
Dieser Gipfel legt die Schwächen der Corona-Politik gnadenlos offen

Der völlig aus dem Ruder gelaufene Corona-Gipfel von Bund und Ländern macht deutlich: Die zum Teil widersprüchlichen Maßnahmen lassen sich nicht mehr argumentieren.
Die Einigkeit verspielt, die eigene Autorität in der Sache beschädigt: Durch die völlig aus dem Ruder gelaufene Spitzenrunde von Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben die Regierungschefs ihre Corona-Politik schwer kompromittiert. Die Konfliktlinien, die sie durchziehen, verwandelten sich in der Nacht zu Dienstag in tiefe Gräben.
Um einen Abbruch der Beratungen zu vermeiden, mussten die Gespräche für Stunden unterbrochen werden. Gegen Mitternacht hatte die unfreiwillige Pause bereits länger gedauert als die formalen Diskussionen. Es verhandelte nur noch eine Spitzengruppe, der Großteil der Länderchefs war zur Teilnahmslosigkeit verdammt. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) schrieb um halb eins aus Trotz oder Frust ironischen Quatsch auf dem Internet-Kurznachrichtendienst Twitter, während eigentlich intelligente Lösungen für die schwerste Probe Deutschlands seit dem Ende des Krieges gefragt gewesen wären.
Corona-Politik: Widersprüche in der Freiheitsbeschränkung lassen sich nicht mehr überbrücken
Doch für intelligente Lösungen fehlten der Wille oder die Mittel, vielleicht auch beides. Zusperren und Isolieren ist hierzulande noch immer der Weg aus der Pandemie, obwohl seit Wochen über eine Teststrategie und mehr Tempo beim Impfen beraten wird. Die Spitzenpolitiker gaben ein desolates Bild ab. Sie feilschten wie auf dem Basar, als ginge es um Kleinigkeiten. Dabei geht es um einschneidende Freiheitsbeschränkungen, um suspendierte Grundrechte und um die Gesundheit der Bürger. Es war richtig, die Anfang März vereinbarte Notbremse zu ziehen. Aber darüber hinaus fiel den Mächtigen wenig mehr ein, als Ostern das öffentliche Leben komplett herunterzufahren. Alternativen? Fehlanzeige.
Es gelingt ihnen nicht mehr, die inneren Widersprüche ihres Kurses zu rechtfertigen. Warum dürfen Urlauber nach Mallorca fliegen und nicht im Wohnmobil an die Nordsee? Warum müssen kleine Händler schon wieder komplett zusperren, wenn sich im Supermarkt die Menschen an den Kassen stauen? Was spricht gegen einen nächtlichen Spaziergang an der frischen Luft zu zweit? Merkel und die Ministerpräsidenten schaffen es nicht, diese Ungereimtheiten als akzeptabel erscheinen zu lassen, weil ihre praktische Pandemiebekämpfung nicht funktioniert. Das Licht am Ende des Tunnels ist erloschen.
In Deutschland wird nur schleppend geimpft
Die Impfaktion läuft schleppend, an den Schulen und Kindergärten kommen jetzt Tests an, und wenn alles gut läuft, werden sie eventuell und vielleicht nach den Osterferien flächendeckend eingesetzt. Dass Luftfilter helfen könnten, die Infektionsgefahr in Klassenzimmern zu reduzieren, ist seit Beginn der Pandemie bekannt. Angeschafft wurden die Geräte dennoch nur in bescheidenem Umfang.
Wie schlampig und unfähig Deutschland in der Praxis ist, illustriert ein kleines Beispiel, das die frühere Justiz- und Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries ihren ehemaligen Kollegen vor die Füße warf: Die SPD-Politikerin erzählte ebenfalls auf Twitter, dass man bei der Reise auf die Kanaren oder Balearen einen negativen Corona-Test vorweisen muss. Bei der Rückkehr nach Berlin fragt ein Sicherheitsmitarbeiter am Flughafen zwar auch nach einem Test, will ihn aber dann nicht zur Kontrolle sehen.
Überhaupt Mallorca. Die Massenbuchung geht darauf zurück, dass das Auswärtige Amt die Reisewarnung für die Insel aufgehoben hatte. Die Diplomaten haben es leider versäumt, die Folgen ihrer Entscheidung mitzudenken. Denn weder Testpflicht bei Rückkehr noch Quarantäneregelung traten gleichzeitig in Kraft. Die besten Konzepte sind das Papier nicht wert, wenn der Schlendrian derart um sich greift.
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>> Warum dürfen Urlauber nach Mallorca fliegen und nicht im Wohnmobil an die Nordsee? <<
Man kann Grenzen nicht schließen...
>> Warum dürfen Urlauber nach Mallorca fliegen und nicht im Wohnmobil an die Nordsee? <<
Weil Wohnmobile im Flugzeug sehr viel Platz wegnehmen . . .
Als Schlagwort (Was anscheinend nicht bekannt ist)
Föderalsimus
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"Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legt."
Philipp Scheidemann, SPD
Was ist denn mit dem H. Grimm passiert? Vor kurzem hätte er sich noch als Regierungssprecher bewerben können und jetzt auf einmal kritische Töne?
Da hat es sich Herr Grimm nach langer Nacht sehr einfach gemacht: Einfach mit Plattitüden draufhauen. Damit spricht man Leser an. Genau solche wie den ersten Kommentator. Vielen Dank (Ironie) für einen weiteren Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft, die dann an anderer Stelle wieder bejammert wird. Verantwortungsvoller Journalismus, für den die Medien Geld haben wollen sieht anders aus. Das gilt auch für Kommentare. Da kann man eine eigene Meinung vertreten, aber die sollte wenigstens fundiert sein.
Die thematisierten Widersprüche sind sehr wohl erklär- und nachvollziehbar, wenn man über Fakten- und juristisches Grundlagenwissen sowie die Fertigkeit systemisch zu denken verfügt. Letzteres heißt, komplex zu denken und Fern- und Nebenwirkungen zu erfassen. Davon ist in dem Kommentar aber nichts zu finden. Da wollte jemand noch schnell etwas raushauen, bevor er ins Bett kann. Aber ich bin Ihnen sogar wirklich dankbar Herr Grimme. Auch über die Rita Kimmkorn (lesen Sie bei Harry Potter nach), die regelmäßig im Campus-Teil schreibt, habe ich mich schon öfter wegen der mangelhaften Recherche geärgert und mich aus Bequemlichkeit nicht überwunden, mein Abo endlich zu kündigen. Jetzt im Anschluss nach diesem Kommentar tue ich es. Flachen Bild-Zeitungsjournalismus suche ich nicht und würde ihn, wenn ich ihn wollte an anderer Stelle günstiger bekommen. Also Danke Herr Grimm, dass ich mir jetzt monatlich Geld spare - und das ist diesmal nicht ironisch gemeint.
Herr Marco M., selbst wenn die thematisierten Widersprüche erklärbar wären, bleibt uns doch die Politik (und in diesem Fall nicht Herr Grimm) diese Erklärung schuldig. Gestern bei "hart aber fair" hat auch die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Frau Maag, wenig schlüssige Antworten geliefert. Dabei besitzt Frau Maag schon allein durch ihre vielen Nebentätigkeiten sicherlich viel Kompetenz.
Kritik an unsinniger Regierungspolitik spaltet also die Gesellschaft?
Nicht die unsinnige Politik?
Auf den Dreh muss man erst mal kommen. Obwohl, dass ist ja spätestens seit 2015 Standard.
Selbst kein einziges Argument vortragen, den Gegenüber aber verbal abmeiern um ihm danach die Satisfaktionsfähigkeit abzusprechen.
Danke Herr Marco M. So was, diese Vernichtung des aufgeklärten argumentativen Dialoges durch ideologischen, moralisch aufgeblasenen Verachtung habe ich nun schon lange genug erleben dürfen. Nach den Apologeten der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ sind die heutigen Propagandisten die würdigsten Nachfolger der calvinistischen orthodoxen Sauertöpfe
Und trotzdem werden diese Dilettanten größtenteils wiedergewählt werden. Leider kann man Teile des Wahlvolks nicht auswechseln - fürs Land wärs manchmal besser.
Ganz im Gegenteil. Sie untermauern die bisherige Politik. Wir sind offensichtlich mit dem merkelschen Trullala Express (zwei Schritte vor, denen zurück) in Bananastan angekommen.
Währenddessen sind andere mit den Impfungen vollkommen an unsere ratlosen und ahnungslosen Regierung vorbei gezogen. Während hier noch diskutiert wird, wer mal wie geimpft werden könnte, ist zB die israelische Bevölkerung fast komplett mit einem guten Impfstoff geimpft und die Grundrecht Beschränkungen fallen weg.
Hier hingegen dreht man sich im Kreis und beklatscht sich selbst, während die Bürger wieder weg gesperrt werden.