Deutschland und Israel: Unter der Oberfläche schlummern Ressentiments
Wenn Israels Präsident Herzog am Sonntag nach Deutschland kommt, wird er von Spitzenpolitikern viele Solidaritätsbekundungen erhalten. In der Bevölkerung sieht es anders aus.
Es sind Zahlen, die aufhorchen lassen. Die Hälfte der Deutschen meint, es sei Zeit, einen Schlussstrich unter die Nazi-Vergangenheit zu ziehen. Ein Drittel hat eine schlechte Meinung über den Staat Israel. Ein Viertel glaubt, Juden hätten zu viel Einfluss auf der Welt.
Diese Daten stammen aus einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung, für die rund 1300 Erwachsene zu ihren Ansichten über Israel befragt wurden. Die Ergebnisse stehen im scharfen Kontrast zur offiziellen Haltung der Bundesregierung, wonach die Verteidigung des Existenzrechts Israels Teil der deutschen Staatsräson ist.
Der Zentralrat der Juden hat jede Illusion verloren
Wenn am Sonntag der israelische Präsident Jitzchak Herzog auf Staatsbesuch nach Deutschland kommt, wird ihm von deutschen Spitzenpolitikern wieder die volle Unterstützung versichert werden. Doch bei einem guten Teil der Bevölkerung scheint das Eintreten für Israel keinen Rückhalt zu haben, ganz im Gegenteil: „Die aktuellen Zahlen der Bertelsmann Stiftung sind ernüchternd, aber leider nicht überraschend. Das Bewusstsein für die historische Verantwortung Deutschlands gegenüber den Juden und Israel schwindet“, stellte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, desillusioniert fest. „Hier sind alle gefragt dagegenzuhalten“, appellierte er.
Seit Jahren werden hierzulande Israelfeindschaft und Antisemitismus stärker. Beide Haltungen finden sich sowohl bei Rechtsradikalen, bei kapitalismuskritischen Linken als auch in der muslimischen Community. Doch sie bleiben nicht auf randständige Minderheiten begrenzt, sondern strahlen weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Das Selbstbild, Deutschland habe vorbildlich die dunkle Vergangenheit des Nationalsozialismus aufgearbeitet, hat hässliche Kratzer bekommen.
Zuletzt leistete sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einen schweren Fauxpas, als Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas in Berlin den Holocaust relativierte. Scholz stand daneben und schwieg. Und auf der weltberühmten Kasseler Kunstausstellung Documenta zeigten Künstler Bilder mit antisemitischen Klischees. Die Aufarbeitung des Kunst-Skandals holpert vor sich hin.
CSU fordert konsequente Aufarbeitung des Documenta-Skandals
Die stellvertretende CSU-Vorsitzende Dorothee Bär wirft der Bundesregierung vor, dass es ihr an politischem Willen dafür mangele. „Dieser Wille ist nach wie vor nur halbherzig erkennbar, wie die andauernden Querelen in Kassel zeigen“, sagte Bär unserer Redaktion. Die Ampel-Regierung müsse noch vor dem Ende der Documenta am 25. September die richtigen Konsequenzen ziehen.
Die 44-Jährige will sich nun dafür einsetzen, dass die Rückforderung des Bundeszuschusses an die Kunstschau geprüft wird. Die zukünftige Förderung der Documenta müsse „an die Bedingung konkreter Maßnahmen geknüpft“ werden, damit kein zweites Mal Kunst mit antisemitischer Bildsprache in Kassel gezeigt werde. Bär hatte sich über den Eklat mit Zentralratspräsident Schuster ausgetauscht.
Die Bertelsmann-Studie mit ihren nachdenklich stimmenden Ergebnissen hat einen zweiten Teil, der überrascht. Die Forscher befragten auch 1300 Israelis über ihr Deutschlandbild. Es ist deutlich heller als das der Deutschen über den jüdischen Staat. Demnach haben 63 Prozent der Menschen in Israel eine gute Meinung zu Deutschland, nur 19 Prozent sehen die Bundesrepublik negativ.
Deutschland ist hochgeschätzter Partner von Israel
Als Wirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) Jerusalem im Juni besuchte, wurde er von einer ganzen Riege von Ministern empfangen, obwohl die israelische Regierung seinerzeit in der Knesset um ihr Überleben kämpfte. Deutschland ist als Partner trotz des Menschheitsverbrechens Holocaust hochgeschätzt.
Präsident Herzog wird am Montag an der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Attentats bei den Olympischen Spielen 1972 in München auf israelische Sportler und Trainer teilnehmen. In den vergangenen Tagen verständigten sich beide Länder auf eine Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer. Die Angehörigen sollen ein halbes Jahrhundert nach der Geiselnahme durch palästinensische Terroristen dem Vernehmen nach rund 28 Millionen Euro erhalten. Die versuchte Befreiung der Geiseln war in einem Fiasko geendet. Die Familien der Sportler hatten damit gedroht, der Gedenkfeier fernzubleiben, was einen Tiefpunkt in den gegenseitigen Beziehungen markiert hätte.
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Warum ist das wohl so, was im ersten Absatz geschildert wurde? Man wird fast täglich schulmeisterlich mit dem Thema Israel und Juden (im weitesten Sinne) berieselt. Reaktion: "Ich kann das jetzt bald nicht mehr hören".