Beginn einer blühenden Demokratie
Die Wahl 1949 war der erste Schritt zu einem Deutschland, das nie friedlicher, demokratischer und wohlhabender war. Die Demokratie ist stabil - auch in der Wirtschaftskrise. Von Bernhard Junginger
Augsburg - Konrad Adenauer gab keinen Kommentar. Doch die Schwäbische Landeszeitung, wie die Augsburger Allgemeine damals noch hieß, deutete am Tag nach dem Urnengang an, was das Ergebnis bedeutet. Sie zitierte "gut unterrichtete politische Kreise", die wissen wollten, dass eine Koalitionsregierung mit dem CDU-Vorsitzenden als Kanzler geplant sei. So kam es dann auch.
Die ersten Bundestagswahlen heute vor genau 60 Jahren nennt der Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter "den Beginn der einzigartigen Erfolgsgeschichte der Demokratie in Deutschland". Dabei seien in der erst wenige Monate alten Republik weder Euphorie noch politische Aufbruchsstimmung zu spüren gewesen. "Es war eine Zeit, die geprägt war von materieller Not, von Hunger und vom Elend der Flüchtlinge."
Der vier Jahre zuvor beendete Krieg habe alle Bereiche des Lebens beherrscht. In vielen Köpfen sei noch immer die NS-Ideologie herumgegeistert. Erst langsam habe sich das Wissen über die schrecklichen Verbrechen der Nazis verbreitet. "Die Demokratie hatte seinerzeit im Alltag keine Priorität", sagt Oberreuter. Dennoch schnitten extrem rechte oder linke Parteien schlechter ab, als von vielen befürchtet.
Weil die Fünf-Prozent-Hürde auf Bundesebene noch nicht galt, schafften insgesamt neun Parteien den Einzug in den ersten Bundestag. Die folgenden Jahrzehnte sollten im Zeichen des Wachstums der Volksparteien CDU/CSU und SPD stehen. "Kleinere Parteien verloren ihre Wähler an die großen."
In den 1970er Jahren habe die Macht der Volksparteien ihren Höhepunkt erreicht. Oberreuter erklärt das so: "Nach 1949 zählte für die Menschen vor allem der wirtschaftliche Aufschwung. Der gelang; und dafür haben die Wähler Union und SPD belohnt. Als die Grenzen des Wachstums erreicht waren, verloren auch die Volksparteien allmählich an Zustimmung."
Den Erfolg der Grünen und später der Linkspartei begründet der Passauer Professor mit einer wachsenden Individualisierung und zunehmenden Verteilungskämpfen. Die derzeitige Wirtschaftskrise, die laut Oberreuter "noch längst nicht ausgestanden ist", könne auch rechten Parteien grundsätzlich über die Fünf-Prozent-Hürde helfen.
Andererseits habe sich die Politik gerade in der Bankenkrise als "starker Akteur" erwiesen. Mehr denn je sei heute klar, dass ein "politisch gesetzter Rahmen für die Wirtschaft nötig ist". 60 Jahre nach der ersten Bundestagswahl hält der Politikwissenschaftler die deutsche Demokratie für stabil - was vor allem am Sozialstaat liege, "der vieles auffängt".
Ausruhen dürften sich die Bundesbürger aber nicht auf dem Erreichten, sagt Oberreuter mit Blick auf radikale Gruppen im Inland und autoritäre Staaten im Ausland. "Die Deutschen haben gelernt, politisch zu denken", glaubt Oberreuter an die Vernunft seiner Landsleute.
"Sieg der Vernunft", so hatte schon Dr. Hans Drexler, 1949 stellvertretender Chefredakteur der Schwäbischen Landeszeitung, seinen Kommentar zur Abstimmung betitelt. Darin schrieb er: "Deutschland hat mit dieser Wahl sich eindeutig zu den demokratischen Parteien bekannt, die das schwere Erbe des Nationalsozialismus angetreten haben, um Staat und Volk wieder nach den Prinzipien des Rechts, der Freiheit und der Wahrheit zu regieren."
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