Joachim Gauck: Freiheitsdenker und Demokratielehrer
Joachim Gauck will nichts ausschließen, nicht einmal, dass er der nächste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland sein könnte.
Joachim Gauck will nichts ausschließen, nicht einmal, dass er der nächste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland sein könnte.
"Ich bin Realist, ich kann auch zählen", sagt der 70-Jährige am Freitag mit Blick auf die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung, in der Christian Wulff, der Kandidat des schwarz-gelben Regierungslagers, eine satte Mehrheit hat.
Und doch glaubt der scheinbar Chancenlose, der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen als Kandidat für das höchste Amt im Staate nominiert wurde, an seine Chance: "Ich habe in meinem Leben Ereignisse erlebt, die lange als unwahrscheinlich galten." Darum sehe er der Wahl am 30. Juni mit "fröhlicher Gelassenheit" entgegen: "Ich werde dastehen und mich freuen, so wird es sein."
Das wiederum hören seine "Entdecker", die Partei- und Fraktionschefs von SPD und Grünen, Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier, Cem Özdemir und Jürgen Trittin, bei der Präsentation ihres Kandidaten am Freitag in Berlin mit großer Freude. Alle vier können den Stolz auf ihren Coup nicht verbergen, genießt doch Joachim Gauck, der frühere protestantische Pastor aus Rostock und DDR-Bürgerrechtler, Mitbegründer des "Neuen Forums" und erster Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, auch bei Christdemokraten und Liberalen ein hohes Ansehen, nicht wenige in der Union hatten sogar den Namen Gaucks bei der Suche nach einem Köhler-Nachfolger ins Spiel gebracht.
Überschwänglich loben Gabriel, Özdemir und Co. daher ihren Kandidaten, dessen "Reichweite" weit ins christlich-liberale Lager reiche. Gauck, sagt der SPD-Chef, sei "kein Gegenkandidat gegen Christian Wulff", sondern stünde "für ein anderes Konzept": "Joachim Gauck bringt ein Leben mit in seine Kandidatur, Christian Wulff eine politische Laufbahn." Geradezu genüsslich zitiert Gabriel eine Lobpreisung von Angela Merkel, die Gauck aus Anlass seines 70. Geburtstages im Januar als "Freiheitsdenker, Versöhner, Einheitsstifter und Demokratielehrer" gewürdigt hat.
Der Kandidat sieht die Nominierung als Bestätigung
Gauck selber, der sich selber als "linker, liberaler Konservativer" bezeichnet, betrachtet die Nominierung als Bestätigung seiner Arbeit. Vor 20 Jahren hätte sie ihn noch mit "unbändigem Stolz" erfüllt, heute mit "großer Dankbarkeit". "Ich hatte das wunderbare Glück, Teilnehmer einer Freiheitsrevolution zu sein." Dies sei die "prägende Zeit seines Lebens", nie werde er müde, den Lehrsatz dieser Zeit zu predigen: "Vor der Einheit kam die Freiheit."
Er trete daher auch mit einer "Freiheitsbotschaft" an: "Ich bringe eine Liebe zur Freiheit mit, die sich manche verwöhnte Freiheitskinder so gar nicht mehr zutrauen", sagt der gebürtige Ostdeutsche an die Adressen der Westdeutschen.
Seine geistige Unabhängigkeit will der Rostocker, der von 1990 bis 2000 an der Spitze der Stasi-Unterlagenbehörde stand und seitdem ein viel gefragter Redner ist, auch im Amt des Bundespräsidenten bewahren.
Der Staat sei "nicht nur der Staat derer, die den Staat machen", sondern auch eine Sache der Bürger, "die sich Sorgen machen um die Zukunft des Landes", Europa dürfe nicht in Bequemlichkeit erstarren. Angst sei ein schlechter Ratgeber, viele Menschen in diesem Lande hätten schon ganz andere Krisen erlebt als die gegenwärtige.
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