Bundeskanzler Scholz verlässt sich zu sehr auf den guten Ruf, den sich Berlin in Brüssel erarbeitet hat. Doch der Wind hat sich gedreht.
Zumindest der Ernst der Lage scheint ihnen bewusst zu sein. Das Lachen in die Kameras besonders strahlend. Der Händedruck lang und fest. Das Gespräch mehr als drei Stunden. Als Bundeskanzler Olaf Scholz in dieser Woche seinen Kollegen Emmanuel Macron in Paris besuchte, stand das Treffen unter besonderer Beobachtung. Dass es im deutsch-französischen Verhältnis aktuell nicht rund läuft, ließ sich schon längst nicht mehr verheimlichen. Ausgerechnet in einer der größten Krisen seit Jahrzehnten fremdeln die Partner miteinander. Für Deutschland sind das besonders schlechte Nachrichten. Denn nicht nur die Beziehung zu Paris ist angespannt, insgesamt entwickelt sich Berlin immer mehr zum Außenseiter und Quertreiber innerhalb der Europäischen Union. Deutschlands Einfluss in der EU schwindet zunehmend.
Scholz und die EU: Machtverhältnisse kehren sich um
Länder wie Polen oder die baltischen Staaten runzeln seit Jahren die Stirn über die deutsche Russlandpolitik und sehen sich seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine bestätigt. Länder im Süden sind weit unabhängiger von russischer Energie, die zwar lange günstig in Richtung Deutschland strömte, die Regierung aber auch erpressbar machte. Es ist unübersehbar: Die Machtverhältnisse kehren sich damit um. Die vermeintlichen "Kleinen“ wollen sich nicht mehr vom großen Nachbarn vorschreiben lassen, wie die Zukunft Europas auszusehen hat. Vom Respekt der Vergangenheit wird Scholz nicht mehr lange zehren können. Im Gegenteil.
Unglaubwürdig wirkt der Kanzler, wenn er von seinen Kolleginnen und Kollegen Solidarität verlangt, nur um dann doch ein eigenes Süppchen zu kochen. Nun ist nicht jede Kritik, die an Berlin geübt wird, auch gerechtfertigt. Ein Gaspreisdeckel, wie er unter anderem von Spanien gefordert wird, hätte weitaus schwerwiegendere Folgen für Deutschland, das im Moment auf jede Energielieferung dringend angewiesen ist. Auch der Streit um staatliche Entlastungsprogramme wirkt überspitzt beim Blick auf das, was auch andere Länder für ihre Bürgerinnen und Bürger auf die Beine stellen. Doch dass so offen gegen Berlin geschossen wird, dürfte für die Regierung neu sein.
Deutschland gefiel sich zu gut in der Rolle des Primus
Durch sein lange so glaubwürdiges Bekenntnis zur EU, dass die Gemeinschaft über allem stehe, war das Ansehen Deutschlands über viele Jahre hinweg gewachsen. Hinzu kam die wirtschaftliche Stärke, die von Stabilität und politischer Vernunft zeugte und im Gegensatz stand zu all den Schuldenländern, die auf Wohl und Wehe der anderen angewiesen waren.
Womöglich gefiel sich die Bundesrepublik selbst zu gut in dieser Rolle, um überhaupt auf die Idee zu kommen, dass sich die Zeiten ändern können. Scholz' überhebliches Auftreten deutet darauf hin, dass er sich seiner selbst zu sicher ist. Bei den Partnern in Europa kommt das nicht gut an. Dass sie sich von einem Regierungschef, der sich eine besonders blutige Nase geholt hat, etwas Demut erwarten, ist mehr als verständlich.
Nun muss man kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass diese Entwicklung Deutschland nicht erst langfristig massiv schaden könnte. Wirtschaftlich ist es als der größte Mitgliedstaat auf die Allianz mit den anderen angewiesen, die aktuelle Krise ist der beste Beweis dafür. Doch auch für die EU selbst war es nie gut, wenn sie ohne einen starken Antreiber war. Und Aufgaben gibt es fürwahr genug. In Italien regiert eine Post-Faschistin, der Brexit ist längst nicht vollendet, und Putin wird auch künftig versuchen, einen Keil zwischen seine Gegner zu treiben.
Die Diskussion ist geschlossen.
"Es gibt sehr viele Gründe dafür , daß Deutschland , die Deutschen immer unbeliebter werden."
Bei diesem Gedöns handelt es sich um eine weitere Variante des inzwischen von vielen deutschen Leitartiklern betriebenen Bashing gegen Kanzler Scholz, der zum Glück wenn überhaupt nur sehr zögerlich auf deren "kluge" Ratschläge sowie die von Scharfmachern wie Herr Merz, Frau Strack-Zimmermann und Herr Hofreiter eingeht.
Das Gekeife unserer "Partnerländer" im Osten, Nordosten und der Schuldenstaaten im Süden hat vor allem einen Grund: sie befürchten, dass Deutschland seiner Rolle als Zahlmeister künftig nicht mehr wie gewohnt gerecht werden kann.
Und das ist gut so . . .
Deutschland isoliert? Wo ist Deutschlanbd nicht mit seinem Geld mit dabei. Niemand kann es sich leisten Deutschland zu isolieren. Genaus so wie z.B. die USA oder China. Der geneigte Leser darf warten - warum.
Es gibt sehr viele Gründe dafür , daß Deutschland , die Deutschen immer unbeliebter werden.
Und alle diese Gründe sind nicht immer neu , sondern wurden von Berlin in mannigfaltigen Variationen immer wieder neu aufgelegt .
Das beständige deutsche Oberlehrerwesen mit seiner selbstgefälligen moralisch audgeladenen Attitüde , der Hang zu nationalen Alleingängen ( bei den Gaspipelines etwa oder dem jahrelangen Nein zur Aufnahme der Ukraine in die NATO , beim absichtlich naiven Umgang mit dem Kreml-Diktator, egoistisch angelegte Wirtschaftsabkommen mit China ) , die vorsätzliche Trittbrettfahrerei bei den Verteidigungsausgaben, die dauerhafte Übergewichtung deutscher Wirtschaftsinteressen , bei gleichzeitiger Verhinderungspolitik ( bei gemeinsam festgelegten Sanktionen etwa , um - angeblich - der deutschen Wirtschaft nicht "zu schaden ...) , ...
die Liste der deutschen Handlungen , welche bei unseren befreundeten Staaten dies- und jenseits des Atlantiks immer öfters das Gefühl des Überraschtwerdens , Irritationen und Zweifel an der Verläßlichkeit aufkommen lassen , ist sehr lang .
@Maria T.: Warum richten Sie immer wieder haltlose Vorwürfe gegen Deutschland?
Zur Behauptung „dauerhafte Übergewichtung deutscher Wirtschaftsinteressen“ empfehle ich, die Aufnahmezahlen von Flüchtlingen insbesondere ab 2015 von Deutschland mit denen seiner Nachbarstaaten, ganz besonders seiner östlichen, zu vergleichen.
Und zu „Hang zu nationalen Alleingängen“ mit den Gaspipelines als Beispiel:
Dass Nord Stream gebaut wurde, hatte u. a. seine Ursache im Russisch-ukrainischen Gasstreit (hierzu unter Wikipedia: „Durch die russische Subventionierung war der Gaspreis in der Ukraine bisher [vor 2005] deutlich niedriger als in Russland selbst. In vielen Bereichen, vor allem in der Metallindustrie, belieferte die Ukraine dadurch den russischen Markt zu Dumpingpreisen und übervorteilte so die russischen Produzenten. Einen Teil ihres für 50 Dollar erworbenen Gases verkaufte die Ukraine für 260 Dollar an Rumänien“). Auch gibt es Berichte über tatsächliche oder drohende Gasdiebstähle sowie offenstehende Rechnungen. Außerdem hat Polen in unangemessener Weise ständig versucht, die Durchleitungsgebühren zu erhöhen. „Das wahre Motiv der Polen gegen Nord Stream 2 ist denn auch ein anderes: Bislang kassiert Polen hohe Entgelte für das Gas, das über polnisches Gebiet geleitet werden muss“, schrieb der Weser Kurier am 27.10.2019.
K. Brenner
Der Kommentar lässt meines Erachtens außer acht, dass der Prozess der Isolierung Deutschlands schon zur Merkelzeit begann. Frankreich hat sich in seinen Interessen immer mehr jenen Italiens angenähert. In beiden Staaten gehen rechte Parteien bei Wahlen auf Stimmenfang, indem man gegen Deutschland hetzt. Man glaubte in der BRD, man könne die Differenzen z. B. kitten, indem man mit viel deutschem Steuergeld den Coronahilfsfond durchsetzt. Dies hat in Italien aber nicht dazu geführt, dass dankbare Wähler darauf verzichten, nationalistischem Stumpfsinn nachzulaufen. Und auch in Frankreich trug antideutsche Stimmungsmache dazu bei, dass Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl eine erhebliche Zahl an Stimmen gewann. Beide Schwergewichte der EU haben auch anscheinend kein Problem damit, wenn es um ihre Interesse geht, Hand in Hand mit dem demokratiefeindlichen Ungarn zu agieren. Diese Situation jetzt alleine auf das politische Handeln unseres Kanzlers abzuladen, finde ich nicht korrekt.
Früher wurde Deutschland wegen seines Erfolges beneidet, heute bekommt es wegen Dummheit das Mitleid umsonst.
Aus ganz Europa wurde Deutschland wegen NS2 kritisiert. Es perlte ab. Die unbestreitbaren Pull-Effekte bei der Zuwanderung gingen im Sturm der moralischen Überlegenheit unter. Für Ökostrom wollte Deutschland das Vorbild für alle sein. Die Deutschen haben in Brüssel keinen „guten Ruf“ sondern stellen die Mehrzahl derer, die immer ruinösere Verbote und Grenzwerte ohne demokratische Legitimation den Menschen überstülpen. Die Deutschen nutzen ihre Nachbarn, um bei Sturm das Überangebot an Windstrom weggepuffert zu bekommen. Der Infrastruktur Ausbau wird nirgends so verschleppt wie in Deutschland. Die Besserwisserei der letzten beiden Jahrzehnte war für alle Nachbarn nervtötend.
Und jetzt läuft der Kanzler, der angeblich keine deutschen unabgestimmten Alleingänge unternehmen will, beim Gas, bei China, bei “Ringtauschen” usw usw Amok. Und weil er gleichzeitig betteln gehen muss, bekommt er nun den über Jahrzehnten aufgestauten Frust frontal.
Man darf aber sagen, das hat sich die Regierung der handwerklichen Dilletanten redlich erarbeitet.
Deutschland als Außenseiter? Nur wenn man nicht nach der Pfeife der anderen tanzt? Wird sich sehr schnell wieder ändern - Deutschland ist schliesslich der Hauptgeber in der EU.
Der überhebliche Opa mit der dicken Brieftasche wird sicher zum Außenseiter, wenn die Brieftasche nichts mehr hergibt. Dann werden wir ganz schnell sehen, dass man sich Reputation, Freundschaft und Solidarität bisher nur erkauft hat.
Der gute Ruf besteht einzig und alleine aufgrund des bisher für gefüllten und großzügig gehandhabten Scheckbuchs und wirtschaftlichen Optionen, die nun als wegfallen. Wenn Deutschland nicht mehr blecht, dann ist die Bedeutung ganz schnell im Keller.
Folge des aktuellen Konfliktes dem UA Krieg ist dass Risse in der EU Gemeinschaft auftun; bisher konnten kontroverse Themen durch
finanzielle Ausgleichszahlungen unter den EU Staaten gedämpft werden. Durch den UA Krieg wird die Finanzdecke erheblich, die EU stößt an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit. Im Kampf ums wirtschaftliche Überleben ist sich jede Nation selbst der Nächste- die Solidarität bröckelt, was sich am Beispiel Verhältnis DEU- FRA derzeit klar zeigt. Nur auf die Meinung der neuen Mitglieder der EU aus Osteuropa zu hören, die gerne nehmen und fordern und wenig geben, ist auch nicht angebracht. Eine innere Spaltung in der EU ist genau das Ziel Moskaus- mit der wirtschaftlichen Not wächst die Divergenz.