
Kita offen, Firma geschlossen: So trifft das Coronavirus die Region

Plus Die vier Coronavirus-Fälle im Freistaat beschäftigen die Menschen – vor allem am Arbeitsplatz der Betroffenen in Stockdorf und in einer Kita in Kaufering.
Die Verunsicherung unter den Eltern im Kreis Landsberg ist groß – nicht nur in der Kinderkrippe Don Bosco in Kaufering, die das Kind des infizierten Corona-Patienten besucht. Am Mittwoch ist es in der Einrichtung und auch davor ungewohnt ruhig. Die Kita ist übergangsweise in der Kauferinger Mittelschule untergebracht, das eigentliche Gebäude wird saniert. An der Tür hängt ein schlichter Zettel. Er informiert die Eltern sachlich und nüchtern über den Corona-Fall.
Coronavirus: Viele Eltern bringen Kinder nicht mehr in Kita
Mütter und Väter, die ihre Kinder bringen, wollen nicht reden. Andere lassen ihren Nachwuchs gleich zu Hause. Normalerweise besuchen 74 Kinder die Einrichtung. „Es war ungefähr noch ein Drittel der Kinder da. Bei den anderen haben die Eltern sich dafür entschieden, sie vorsichtshalber daheim zu lassen“, sagt Kita-Leiterin Gaby Balke. Das Kind des 33-jährigen Kauferingers, der als erster deutscher Corona-Betroffener gilt, besucht die Krippe allerdings schon seit einigen Tagen nicht mehr.
Das Landratsamt Landsberg steht wegen seiner Informationspolitik in der Kritik. Denn zunächst wurde der Name der Kita nicht bekannt gemacht. Eine Frau schrieb bei Facebook: „Es wäre wünschenswert gewesen, die Kindertagesstätte zumindest namentlich zu benennen“ – und zwar so schnell wie möglich. „Was die Eltern dann daraus machen, ist jedem selbst überlassen.“ Ähnlich äußern sich viele Nutzer.
Laut Wolfgang Müller, Pressesprecher des Landratsamtes, zeigen die Ehefrau des erkrankten Mannes und das Kind aber bislang keine Symptome. Bei ihnen und einem Freund der Familie sei am Mittwochvormittag ein Abstrich gemacht und an ein Labor geschickt worden. Müller versichert, dass die Situation genau beobachtet werde. Sollte sich eine neue Entwicklung ergeben, würden Verfahrensweisen in Absprache mit dem Gesundheitsamt und der Task Force am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit neu bewertet. Eine Schließung der Krippe könnte das Gesundheitsamt veranlassen. Bis jetzt sehen die Verantwortlichen keinen weiteren Handlungsbedarf.
Die vier Coronavirus-Infizierten seien "pumperlgsund"
Herd der Krankheit in Deutschland ist der Automobilzulieferer Webasto in Stockdorf. Dort hat sich nicht nur der Kauferinger bei einer Mitarbeiterin aus China angesteckt, sondern auch drei seiner Kollegen: zwei Männer, 27 und 40 Jahre alt, sowie eine 33-jährige Frau. Sie alle werden auf der Isolierstation der Münchner Klinik Schwabing betreut, seien aber komplett „symptomfrei“, wie Chefarzt Clemens Wendtner am Mittwochnachmittag mitteilte. „Die vier sind pumperlgsund.“ Ihnen sei so langweilig, dass sie ständig fragten, wann sie entlassen werden. Das geschehe aber nicht, solange sie positiv auf das neuartige Virus getestet würden. 80 Menschen im Umfeld der Betroffenen werden noch untersucht. Die Ergebnisse sollen an diesem Donnerstag vorliegen.
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Im Webasto-Hauptquartier im Kreis Starnberg sind die Fenster seit Mittwochmorgen dunkel. Bis einschließlich Sonntag hat das Unternehmen geschlossen. Der riesige Parkplatz für die rund 1000 Mitarbeiter ist fast leer. Am Eingang des Firmengebäudes steht ein Sicherheitsmann. „Zum Schutz“, wie er sagt. Schutz vor Corona oder Schutz vor Neugierigen, es kann beides bedeuten. Der Wachmann ist einer der wenigen, die sich am Mittwoch länger auf dem Betriebsgelände des Automobilzulieferers aufhalten. Alle anderen kommen nur, um kurz ihre Notebooks für die Heimarbeit zu holen – der Mann mit Anzughose, dicker Jacke und Wollmütze zum Beispiel.
Bevor er in das verglaste Gebäude huscht, schildert er noch kurz die Stimmung im Unternehmen: Schlecht sei sie gewesen, als am Dienstag die Nachricht vom ersten Infizierten die Runde machte. „Einige Kollegen sind sofort nach Hause gegangen, andere geblieben.“ Auch er selbst. 20 Meter entfernt von seinem Büro habe die Schulung stattgefunden, an der die infizierte Frau aus China teilgenommen hatte. Direkt mit ihr Kontakt hatte der Mitarbeiter nicht. „Aber ich glaube, mich hat auch etwas erwischt.“ Er deutet auf Hals, Nase, Mund. Verrückt machen lässt er sich nicht. „Corona ist ja bisher auch nicht schlimmer als andere Grippeviren.“
Trotzdem ist seine Stadt seit Dienstag das Zentrum der Aufmerksamkeit. Auf der viel befahrenen Einfallstraße in Stockdorf finden sich immer mehr Medienvertreter ein. Lothar Grund, ein älterer Mann mit Rucksack, kommt gerade aus seinem Haus, wenige hundert Meter entfernt von Webasto. Er muss lachen. „Das ist das einzig Überraschende an der Sache – dass plötzlich alle über Stockdorf reden.“ Dass sich auf lange Sicht auch Deutsche mit Corona infizieren würden, wundert ihn hingegen überhaupt nicht. Er verstehe, dass manche Leute sich Sorgen machen. Er selbst nicht. „Ich habe keine Vorerkrankungen, meine Lunge ist gesund.“ Er rückt seinen Rucksack zurecht und geht weiter, vorbei an Webasto.
Vor allem Senioren sind in Gefahr, schwer an dem Virus zu erkranken. Nahezu alle Todesfälle in China waren alte Menschen, oft mit Vorerkrankungen und geschwächten Körpern. Im Kaffeehaus Ludwig Harter, bekannt für seine selbst gemachten Kuchen und sonst ein beliebter Treffpunkt bei Rentnern, ist die Kundschaft eine andere als sonst. Gefragt nach Corona, spricht Kellnerin Marialuisa Iannone leiser. So, als würde sie die kollektive Unruhe in Deutschland nicht noch verstärken wollen. „Die älteren Gäste bleiben weg“, flüstert sie. Stattdessen kommen im Minutentakt Presseteams, für Interviews oder zum Aufwärmen. „Ich hoffe, dass das hier schnell vorbei ist und sich alles normalisiert.“
Die Mehrheit der Bürger reagiert „vernünftig und abwartend“
Das kann noch dauern. Wie es kommende Woche bei Webasto weitergeht, werde „tagesaktuell“ entschieden, sagt Konzernsprecherin Nadine Schian. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Kunden und Behörden, um die erneute Aufnahme der Produktion zu koordinieren.“ Vieles hänge von der Nachfrage der Autohersteller in der Region ab. „Wir können Auswirkungen auf die globalen automobilen Lieferketten nicht ausschließen.“ Webasto erwirtschaftet mit Panorama-, Schiebe- und Cabriodächern sowie Standheizungen rund 3,4 Milliarden Euro Jahresumsatz – fast die Hälfte in China. Der Standort Schanghai bleibt bis 9. Februar geschlossen, so viel steht fest.
Die Gemeinde Gauting, zu der das 4000 Einwohner zählende Stockdorf gehört, wird vorerst keine Schutzmaßnahmen ergreifen. Das bestätigt Bürgermeisterin Brigitte Kössinger. „Natürlich haben die ersten Fälle des Coronavirus für Unruhe und Verunsicherung gesorgt.“ Sie habe aber den Eindruck, dass die Mehrheit der Bürger „vernünftig und abwartend“ reagiere. Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel sind in der Stadt trotzdem so gefragt wie nie.
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Ich verstehe es nicht! Ist das Kind jetzt nun infiziert oder nicht?!?! Ich dachte das Ergebnis des Tests erfolgt in Stunden. Was gilt abzuwarten? Warum sind Mutter und Kind isoliert? Die Aussagen machen keinen Sinn