9:0-Sieg gegen Liechtenstein: Löws kühler Abschied und Flicks Startrekord
Hansi Flicks Erkenntnisse nach dem 9:0 gegen Liechtenstein sind überschaubar. Vorgänger Joachim Löw sah allerdings, wie lustvoll eine Mannschaft angreifen kann, wenn man sie lässt.
Nach dem Spiel gegen Liechtenstein stand wieder der altbekannte Thomas Müller am Mikrofon. Der gut gelaunte, der stets für einen Spruch zu haben ist. Nicht der ernste, der am Mittwoch wegen des Corona-Falls von Niklas Süle und dessen Folgen das Scherzen verweigert hatte. Beim Abschied von Joachim Löw hatte Mats Hummels einen gewagten Mantel getragen und Lukas Podolski sich darüber lustig gemacht. Müller lachte und sagte Richtung Hummels: "Da muss er cooler werden."
Nicht nur der Klamauk rund ums Kleidungsstück trug zu Müllers guter Laune bei, auch sonst verlief der Abend in Wolfsburg absolut nach Wunsch des Nationalspielers und seiner Kollegen. Im Hinspiel hatte sich die DFB-Elf zu einem 2:0 gequält, im Rückspiel arbeiteten sie an einem zweistelligen Ergebnis. Die Gäste aus dem Fürstentum verdienten Mitleid, derart unaufhörlich und erbarmungslos berannten die deutschen Spieler während des 9:0 (4:0) ihr Tor.
Ridle Baku schießt das schönste Tor des Abends
"Wir wollten das nächste und das nächste", formulierte Müller. Ersichtlich daran, dass sich der 32-Jährige über vergebene Chancen maßlos ärgerte, mit dem typischen Griff beider Hände an den Kopf, und nach Toren ausgiebigst freute. Bundestrainer Hansi Flick lobte dieses Nachsetzen, die Mannschaft hätte versucht, den Fans etwas zu bieten und attraktiv Fußball zu spielen. Es blieb nicht beim Versuch. Wie Ridle Baku den Ball vom Strafraumeck ins Tor schlenzte, das gefiel. Klar, dass Müller das zum Anlass nahm, den Wolfsburger beim Torjubel gen Himmel zu heben.
Das Publikum ließ sich vom Geschehen auf dem Rasen inspirieren, ließ Laola-Wellen über die Ränge schwappen, sang "Einer geht noch rein" oder "So ein Tag, so wunderschön wie heute." Klassisches Fanliedgut, das jede Corona-Pause zu überdauern scheint. Flick mahnte zwar, seine Mannschaft hätte das eine oder andere Tor mehr machen müssen, die Tonalität verriet indes, dass es ihn bei diesem Ergebnis nicht wirklich störte.
Mit sechs Erfolgen in den ersten sechs Partien als Bundestrainer stellte der 56-Jährige einen Startrekord auf. Und es würde doch sehr überraschen, würde er diesen nicht im letzten Länderspiel des Jahres gegen Armenien ausbauen (Sonntag, 18 Uhr, RTL). Wobei Müller die makellose Bilanz in einer WM-Qualifikationsgruppe mit Nordmazedonien, Rumänien, Armenien, Island und Liechtenstein einzuordnen wusste. "Man muss relativieren, dass wir keine extrem schweren Gegner in der Gruppe haben." Ein Jahr vor der WM in Katar ist schwerlich einzuschätzen, über welches Leistungsvermögen die runderneuerte Nationalmannschaft tatsächlich verfügt. Erst Begegnungen mit Frankreich, Spanien, Italien oder Argentinien werden Auskunft darüber geben, ob die deutsche Formation titelfähig ist. Oder ob sie, wie in der jüngeren Vergangenheit des Öfteren, die Party vor deren Höhepunkten verlässt.
Dabei sein ist aus deutscher Sicht nie alles, Vorgänger Joachim Löw bekam das zu spüren. Als Erfolge bei Großereignissen ausblieben, wuchs die Distanz zwischen DFB-Führungsriege und dem 61-Jährigen. Da passte ins Bild, dass der offizielle Abschied an diesem nasskalten Novembertag eher kühl ausfiel. Einige Weltmeister von 2014 - darunter Sami Khedira, Per Mertesacker, Benedikt Höwedes oder Lukas Podolski - hatten Spalier gestanden. Doch die Zeremonie war vorbei, da hatte sie kaum begonnen. Keine emotionalen Bilder auf der Videowand, keine warmen Worte. Nach 17 Jahren sind leitende Angestellte schon herzlicher verabschiedet worden. Ob Löw das so wollte, ob der DFB das so wollte? Den restlichen Abend verbrachte der ehemalige Bundestrainer jedenfalls auf der Tribüne, neben dem ehemaligen Verbandspräsidenten Wolfgang Niersbach.
Hansi Flick war der Stress der vergangenen Woche anzumerken
Löw erklärte, er verspüre wieder Lust und Motivation, als Trainer zu arbeiten, aktuell muss sich aber nur sein Nachfolger mit der Corona-Pandemie und deren Folgen auseinandersetzen. Im Nachgang der Partie war Flick anzumerken, wie wenig Lust er nach der Hektik zu Wochenbeginn, nach den Abreisen von Süle, Kimmich, Musiala, Gnabry und Adeyemi, verspürte, Auskünfte dazu zu erteilen. Ob er sich Sorgen mache, dass die hohe Inzidenz und das Infektionsgeschehen den Fußball in den kommenden Wochen stärker denn je beeinträchtigen würden, wurde Flick gefragt. Er könne das nicht beantworten, meinte er nur. Spätestens im März, wenn die nächsten Länderspiele anstehen, wird er mehr wissen.
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