Der smarte Herr Ramelow
Das Undenkbare ist denkbar geworden in Thüringen – Bodo Ramelow könnte der erste Ministerpräsident der Linkspartei werden. Ob es dazu kommt, entscheidet aber nicht nur der Wähler.
Bodo Ramelow, ihr erfolgreichster Wahlkämpfer nach Gregor Gysi, sitzt im Nebenzimmer eines Erfurter Hotels und lächelt zufrieden in die Runde. Dass das Kapital über den Rennsteig flüchte, wenn er in die Staatskanzlei einziehe, sagt er, „das glaubt hier niemand mehr.“
Kurz vor der Wahl in thüringen ist nichts sicher und alles möglich
Seit fast 25 Jahren regiert die CDU in Thüringen, die Zeiten jedoch, in denen Ministerpräsidenten wie Bernhard Vogel oder Dieter Althaus peinlich darauf achteten, bei öffentlichen Terminen nur ja nicht mit ihm, dem Linken, fotografiert zu werden, sind schon lange vorbei. Ihre Nachfolgerin Christine Lieberknecht redet über ihren Rivalen Ramelow ähnlich respektvoll wie er über sie: „Wir schätzen und achten uns als Menschen.“
Wenige Tage vor der Wahl ist in Thüringen nichts sicher und alles möglich – von einer Neuauflage der zerstrittenen Großen Koalition bis zu einer rot-roten oder einer rot-rot-grünen Allianz mit ebenjenem Bodo Ramelow an der Spitze. Dem Mann also, der im Wahlkampf einen Slogan plakatieren lässt, den zuvor ausgerechnet Gerhard Schröder verwendet hat: „Es muss nicht alles anders werden, aber wir können vieles besser machen.“
Ramelow: "Die Chancen stehen 50:50"
Die Chancen, dass er Ministerpräsident werde, sagt Ramelow, „stehen 50:50“. Darüber entscheiden aber wird am Ende nicht der Wähler, sondern die thüringische SPD: Ist sie bereit, das lange Zeit Undenkbare zu denken und einen Linken zum Regierungschef zu wählen? Oder geht sie den Weg des geringsten Widerstands und setzt die Koalition mit der CDU fort?
Bis dahin tröstet Ramelow sich damit, dass der Umgang zwischen Linken und Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren normaler und die politische Schnittmenge größer geworden sei. Für ihn ist es schon ein Erfolg, dass er in einem im Kern konservativen Land überhaupt eine Chance hat, die Macht zu erobern. Noch vor einem Jahr habe er die CDU eher bei 44 als bei den gegenwärtigen 34 Prozent gesehen, gesteht Ramelow. Nach einer Serie von Besoldungsskandalen, die mit der Demission eines Staatssekretärs und eines Wirtschaftsministers endeten, wittert die Linke nun allerdings Morgenluft, allen voran ihr umtriebiger Spitzenkandidat, über den die Frankfurter Allgemeine vor kurzem schrieb, er rede nicht so, als wolle er Ministerpräsident werden, sondern so, als sei er es schon.
Ramelow entspricht nicht dem Klischee des Klassenkämpfers
Die einzige konkrete Zahl, die Ramelow im Wahlkampf nennt, ist die von den 5000 zusätzlichen Lehrerstellen, die eine von ihm geführte Regierung innerhalb von zehn Jahren schaffen soll. Alles andere stehe unter Finanzierungsvorbehalt, verspricht der Kandidat. Selbst ein Linker wie er, soll das wohl heißen, wirft das Geld nicht aus dem Fenster der Erfurter Staatskanzlei.
Auch sonst entspricht der gelernte Einzelhandelskaufmann nicht ganz dem Klischee des Klassenkämpfers, der vor allem ein Ziel hat: es den Reichen zu nehmen und den Armen zu geben. In einer Predigt in der Berliner Gedächtniskirche hat Ramelow, der nach dem Mauerfall als Aufbauhelfer der damaligen Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen nach Thüringen gekommen ist, vor einigen Monaten sogar einen Satz des Apostels Paulus zitiert, der den meisten Umverteilern bei den Linken wie Hohn in den Ohren klingen muss: „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.“
Viele halten ihn für einen verkappten Sozialdemokraten
In einer Partei, in der es vor Atheisten und Agnostikern nur so wimmelt, ist der 58-Jährige allerdings nicht nur als bekennender Christ ein Exot. Bei der SPD und bei den Grünen halten viele ihn noch immer für einen verkappten Sozialdemokraten, der nur aus Versehen in der falschen Partei gelandet ist.
Möglicherweise aber ist genau das das Erfolgsgeheimnis des Bodo Ramelow – nicht wie ein strammer Linker zu wirken, aber doch einer zu sein. Sein Image als politischer Raufbold, der keinem Konflikt aus dem Weg geht, hat er mit den Jahren ebenso abgelegt wie seine etwas aufbrausende Art, die sie ihm in Berlin gerne vorgehalten haben, als er zwischenzeitlich Wahlkampfchef der Bundespartei war. Der neue, smarte Ramelow hat kein Problem damit, den Boulevard zu bedienen, wenn er von Attila, seinem Hund, erzählt oder von der Legasthenie, die bei ihm erst spät entdeckt wurde und die ihm lange Zeit zu schaffen gemacht hat. Wer Ministerpräsident werden will, das weiß er, muss auch den Menschen hinter dem Politiker hervorkehren, muss verbindlich sein und nahe bei den Leuten.
Heike Taubert, die Spitzenkandidatin der SPD, sitzt im Erfurter Landtag nur ein paar Meter von ihm entfernt. Sie könnte, wenn alles nach seinem Plan läuft, so etwas wie die Königsmacherin sein und steht deshalb natürlich unter besonderer Beobachtung. Sein Hund, sagt Bodo Ramelow, patrouilliere schon regelmäßig zwischen beiden Büros hin und her ...
Die Diskussion ist geschlossen.