„Wir sind beide unverzagt“
Der französische Präsident und der SPD-Kanzlerkandidat lächeln ihre schlechten Umfragewerte weg. In Paris bekommt die Regierung zunehmend Probleme
Paris François Hollande steuert auf einen Rekord zu, der ihn wenig erfreuen dürfte: Frankreichs unbeliebtester Staatschef zu werden, seit Meinungsforschungsinstitute die Ergebnisse regelmäßiger Umfragen veröffentlichen. Am Ende einer Katastrophen-Woche fielen seine Zustimmungswerte erstmals unter die Marke von 30 Prozent. Unpopulärer war bislang nur Jacques Chirac kurz vor seiner Abwahl.
Ähnlich unpopulär in seinem Heimatland war indes auch der Gast, mit dem Hollande am Freitag in Paris zusammentraf: SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Die Zustimmung für ihn liegt nach dem jüngsten ARD-Deutschlandtrend nur noch bei 32 Prozent.
Doch den Eindruck eines Treffens, bei dem der Blinde den Lahmen stützt, wollte Steinbrück unbedingt vermeiden. Das Gespräch mit Hollande sei trotz der verheerenden Umfragewerte für beide „keineswegs verzagt und auch nicht larmoyant“ gewesen, versicherte der Sozialdemokrat am Freitag in Paris. „Wir haben uns auf die Themen konzentriert und nicht auf Selbstbespiegelung.“ Und so trat Steinbrück betont selbstbewusst auf nach dem rund einstündigen Empfang im Élysée-Palast.
Ein Signal an Merkel, die Sarkozy unterstützt hatte
Beobachter interpretieren die Zusammenkunft als ein weiteres Signal an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die im französischen Wahlkampf Hollandes Gegner Nicolas Sarkozy unterstützt hatte. Bereits unmittelbar nach seinem Sieg hatte Hollande die SPD-Troika mit Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier noch vor der deutschen Kanzlerin im Élysée-Palast empfangen.
Die Freundschaftsbekundungen können das unterkühlte Verhältnis zwischen Hollande und Steinbrück aber nicht überdecken. In einem Fernseh-Interview vor einer Woche hatte Hollande selbst von „Unterschieden“ gesprochen. Von einer Wahl Steinbrücks zum Bundeskanzler erhofft er sich jedoch eine weniger rigide Sparpolitik auf EU-Ebene.
67 Prozent der befragten Franzosen trauen Hollande nicht zu, „die Hauptprobleme effizient zu bekämpfen“, also die steigende Arbeitslosigkeit, die sinkende Kaufkraft der Bürger, den rapiden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der französischen Industrie. Nun gesellt sich zur wirtschaftlichen Krise eine moralische hinzu, die die Regierung weiter destabilisiert.
Ex-Budgetminister Jérôme Cahuzac musste – nachdem er vier Monate lang Berichte des Enthüllungs-Portals „Mediapart“ vehement bestritten hatte, er besitze ein geheimes Bankkonto im Ausland – unter dem Druck der richterlichen Ermittlungen zugeben, 600000 Euro zunächst in der Schweiz, dann in Singapur geparkt zu haben, und zurücktreten. Kurz darauf wurde durch die Enthüllungen des Recherche-Projekts „Offshore-Leaks“ bekannt, dass Hollandes langjähriger Vertrauter und Kassenwart seiner Wahlkampagne, Jean-Jacques Augier, in zwei Offshore-Unternehmen im Steuer-Paradies Kaimaninseln investiert hat.
Ein verdächtiger Hinweis auf frühe Zweifel
Der Präsident erklärt zwar, weder etwas von diesen Aktivitäten gewusst zu haben noch von Cahuzacs doppeltem Spiel. Doch „Mediapart“-Chef Edwy Plenel zeigt sich überzeugt davon, dass die Regierung den Minister gedeckt habe. In die Schusslinie geraten jetzt auch Premierminister Jean-Marc Ayrault, der von frühen „Zweifeln“ an Cahuzacs Unschuld sprach, und Finanzminister Pierre Moscovici, dem jener unterstellt war. Sollte sich tatsächlich eine Mitwisserschaft beweisen lassen, droht Hollandes Regierung zu wanken. (mit afp)
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