
Psychisch Erkrankte müssen bald wohl noch länger warten


Große Sorge um die psychiatrische Versorgung: Eine Qualitätsrichtlinie droht den Engpass in den Kliniken weiter zu verschärfen – mit gravierenden Folgen.
Psychische Belastungen nehmen zu, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, aber auch im hohen Lebensalter. Doch schon jetzt gibt es oft lange Wartezeiten in Kliniken und in der ambulanten Versorgung. Nun droht ein weiterer Abbau der Plätze in den psychiatrischen Kliniken. Grund ist eine 2020 eingeführte bundesweite Qualitätsrichtlinie, die ab Januar 2024 mit Sanktionen verbunden ist und eine bestimmte Personalausstattung vorschreibt: Kann eine Klinik die Vorgaben nicht einhalten, drohen hohe finanzielle Sanktionen. „Für Patientinnen und Patienten ist das eine Katastrophe“, warnt Prof. Dr. Alkomiet Hasan, Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Augsburg und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Augsburg.
Notfälle werden nicht abgewiesen
Hasan betont zwar, dass auch künftig kein Notfall abgewiesen werde, dennoch müssten infolge der Vielzahl der Notfälle Menschen, die nicht akut gefährdet sind, mit längeren Wartezeiten rechnen. Vor allem befürchtet er, dass infolge der neuen Qualitätsrichtlinie Klinikbetten gesperrt werden müssen, weil das vorgeschriebene Personal nicht vorhanden ist. „Die Multiprofessionalität, mit der wir täglich erfolgreich arbeiten und die es uns erlaubt, auch in Zeiten des Fachkräftemangels eine gute Behandlung zu garantieren, aber eben nicht immer mit exakt den vorgeschriebenen Fachkräften, wird völlig außer Acht gelassen. Doch für Patientinnen und Patienten bedeutet dies nicht eine Entscheidung zwischen einer guten und einer noch besseren Behandlung, sondern sie haben dann gar keine Behandlung mehr.“ Auch steige der Druck auf die ohnehin völlig überlasteten Kapazitäten in der ambulanten Versorgung.
Hasan wünscht sich nicht nur mehr Vertrauen in die Arbeit von Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften. Vor allem fordert er eine bessere Verteilung der Patientinnen und Patienten in der jeweiligen Region. „Die Behandlungsangebote bei psychischen, aber auch bei körperlichen Leiden sind zu zersplittert.“ Dies verhindere, dass die Patienten, die am dringendsten eine Behandlung brauchen, sie frühzeitig erhalten. Außerdem werde gerade bei psychischen Erkrankungen oft übersehen, dass nicht nur Einzelne leiden, sondern oft ganze Familien. Dies hebt auch Cordula Falk vom Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen hervor, der sich wie viele andere Verbände gegen die geplanten Sanktionen, die aus der neuen Personalrichtlinie hervorgehen, ausspricht: Angehörige könnten nicht eine noch größere Versorgungslücke schließen, sagt Falk.
Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD im bayerischen Landtag, Ruth Waldmann, verfolgt die angespannte Versorgungslage von Menschen mit psychischen Erkrankungen mit großer Sorge: „Die psychiatrische und psychische Versorgung wird in Bayern seit Jahren von der Staatsregierung stiefmütterlich behandelt und ist völlig veraltet. Dabei droht bei vielen Erkrankungen, die nicht frühzeitig behandelt werden, eine Chronifizierung.“ Mit schweren Folgen, die von der sozialen Isolation bis hin zum Verlust des Arbeitsplatzes reichen können. Besonders die Behandlungsengpässe bei psychisch kranken Kindern und Jugendlichen seien im Freistaat „dramatisch“. Waldmann fordert, dass die psychische Versorgung „zur Chefsache“ in Bayerns Regierung wird.
Bayerns Gesundheitsministerium sieht Bund gefordert
Vom bayerischen Gesundheitsministerium heißt es auf Anfrage, man baue die „Unterstützung für Menschen mit psychischem Hilfebedarf schon lange konsequent weiter bedarfsgerecht aus“. Auch habe sich Bayern „bereits mehrfach an die Bundesebene gewandt, um Verbesserungen bei den Wartezeiten auf Behandlungs- und Therapieplätze bei Psychotherapeuten herbeizuführen“. Der Bund müsse dringend das Versorgungangebot für Menschen mit psychischem Hilfebedarf verbessern - egal welchen Alters. "Konkret fordern wir eine Reform der psychotherapeutischen Bedarfsplanung auf Bundesebene."
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Ein besonders wichtiges Zeichen setze Bayern zudem mit den Krisendiensten. Die Krisendienste sind bayernweit rund um die Uhr unter der zentralen Rufnummer 0800 655 3000 erreichbar und können von jedem kontaktiert werden - auch von Angehörigen.
Wie finden Betroffene einen Therapieplatz in der Region?
Die folgende Übersicht zeigt, wie Sie bei psychischen Problemen in der Region Hilfe finden. Klicken Sie auf die roten Icons. Dort finden Sie Telefonnummern und E-Mail-Adressen zu geeigneten Anlaufstellen.
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Leider musste ich erleben wie meine Lebensgefährtin im Klinikum aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar jedes Wochenende über Monate ans Bett fixiert wurde, was für mich nur aus den schon vorhandenen Personalmangel zurückzuführen ist. Leider kam noch hinzu das die Klinik und ich unterschiedlicher Meinung bzgl. der Behandlung waren, was dazu führte das ich die Betreuung verlor und der Kontakt mir stark eingeschränkt wurde. Heute kämpft meine Lebensgefährtin damit die Fixierung und Behandlung zu verkraften (der eigentliche Grund der Einweisung flachte wie in der Vergangenheit auch schnell wieder ab). Ich begrüße daher sehr höhere Standards hoffe aber auch das es hier dann auch mehr Gelder gibt (den das ist das eigentliche Problem) und die Kliniken dies mit politischer Hilfe erreichen können