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Kommentar: Den Realitätstest wird die Grundrente nicht bestehen

Kommentar

Den Realitätstest wird die Grundrente nicht bestehen

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    Nach monatelangem Streit hat sich die große Koalition auf einen Kompromiss bei der Grundrente geeinigt.
    Nach monatelangem Streit hat sich die große Koalition auf einen Kompromiss bei der Grundrente geeinigt. Foto: Mohssen Assanimoghaddam/dpa (Symbol)

    Der Pokal geht an die SPD. Sie hat den Koalitionspartnern CDU und CSU die Grundrente abgetrotzt. Die Union versucht zwar, in der Stunde der Niederlage so zu tun, als habe sie ihre wichtigste Bedingung einer Bedürftigkeitsprüfung behauptet. Im Lichte betrachtet hat sie es aber nicht. Die geplante Prüfung, die jetzt Bedarfsprüfung genannt wird, scheitert schlichtweg an der Praxis. Und die geplante Gegenfinanzierung des Rentenzuschlags ist pures magisches Denken. Sich etwas ganz fest zu wünschen, sorgt eben nicht dafür, dass schlussendlich das nötige Geld in der Staatskasse landet. Der Kompromiss zur Grundrente fällt durch den Realitätstest.

    Grundrenten-Kompromiss wird für Ärger sorgen

    Genau das wird noch für Ärger sorgen, wenn es im Bundestag an die Umsetzung des Koalitionskompromisses in Gesetzestexte geht. Weil bis dahin noch einige Zeit ins Land gehen wird, bewahrt die Einigung die Sozialdemokraten wahrscheinlich davor, das Regierungsbündnis platzen zu lassen und aus dem Fenster zu springen. Außerdem hilft die Grundrente Finanzminister Olaf Scholz in seinem Kampf um die Parteispitze. Sie ist ein Pfund, das bei den Mitgliedern Eindruck machen kann. CDU und CSU wollten eine Grundrente nur für 150.000 Begünstigte. Die SPD hat jetzt das Zehnfache erreicht.

    Scholz hält nichts davon, sich fluchtartig aus der Verantwortung zu stehlen und auf die Erneuerung in der Opposition zu hoffen. Weil sich die Union ebenfalls bis zum bitteren Ende von Schwarz-Rot im Jahr 2021 schleppen will, saßen die Genossen am längeren Hebel und boxten ihr Herzensprojekt durch. Sie konnten mit dem vorzeitigen Aus drohen. Dieser Verhandlungsvorteil überwog den Nachteil, dass der Koalitionsvertrag eine echte Bedürftigkeitsprüfung vorsieht.

    Finanztransaktionssteuer als geplante Geldquelle ist fast eine Wählertäuschung

    Die offenen Punkte sind nun das Problem der Parteichefs Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder. Erstere hat den Nachteil, dass sie schwer angeschlagen ist im internen Machtkampf bei den Christdemokraten. Sie wird der Jungen Union und dem Wirtschaftsflügel erklären müssen, wie das Finanzamt den Bedarf prüfen soll von Rentnern, die keine Steuererklärung machen. Oder dass nach dem Stand der Dinge nicht angefragt werden soll, wie viel Geld künftige Bezieher der Grundrente auf der hohen Kante haben. Oder dass Dividenden nicht berücksichtigt werden können, weil die Banken die darauf fällige Abgeltungssteuer abführen und das den Finanzämtern anonym melden. Oder dass selbst genutzte Wohnungen und Häuser nirgendwo in einer Steuererklärung auftauchen, so lange sie keine Mieteinnahmen bringen.

    Die sogenannte Finanztransaktionssteuer als geplante Geldquelle zu bestimmen, kommt einer Wählertäuschung nahe. Eigentlich sollte die Steuer auf den Handel mit Wertpapieren nach der Finanzkrise 2008/2009 eingeführt werden. Seitdem wird hierzulande darüber geredet. Die Union will die Steuer nur mit anderen europäischen Ländern einführen, um die Finanzindustrie nicht einseitig zu belasten. Dass die dafür nötigen neun EU-Länder zusammenkommen, steht aber in den Sternen. Scholz’ Vorgänger Wolfgang Schäuble kann ein Lied davon singen. Der Chef des Unions-Wirtschaftsflügels, Christian von Stetten, hat recht, wenn er das Dilemma folgendermaßen zusammenfasst. „Wir müssen jetzt den Koalitionsvertrag brechen, um den Koalitionsvertrag zu retten.“

    Weil Zank darüber vorprogrammiert ist, könnte es dazu kommen, dass sowohl die Union als auch die SPD am Ende vom Wähler nicht für die Grundrente belohnt werden. Wir müssen aufpassen, dass bei den Menschen nicht das Gefühl ankommt, Krümelchen zu bekommen, warnte die CDU-Vorsitzende. Genau das aber droht zu passieren.

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