Schäuble ärgert die FDP im Steuerstreit
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung steuert drei Wochen vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auf einen neuen Konflikt zu. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stellte am Wochenende die Steuerpläne der FDP in Frage. FDP-Chef Guido Westerwelle beharrt indes auf dem Konzept mit Entlastungen von 16 Milliarden Euro ab 2012.
"Wir müssen Prioritäten setzen, und Priorität hat jetzt die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen", sagte Westerwelle der "Bild am Sonntag". Die Steuersenkungen seien im Koalitionsvertrag vereinbart und wirtschaftlich notwendig.
Für Schäuble haben die Kommunen Priorität. "Wir haben eine ungewöhnlich schwierige Finanzlage bei den Kommunen", sagte er dem Magazin "Der Spiegel". "Deshalb werden wir uns auch, das steht im Koalitionsvertrag, zunächst um die Kommunalfinanzen kümmern." Wenn er Steuersenkungen und Kommunalfinanzen sehe, habe er eine Vorstellung, "was wir in dieser Legislaturperiode voranbringen können und was möglicherweise erst in einer späteren Legislaturperiode gehen wird". Auch Westerwelle will den Kommunen mehr Luft verschaffen. "Unser Ziel ist es, dass die Einnahmebasis der Kommunen verbessert wird, indem wir sie an der Umsatzsteuer mit einem eigenen Hebesatzrecht beteiligen", sagte er in der ARD.
FDP-Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger warf Schäuble am Sonntag vor, bei der Steuerreform Verwirrung zu stiften. Die FDP halte an ihrem Plan fest, untere und mittlere Einkommensgruppen zu entlasten, gleichzeitig die Kommunalfinanzen zu stabilisieren und die Haushalte zu konsolidieren. "Herr Schäuble scheint sich hingegen erst entscheiden zu müssen."
Homburgers Amtskollege, Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU), sagte am Abend im ZDF, über Umfang und Zeitpunkt von Entlastungen werde die Koalition rechtzeitig entscheiden. Er empfehle aber, "dass wir uns wie immer an der Wirklichkeit orientieren". Saar- Regierungschef Peter Müller (CDU) zeigte sich im "Handelsblatt" (Montag) skeptisch. "Ich sehe nicht, dass plötzlich Manna vom Himmel fällt." Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) erteilte den entschärften FDP-Steuerplänen eine Absage: "Gegenwärtig gibt es einfach keine Spielräume für Entlastungen", sagte er dem "Spiegel".
NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warnte davor, die Kommunen zu überfordern. "Darüber muss noch geredet werden", sagte er der "Leipziger Volkszeitung" (Samstag). Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) stellte sich hinter den FDP- Zeitplan. "Ich halte den Termin 1. Januar 2012 für ein gutes Datum", sagte er der "Welt am Sonntag".
Die Generalsekretäre von CDU und FDP versprachen mehr Harmonie. "Jetzt sind wir in der Spur", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Magazin "Focus". Er sieht gute Chancen für eine Einigung bei der Steuerreform, verwies aber auf Steuer- und Wirtschaftsentwicklung: "Eine Volumen-Garantie für kommende Steuersenkungen kann es daher nicht geben." Gröhes FDP-Kollege Christian Lindner reagierte auf Kritik der Wähler: "Wir haben verstanden." Als Sparmaßnahmen schlug er im "Focus" vor, das fünf Milliarden Euro teure Raketenabwehrsystem Meads zu stoppen oder schneller aus der Steinkohlesubvention auszusteigen.
Die Bundesregierung lässt die Verlängerung des Elterngeldes wegen der hohen Schuldenlast offen. "Sämtliche haushaltsrelevanten Entscheidungen für 2011 stehen unter Finanzierungsvorbehalt", hieß es in Regierungskreisen. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) will zwei zusätzliche Vätermonate. "Der Spiegel" schrieb, im Kanzleramt werde ein Kompromiss geprüft: keine Verlängerung der Vätermonate, aber 137 Millionen Euro für ein Elterngeld mit längerer Bezugsdauer für Teilzeitarbeit.
Um Haushaltslöcher zu stopfen, schlug der Haushaltsexperte der Unions-Fraktion, Norbert Barthle (CDU), im "Focus" vor, die Zeitpläne für Bildungsförderung und Krippenausbau zu strecken. "Klarer Widerspruch", sagte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) der dpa.
Die SPD-Spitzenkandidatin für die NRW-Landtagswahl, Hannelore Kraft, will nach einem Sieg bei der Landtagswahl die "unsägliche Steuersenkungspolitik" über den Bundesrat stoppen. Das sagte sie dem "Hamburger Abendblatt" (Samstag).
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