Streit bei Gipfeln in Kanada vorprogrammiert
Toronto/Berlin (dpa) - Bei den G8- und G20-Gipfeln sind magere Ergebnisse zu erwarten: Bankenabgabe, Schuldenabbau, Entwicklungshilfe - die stärksten Volkswirtschaften der Erde sind bei den zentralen Herausforderungen zerstritten.
Nichtsdestotrotz versammeln sich von diesem Freitag an die Staats- und Regierungschefs um Gastgeber Stephen Harper aus Kanada in Huntsville und Toronto. Sein Land lässt sich die Spitzentreffen etwa 1,1 Milliarden kanadische Dollar (gut 860 Millionen Euro) kosten.
Entwicklungshilfeorganisationen beklagen, dass vor allem die Ärmsten der Welt unter der schwersten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg leiden. Sie fordern, eine weltweite Steuer auf bestimmte Bankgeschäfte (Finanztransaktionsteuer) einzuführen.
Die möglichen Einnahmen einer solchen "Robin-Hood"-Abgabe je Geschäft von 0,5 Prozent könnten sich auf 400 bis 650 Milliarden US-Dollar im Jahr summieren. Das Geld sollte in die Entwicklungshilfe und in den Kampf gegen den Klimawandel fließen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde am Donnerstagabend (Ortszeit) in Toronto erwartet. Die offiziellen Beratungen beginnen in der Runde der sieben größten Industriestaaten und Russlands (G8). Dann dürften auch die Atomprogramme des Irans und Nordkoreas zur Sprache kommen. Am Samstag erweitert sich die Runde zu einem G20-Gipfel mit den zentralen Themen Gesundung der Weltwirtschaft und schärfere Aufsicht der Finanzmärkte.
Auch wenn sich die Europäische Union für eine Steuer auf bestimmte Finanzgeschäfte stark machen wird, erwartete Merkel keine Einigung bei den G20. "Ich sehe nicht, dass wir alle zu einer Meinung kommen", sagte Merkel vor dem Abflug nach Kanada. Die EU will notfalls im Alleingang die Banken stärker zur Kasse bitten.
Weltweit müsse das Ziel bleiben, jedes Produkt, jeden Finanzplatz sowie jeden Manager und Makler zu kontrollieren. Es müsse deutlich werden, wo es bis zum Herbst noch Arbeit gebe, sagte Merkel. Dann treffen sich die G20 erneut im südkoreanischen Seoul.
Den Widerstand gegen eine Bankenabgabe organisiert Gastgeber Harper. Sein Chefunterhändler Len Edwards sagte in Toronto: "Kanada unterstützt keine Bankenabgabe, und um den Tisch der G20 sind die Befürworter sicherlich in der Minderheit."
Auch Brasilien und Australien, deren Banken eher wenig mit spekulativen Papieren gezockt hatten, lehnen die Idee ab. In den USA und Europa mussten Banken dagegen mit Milliarden vor dem Untergang gerettet werden.
Die Kanzlerin erwartet harte Auseinandersetzungen über die Krisen- und Konjunkturpolitik. Der Abbau von Defiziten sei aber unabdingbar. Diese Position würden Deutschland und die EU auf dem Gipfel klar zum Ausdruck bringen, betonte Merkel.
"Ich glaube, wir sollten nicht nachlassen", sagte Merkel. Deutschland nehme in diesem Jahr eine Rekordverschuldung auf sich, um die Weltkonjunktur und den deutschen Konsum zu stimulieren.
US-Präsident Barack Obama hatte vor allem die europäischen Partner davor gewarnt, mit einem zu harten Sparkurs die Erholung der Weltwirtschaft abzuwürgen.
Vor Beginn der Gipfelrunden machten sich Hilfsorganisationen für mehr Einsatz der reichen Staaten in der Dritten Welt stark. Sie fordern von den G8 neue Hilfszusagen in Höhe von 24 Milliarden US-Dollar bis 2015, um die Kinder- und Müttersterblichkeit zu senken. Kanada hat das Problem in den Mittelpunkt der Entwicklungsthemen gestellt.
Auch die Weltbank und die Vereinten Nationen fordern mehr Hilfe. Die schleppende Erholung der Weltwirtschaft gefährde erste Erfolge der Armutsbekämpfung, warnte die Weltbank.
Die Hilfsorganisation Oxfam kritisierte, dass die G8 ihre Versprechen bisher nicht gehalten haben. Es fehlten immer noch 20 Milliarden US-Dollar an Hilfen. 2005 hatte die G8 im schottischen Gleneagles 50 Milliarden Dollar versprochen.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace erinnerte die G20 an den Klimaschutz, der auf der Tagesordnung eher hinten steht. Die G20 müssten ihre Beihilfen für die Ölindustrie in Höhe von schätzungsweise 100 Milliarden US-Dollar im Jahr zu beenden. Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko sei eine Mahnung, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu beenden.
"Es ist an der Zeit, dass die Welt aufhört, Geschenke an Ölriesen wie BP und an Ölsand-Produzenten zu geben, die verheerenden Schaden an unserer Umwelt anrichten", sagte Greenpeace-Chef Kumi Naidoo.
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