachener ist in den letzten Tagen selbst wieder zu einer Rechengröße geworden. Mit jedem Tag, an dem potenzielle Nachfolgerinnen und Nachfolger mit ihrer Bewerbung zögern, steigen Laschets Chancen, die Truppen hinter sich zu sammeln und Vorsitzender zu bleiben. Denkbar wäre es, denn der CDU-Chef hat zwar den Neuanfang ausgerufen. Es gibt aber keine Äußerung von ihm, dass er sich nicht wieder zur Wahl stellen will.
An der Basis wird viel geschimpft, ein flächendeckender Ruf nach einem Ausschieden Laschets aus der Parteispitze blieb bisher gleichwohl aus. Auch hier fragen sie sich, wer es denn nach ihm machen soll? So bleibt es bei allgemeinen Forderungen. Die CDU Potsdam beispielsweise will, dass der Neuanfang „jetzt bei den Inhalten, der Organisation der Parteiarbeit und auch bei den politischen Verantwortungsträgern sichtbar werden“ müsse. „Zunächst ist die Basis unmittelbar in die Wahl der Bundes- und folgerichtig auch des Landesvorsitzenden einzubinden“, erklärte der Kreisvorsitzende Oliver Nill. Er wird damit am Samstag sicherlich viel Gehör finden. Die konkreten Schlussfolgerungen jedoch werden die Partei noch weit übers Wochenende hinaus beschäftigen.
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