Die Gladbach-Bändiger
1:0-Arbeitssieg gegen wehrhafte Borussen beschert Münchnern Tabellenplatz drei. Ribéry und Robben nerven das Publikum, ehe sie es am Ende begeistern
München Der Außergewöhnliche verlangt mitunter viel Zeit und Geduld, ehe er seine Begabung offenbart. Am Samstag sind die beiden Hochbegabten Franck Ribéry und Arien Robben den Bayen-Anhängern unter den 69000 in der ausverkauften Allianz-Arena derart auf die Nerven gegangen, dass es kaum mehr auszuhalten war. Die Herren kreiselten egomanisch um sich selbst, ehe nach der dritten Pirouette der Ball an einen Gladbacher verloren war. Robben kickte schwach, Ribéry schwächer.
Trotzdem spürte jeder im Stadion, dass dieses Duell zwischen dem erfolgreichsten Bundesliga-Angriff (60 Tore) und der schwächsten Abwehr (62 Gegentreffer), wenn überhaupt, dann nur von diesen beiden entschieden werden würde. Nach 77 Spielminuten, die sich wie ein alter Kaugummi hingezogen hatten, war es so weit: Das Paar tanzte durch die Gladbacher Abwehr und Robben schloss den französisch-holländischen Pas de deux mit dem Tor des Tages ab. Bailly war chancenlos. Zuvor hatte Gladbachs Torhüter wieder häufig im Stil eines Amateurkeepers pariert.
Die Gladbacher sind dem dritten Abstieg ihrer Vereinsgeschichte nach 1999 und 2007 ein Stück näher gerückt, die Münchner haben Hannover 96 mit ihrem Törchen vom dritten Platz verdrängt, nachdem die Niedersachsen im Dortmunder Spielrausch 1:4 untergingen. Platz drei lässt Hoffnung auf die Champions League. „Das war unser Minimalziel, das haben wir jetzt“, resümierte Bayern-Trainer Louis van Gaal eine Spur zufrieden. Mehr als das Minimum steht auch nicht in Aussicht, nachdem Leverkusen seinen Vorsprung mit einem 1:0-Sieg in Kaiserslautern verteidigt hat. „Leverkusen ist sieben Punkte voraus. Die machen einen stabilen Eindruck. Da muss schon viel passieren“, dämpfte Sportdirektor Christian Nerlinger die Hoffnung, den Klub des neuen Bayern-Trainers Jupp Heynckes noch von Platz zwei zu verdrängen.
Aber eigentlich war der holperige Bayern-Auftritt gegen überraschend lebhafte Gladbacher überhaupt keine Belohnung wert. Der Tabellenletzte attackierte anfangs forsch, was Marco Reus, Gladbachs feinster Fußballer, mehrfach zu eleganten Streichen gegen die wieder neu formierte Münchner Innenverteidigung nutzte. Die 15. Saisonpremiere auf diesem Posten feierten Badstuber und Gustavo, nachdem van Buyten angeschlagen war und Breno wohl endgültig abgeschrieben ist. Die Neulinge haben ordentlich gespielt, auch wenn Gustavos Fähigkeiten dort verschenkt sind. „Wir haben uns schwergetan“, räumte der Allgäuer Holger Badstuber ein und lieferte damit Philipp Lahm die Vorlage. „In unserer Phase muss man zufrieden sein, wenn man solche Spiele gewinnt.“ Dass den Bayern ausgerechnet jetzt zum ersten Mal in dieser Saison drei Bundesliga-Siege hintereinander gelingen, zeigt, wie sehr der Zufall ihr Wirken bestimmt.
Zentrales Charakteristikum der aktuellen „Bayern-Phase“ (Lahm): Hängen die Flügel, hängt auch das Spiel. Weil auch Schweinsteiger seit Wochen mehr verwaltet als gestaltet, wird die Geduld der Bayern-Gemeinde arg strapaziert. Im vorliegenden Fall sorgte der harte Kern der Roten selbst für Ablenkung. Eine genauso variantenreiche wie derbe Choreografie richtete sich gegen den in schweren finanziellen Turbulenzen steckenden Erzrivalen und Stadionmieter 1860 München („Mietnomaden“). Einem Teil der Bayern-Fans wäre es eindeutig lieber, die Blauen marschierten in die Insolvenz, als dass ihnen der FC Bayern auch nur mit einem Euro aus der Patsche hilft. Wer trotzdem, wie Uli Hoeneß, an einem Rettungsplan für die Löwen arbeitet, musste über geschätzt 20 Quadratmeter hinweg Beschimpfungen über sich ergehen lassen („Hoeneß du Lügner. Zum x-ten Mal werden wir verarscht“).
Die Spieler kamen gnädiger davon. Ein kurzer Endspurt mit einem Pfostenschuss des eingewechselten Klose und ein elfmeterreifes Foulspiel gegen Robben, das Schiedsrichter Christian Dingert als holländische Schwalbe wertete, versöhnte das Publikum, das zur Halbzeit noch gepfiffen hatte. Mehr ist zurzeit nicht drin.
Bayern München Kraft – Lahm, Luiz Gustavo, Badstuber, Pranjic – Kroos (72. Ottl), Schweinsteiger – Robben, Müller (72. Klose), Ribéry – Gomez
M’gladbach Bailly – Jantschke, Stranzl, Dante, Daems – Nordtveit, Neustädter (86. Brouwers) – Herrmann (63. Matmour), Reus, Arango – Hanke (72. Idrissou) Zuschauer 69000 Tor 1:0 Robben (77.)
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