Bundesregierung ignoriert EU-Ultimatum
Weil sich Schwarz-Gelb nicht einig ist, droht Deutschland eine Millionenstrafe.
Brüssel/Augsburg Die Bundesregierung hat ein Ultimatum der EU-Kommission zur Vorratsdatenspeicherung verstreichen lassen. Weil sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht einigen kann, eine EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, droht Deutschland eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof – und eine Strafe in Millionenhöhe. EU-Kommissarin Cecilia Malmström hatte gestern bekräftigt: „Deutschland hatte viele Jahre Zeit, es wird ein Vertragsverletzungsverfahren geben.“ Das Ultimatum lief um Mitternacht ab.
Die EU-Richtlinie von 2006 sieht zur Kriminalitätsbekämpfung eine Pflicht zur Speicherung von Telekommunikationsdaten vor. Daten zu Telefonaten sowie zur Internetnutzung sollen demnach „für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten“ erfasst werden. In Deutschland ist die Vorratsdatenspeicherung weiterhin ungeregelt, nachdem das Bundesverfassungsgericht 2010 ein entsprechendes Gesetz für verfassungswidrig erklärt hatte.
Mit der Drohung Malmströms hat sich nicht nur der Streit zwischen Brüssel und Berlin, sondern auch der in der Koalition zugespitzt. Neben dem Betreuungsgeld ist die Vorratsdatenspeicherung eines von gleich mehreren Konfliktthemen. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) beschwichtigte gleichwohl. „Ich sehe keinen Grund dafür, dass die Koalition platzen könnte“, sagte sie unserer Zeitung. Doch während CDU und CSU für eine Umsetzung der EU-Richtlinie sind, ist die FDP- Politikerin strikt dagegen. Sie will, dass Telekommunikationsdaten bloß bei konkreten Anlässen gespeichert und Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden dürfen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Lorenz Caffier (CDU), kritisierte sie im Sender NDR Info scharf: Wenn sie nicht in der Lage sei, Regelungen zu schaffen, müsse man sie von der Aufgabe entbinden.
Wirtschaftsverbände fürchten Planungsunsicherheit
„Die Richtlinie ist seit Jahren höchst umstritten. Sie wurde von mehreren Staaten nicht umgesetzt“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Ob die EU-Kommission Deutschland wirklich verklage, sei eine politische Entscheidung. Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Er meint, die Bundesregierung habe trotz der Drohung Zeit genug, um einen Kompromiss zu finden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt stellte nochmals klar: „Die Vorratsdatenspeicherung ist wichtig und notwendig, damit der Staat bei den modernen Kommunikationsmitteln nicht blind und taub gegenüber technisch hochgerüsteten Verbrechern ist.“
In einem Brief an EU-Kommissarin Malmström, der unserer Zeitung vorliegt, fordern sieben deutsche Wirtschaftsverbände, „zunächst Klarheit über die künftige Ausgestaltung der maßgeblichen Richtlinie zu schaffen“. Sie befürchten „Rechts- und Planungsunsicherheit infolge einer ,nationalen Zwischenlösung‘ auf Basis der zu reformierenden Richtlinie“. "Politik
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