
Kiew drängt auf einen schnellen EU-Beitritt


Beim EU-Ukraine-Gipfel in Kiew ging es viel um Symbolik und abermals um den EU-Beitrittswunsch der Ukrainer. Einen konkreten Zeitplan gibt es aber weiterhin nicht.
Ursula von der Leyen war bereits auf dem Weg zum offiziellen Residenzpalast des Präsidenten, als plötzlich die Sirenen durch Kiew heulten. Gerade noch hatte die EU-Kommissionspräsidentin das Postamt am berühmten Maidan-Platz besucht, wo Ukrainer ihre alten Glühbirnen durch neue, stromsparende LED-Lampen austauschen können. Von denen spendete die EU bis dato fünf Millionen Stück, 35 Millionen sollen insgesamt geliefert werden. "Gemeinsam bringen wir Licht in die Ukraine", befand von der Leyen später gewohnt pathetisch. Die Deutsche sollte einige Zeit im Schutzraum im Keller eines Hotels verbringen, bis sich herausstellte, dass der Luftalarm wegen des Einsatzes russischer Kampfflugzeuge im Luftraum über Belarus ausgelöst wurde.
Der Zwischenfall veranschaulichte die düstere Realität, in der die Ukrainer seit knapp einem Jahr leben. Und hob die Besonderheit dieses Treffens zwischen den EU-Spitzen und der ukrainischen Regierung noch hervor, das unter strengen Sicherheitsvorkehrungen stattfand. Es war der erste Gipfel seit Beginn der Invasion Russlands, es war der erste Gipfel der Union in einem Kriegsgebiet. Von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kamen in jenem Barockpalast zusammen, der in den 1750ern für die russische Kaiserin gebaut worden war. Nun standen die drei Politiker für die Pressekonferenz im prächtigen Ballsaal. Goldene Stuckverzierungen, kristallene Kronleuchter, schwere Samtvorhänge – das Leid, die Bombardierungen und die Zerstörung des Kriegs, dies alles schien in dieser Kulisse weit entfernt.
Die Nachrichten von der Front klangen dagegen düster, der Geist des Zusammenhalts im Land sei laut Selenskyj nicht mehr so stark wie noch vor einem Jahr. Und so appellierte er an seine Landsleute: "Jeder muss verstehen, dass wir uns alle im Krieg befinden." Die Widerstandsfähigkeit der Soldaten hänge sowohl von den Waffen als auch von der Motivation ab, die vom Geist im Land inspiriert werden könne.
EU will die Ukraine auch weiterhin unterstützen
Allzu große Ankündigungen gab es bei diesem Gipfel nicht, große Worte dafür umso mehr. "Die Ukraine ist die EU, die EU ist die Ukraine", sagte etwa Michel. Der Vertreter der 27 Mitgliedstaaten war erst am Freitagmorgen aus Brüssel angereist, von der Leyen kam bereits am Donnerstagmorgen mit einer Delegation von 15 Kommissaren nach Kiew. Reine Symbolpolitik? In der Erklärung der Gipfelteilnehmer hieß es, die EU werde die Ukraine und das ukrainische Volk gegen den anhaltenden russischen Angriffskrieg unterstützen, solange es nötig sei. Die Gastgeber wurden derweil nicht müde, ihren wichtigsten Wunsch an die Angereisten heranzutragen: die Aufnahme der Ukraine in die EU. "Das Ziel ist, die Verhandlungen dieses Jahr zu beginnen", sagte Selenskyj und verwies auf das Kommuniqué.
Hinter dem Präsidenten hing eine Landkarte, auf der sein Land, das seit 2022 offiziell EU-Beitrittskandidat ist, bereits in die EU eingezeichnet war. Die ukrainische Regierung macht Druck – und hat in von der Leyen eine mächtige Unterstützerin. Sie versuchte vor Ort zwar, die Erwartungen zumindest zu dämpfen, indem sie immer wieder auf jene sieben Voraussetzungen verwies, die die Ukraine erfüllt haben muss. Dabei geht es etwa um Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung oder Reformen in Sachen Rechtsstaatlichkeit. Auch gebe es "keine starren Fristen".
In der EU gibt es viele, die am schnellen Beitritt Kiews zweifeln
Gleichwohl machte sie Mut: Europa stehe an der Seite des angegriffenen Landes – "bis zum Tag, wenn die ukrainische Flagge dort gehisst wird, wo sie hingehört: in Brüssel, vor dem Berlaymont-Gebäude, im Herzen der Europäischen Union", sagte sie mit Blick auf den Sitz der Kommission in der belgischen Hauptstadt. Doch bis dahin ist es ein weiter Weg. Einige Mitgliedstaaten hadern mit der Idee eines schnellen Beitritts. Frankreich oder die Niederlande etwa zeigen sich wenig begeistert, dass die Ukrainer immer wieder eine Aufnahme in den Club innerhalb der nächsten zwei Jahre ins Spiel bringen. Beitritt ja, aber er soll nach dem strengen Regelwerk erfolgen und dürfte damit in ferner Zukunft liegen.
Bis Ende des Jahres, meinte Michel diplomatisch, solle die Frage beantwortet werden, was die nächsten Schritte im Beitrittsprozess seien. Wohl wissend um die Zweifler im Kreis der Gemeinschaft, schränkte er jedoch ein: "Wir müssen diese Entscheidung einstimmig treffen." Das erfordert auch die Verabschiedung des zehnten Sanktionspakets gegen Russland. Die Maßnahmen sollen bis zum ersten Jahrestag der Invasion am 24. Februar stehen und vorrangig auf Technologie abzielen, die etwa in russischen Drohnen eingesetzt wird.
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"Wenn dir jemand den kleinen Finger reicht, dann reiß Ihm am besten den Arm aus"
Sie bitten um den Arm aber eben sehr fordernd.
""Wir Ukrainer fordern all die Staaten auf, die über Leopard-Kampfpanzer verfügen, ihren eigenen Beitrag zur Panzer-Koalition ohne weitere Verzögerung zu leisten", sagt der stellvertretende Außenminister Andrij Melnyk der "Süddeutschen Zeitung".
Hier wackelt wieder einmal der Schwanz mit dem Hund.
Hätte man vor 20 Jahren der Türkei einen solchen roten Teppich ausgerollt - die Welt wäre heute besser. Aber damals haben die Fundamentalisten des politischen Christentums den Türken die Tür vor der Nase zugeschlagen. Erdogan hat sich mit der Flüchtlingswelle bedankt und die EU fast zum Einsturz gebrach. Jetzt treibt er die Brüsseler NATO-Bonzen in den Wahnsinn indem er mit Putin sein privates Süppchen kocht. Ich freue mich für Erdogan - nicht weil ich ihn mag, sondern weil Dummheit bestraft werden muss.
"Das Problem des „EU-Sozialismus“ ist, dass ihm irgendwann das Geld der Deutschen ausgeht. "
Solange die Notenpressen laufen und die Deutschen dafür bürgen, ist alles gut. Bitte aber kein Geheul mehr wegen steigender Inflation. Wer italienische Verhältnisse schafft, hat auch irgendwann die Lira. Der Schaden ist enorm für den Wirtschaftsstandort.
Wohltuend gestern Abend die Stellungnahme von Frau Barley zum Beitritt der UA zur EU: Eine realistische Einschätzung der Lage und nicht die Lobhudelei der EU Kommission gegenüber dem jederzeit medienpräsenten UA Präsidenten gestern in Kiew. Der ganze Auftritt der EU Kommission in Kiew erinnerte eher an eine TV Werbeveranstaltung als an seriöse Gespräche; irgendwie unwirklich mitten im Krieg..
Jochen H., wirklich jeder weiß, dass es noch sehr viele Jahre dauern wird, bis die Ukraine Mitglied der EU ist. Dennoch spricht nichts dagegen, den Menschen in diesem von Putins Russland überfallenen Land Mut zu machen und ihnen eine Zukunftsperspektive zu bieten. Dass das den Russen und ihren Unterstützern hier im Land so gar nicht passt, ist verständlich, aber da müssen Sie durch.
Putin erreicht mit seinem verbrecherischen Krieg das Gegenteil von dem, was er wollte: Die EU ist so einig wie selten und vergrößert sich Richtung Osten, die Nato gewinnt mit Schweden und Finnland neue starke Mitglieder dazu, der Umbau unserer Wirtschaft in Richtung Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern gewinnt gewaltig an Schub und die USA stehen wieder fest an der Seite ihrer europäischen Bündnispartner.
Wenn die EU auch nur im Ansatz die Wertegemeinschaft wäre, die sie vorgibt zu sein, dürfte die Aufnahme der Ukraine zu keiner Sekunde ein aktuelles Thema sein. So liefern diese Brüsseler Dilettanten Putins Propaganda eine erstklassige Steilvorlage.
Volle Zustimmung. Ich fand die Bilder von der ständig lachenden und schäkernden von der Leyen in den Nachrichten heute so peinlich. Auch dass ein EU-Gipfel überhaupt in einem Nicht-EU-Land stattfindet. In einem Kriegsgebiet, so schlimm kann es da dann ja wohl nicht sein?
Das ärmste Land Europas will kurzfristig in die EU- was praktisch völlig unrealistisch ist- bettelarm, im Krieg und korrupt selbst jetzt im Krieg. Und besonders nervt das aufgesetzte freundliche Getue ja fast die Grenze des Anbiederns der Frau van der Leyen an den UA Präsidenten. Bilder wie aus anderen Welt, die das Anspruchsdenken der Regierungscrew in Kiew noch weiter anspornen. Und das Geld dass aus Brüssel freizügig an die UA verteilt, ist unser aller Steuergeld.
@Christina M.: Da muß ich Ihnen mal voll zustimmen. Für mich ist die EU schon länger ein teures Politikergrab für die, die man im eigenen Land nicht mehr brauchen kann.
Es ist befremdlich zu sehen, wie diese nicht gewählte alte weiße Personin die Zukunft nicht nur von Millionen (jungen) EU Bürgern in die Tonne tritt, sondern andere Beitrittskandidaten, die wesentlich besser dastehen und nicht annähernd so korrupt und kleptokratisch verseucht sind, brüskiert. Dazu dann die laufenden Geldflüsse und ansonsten Demokratie feindliche Intransparenz. Ich mag sie nicht mehr sehen. Von Seiten der teils als dreist auftretenden ukrainischen Akteure absolut richtig, abzugreifen was geht und zur Beschleunigung dann auch fordernd und frech zu sein.
Wer soll das bezahlen? Deutschland?
Bingo!
Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen.
Bemüht sich die EU Kommission Präsidentin genauso intensiv um andere Kandidaten die weniger korrupt sind, seit Jahren Fortschritte machen und insgesamt besser dastehen und immer noch warten?