Blutige Nahost-Konflikte: Immer wieder Gaza
An den ungelösten Problemen in dem Territorium zwischen Israel und Ägypten entzündeten sich bereits mehrere blutige Nahost-Konflikte. Jetzt könnte es wieder so weit sein.
Augsburg Es heißt, dass die Konflikte des Nahen Ostens im Gazastreifen wie in einem Mikrokosmos gebündelt sind. Falsch ist das nicht, denn das extrem dicht besiedelte Territorium zwischen Ägypten und Israel ist seit Jahrzehnten Schauplatz blutiger Konfrontationen. Gleichzeitig gehen von Gaza auch immer wieder Krisen aus, die mitunter zu kriegsähnlichen Auseinandersetzungen führen. So wie im Dezember 2008, als die israelische Armee in Gaza einmarschierte, um die Raketenangriffe von dort auf israelische Siedlungen zu unterbinden. Genau dies ist jetzt wieder zu befürchten, und doch hat sich vieles verändert.
Nach wie vor desaströs ist die wirtschaftliche und humanitäre Situation in Gaza. Der radikalislamischen Hamas, die die gemäßigtere Fatah 2007 nach einem kurzen, aber heftigen Kampf aus Gaza verdrängte, gelingt es nur mit Mühe, die geschundene Bevölkerung mit dem Nötigsten zu versorgen. Angesichts von Armut und Gewalt wächst die Unzufriedenheit. In dieser Situation eskaliert nun der Konflikt mit Israel, das auf die jüngsten Raketenangriffe mit Härte reagiert. Der Nahost-Experte Stephan Stetter ist sich zwar sicher, „dass die Hamas eine unkontrollierte Eskalation fürchtet“. Doch gleichzeitig wolle sie auch Stärke demonstrieren.
Keinesfalls ausgemacht ist für den Professor an der Bundeswehr-Universität in München, dass die Hamas allein hinter den Raketenangriffen steckt, die zuletzt die Küstenmetropole Tel Aviv erreicht hatten: „Es gibt in Gaza auch andere Milizen, die die Fähigkeit dazu haben.“ Die Frage sei nur, ob die Hamas diese Milizen nicht kontrollieren könne oder es gar nicht wolle.
Für Stetter ist das Grundproblem, dass weder die Hamas noch die Regierung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ernsthaft an einer tragfähigen Friedensinitiative interessiert ist. Tatsächlich hat Israel durch die Blocklade, die seit Herbst 2007 in Kraft ist, bewusst eine weitere Destabilisierung Gazas in Kauf genommen. Denn die ökonomischen Auswirkungen sind katastrophal.
So scheinen die Zeichen auf Sturm zu stehen. Das israelische Militär hat begonnen, Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive einzuberufen. Kritiker verweisen darauf, dass auch beim letzten Gaza-Krieg vor vier Jahren israelische Parlamentswahlen bevorstanden. Doch eine Wiederholung der damaligen Miltäraktion birgt auch für Israel große Risiken. Es geht dabei nicht nur um Verluste im Kampf, sondern auch um die Gefahr, dass die Hamas ihre Selbstmordanschläge in Israel wieder aufnehmen könnte.
Die Welt blickt nun auf Ägypten
Ohne Zweifel hat sich die politische Großwetterlage in Nahost grundlegend geändert: Die neue ägyptische Führung steht heute an der Seite der Hamas. Die radikalislamische Organisation hat ihre Wurzeln immerhin in der ägyptischen Muslimbruderschaft – als ein Ableger dieser Bewegung nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967. Eine Öffnung der Grenze zum Gaza-Gebiet erschien dem Präsidenten Mohammed Mursi angesichts des Potenzials von Flüchtlingen, unter ihnen militante Islamisten, dennoch zu riskant.
Experte Stetter sieht in der neuen Rolle Ägyptens auch eine Chance: „Es ist das einzige Land, das zu Hamas sowie zu Israel Beziehungen pflegt. Zudem verfügt es nach wie vor über große diplomatische Erfahrung in der Region.“ Es sei nun an den USA, der EU, aber auch der Arabischen Liga, Ägypten zu ermutigen, diese Position zu nutzen, um die Kontrahenten von ihrem Konfrontationskurs abzubringen. Parallel dazu müsse der in den letzten Jahren viel zu passive Westen möglichst bald mit allen Seiten Kontakt aufnehmen – „und zwar auch mit der Hamas“. Die Zeit für diplomatische Interventionen könnte allerdings knapp bemessen sein. (mit dpa)
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