Claudia Roths neue alte Rolle
Nach einem deprimierenden Wochenende und einer Woge des internen Zuspruchs hat die Parteichefin Roth sich entschieden: Sie kandidiert für eine weitere Amtszeit.
Am Ende ist es auch eine Frage der Alternativen. Ehrgeizige Frauen gibt es bei den Grünen genug – auf das aktuelle Stellenprofil allerdings passt im Moment keine besser als Claudia Roth. Links aus Überzeugung, in der Partei bestens vernetzt und auch draußen, im Land, als Oppositionspolitikerin bekannter als mancher Minister. Mit ihrer Zusage, trotz der Niederlage vom Wochenende noch einmal als Parteivorsitzende anzutreten, hat die 57-Jährige den Grünen zehn Monate vor der Wahl eine quälende Führungsdebatte erspart. Entsprechend laut atmet die Partei am Montag auch auf. „Ich freue mich“, sagt ihr Vorstandskollege Cem Özdemir. „Das ist eine gute Entscheidung.“
Claudia Roth selbst wirkt noch reichlich mitgenommen, als sie am frühen Morgen in der Parteizentrale vor die Hauptstadtpresse tritt. Wächsern die Miene, anstelle der sonst so farbenfrohen Outfits getragenes Schwarz, die Stimme noch etwas belegt: Eine „herbe Klatsche“, gesteht sie, seien die 26 Prozent bei der Urwahl der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl für sie. Und natürlich habe sie sich gefragt, ob sie in der Partei nun noch das nötige Vertrauen für eine erneute Kandidatur als Bundesvorsitzende habe. Hunderte von aufmunternden Mails und dutzende von Telefonaten später aber sagt sie auch: „Es geht jetzt in erster Linie nicht um mich und um meine Enttäuschung, sondern es geht um etwas Wichtigeres – die Ablösung von Schwarz-Gelb.“
Özdemir und Göring-Eckardt stehen zu Roth
Der„Candystorm“, wie sie die Woge an Trost und Ermutigung sichtlich gerührt nennt, hat seinen Zweck erfüllt: „So viel Zuspruch habe ich noch nie bekommen.“
Einen Sonntag lang sieht es zuvor so aus, als könnte sie alles hinwerfen. Die Grünen, von denen die gebürtige Ulmerin sagt, sie seien wie eine Familie für sie, haben sich für die jüngere und bei weitem nicht so linke Katrin Göring-Eckardt als Spitzenkandidatin neben Jürgen Trittin entschieden – und Claudia Roth mit einem Ergebnis von 26 Prozent regelrecht abgestraft. Nun legt sie ihr politisches Schicksal in die Hände der Delegierten, die beim Parteitag in Hannover am Wochenende eine neue Führung wählen. Dass sie dort neben Cem Özdemir als Vorsitzende bestätigt wird, gilt als sicher. „Wir brauchen Claudia im Wahlkampf“, betont die überraschende Siegerin der Urwahl, Katrin Göring-Eckardt. „Ich bin sicher, dass sie ein tolles Ergebnis bekommt“, prophezeit Özdemir.
Schon bei der Frage, wer ihr im Falle eines Falles denn hätte folgen sollen, zucken viele Grüne nur mit den Schultern. Geschäftsführerin Steffi Lemke vielleicht, bisher eine Art grüne Generalsekretärin? Da Özdemir den pragmatischen Flügel der Partei an der Spitze der Partei repräsentiert, muss der zweite Posten dort nach der gängigen Logik mit einer Frau besetzt werden, die im linken Lager zuhause ist. Da aber gibt es, zumal unter den Jüngeren, nicht viele, die in Frage kommen und eine Partei praktisch aus dem Stand heraus in einen Bundestagswahlkampf führen können.
Für eine Koalition mit der CDU tritt bisher niemand ein
Der hat schließlich längst begonnen und den Grünen eine Diskussion aufgezwungen, die sie bis zum Wahltag am liebsten gar nicht führen würden. Bei unklaren Mehrheitsverhältnissen im nächsten Herbst, sagt beispielsweise der CDU-Abgeordnete Peter Weiß, wäre Katrin Göring-Eckardt jemand, „der sich Schwarz-Grün nicht verweigern würde“. Claudia Roth hat zwar, wie sie sagt, in ihrer Partei noch von niemandem gehört, der ernsthaft für eine Koalition mit der Union eintritt.
SPD-Chef Sigmar Gabriel allerdings ist schon nervös geworden. Die Wähler wollten Klarheit und kein doppeltes Spiel, warnt er in Richtung der Grünen. Auch deshalb freut Gabriel sich, dass mit Claudia Roth eine erklärte Gegnerin von Schwarz-Grün Parteivorsitzende bleiben will und dabei offenbar ein Lebensmotto des legendären Sozialdemokraten Herbert Wehner beherzigt hat: „Immer weitermachen. Niemals aufgeben.“
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