Stefan Effenberg: "Bayern ohne Hoeneß – das wird es nicht geben"
Exklusiv Stefan Effenberg glaubt, dass der scheidende Bayern-Präsident aus dem Hintergrund weiterhin die Fäden ziehen wird. Die Nationalelf sieht er als nicht reif für den EM-Titel an.
Herr Effenberg, seit Oktober sind sie Manager Sport beim Drittligisten KFC Uerdingen. Der Klub ist mit großen Ambitionen gestartet, kommt aber nicht aus dem Tabellenkeller heraus. Waren die Ziele zu optimistisch?
Stefan Effenberg: Wir legen nach wie vor keine Ziele fest, haben viel zu tun, 14 Verträge laufen aus. Wir müssen sportlich konstanter werden, das hat Priorität.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Investor Mikhail Ponomarev? Der gilt als eher schwieriger Charakter.
Effenberg: Das ist aber falsch. Ich kenne ihn seit gut einem Jahr und habe ein gutes Verhältnis zu ihm. Das Bild von ihm wurde falsch dargestellt, weil der Verein in kurzer Zeit einige Trainer entlassen hat (Anm. der Redaktion: Innerhalb von drei Jahren hatte der Verein sechs Trainer).
Am Wochenende stehen Länderspiele an. Die deutsche Mannschaft wird sich ziemlich sicher für die EM qualifizieren. Wirklich besser ist der Fußball aber seit dem WM-Desaster nicht geworden. Ist Joachim Löw noch der richtige Trainer?
Effenberg: Das glaube ich schon. Er hat Deutschland zum Weltmeister gemacht. Jetzt ist es so, dass die Mannschaft in einer schwierigen Phase ist. Da sollte auch der Bundestrainer seine Zeit bekommen. Es stimmt: Die Spiele reißen einen nicht vom Hocker. Aber wichtig wird es sein, dass man mit einer guten und hungrigen Mannschaft in das Turnier startet.
Sind die Spieler gut genug für den EM-Titel?
Effenberg: Erst mal ist es wichtig, gute Spiele hinzulegen und die Fans zu begeistern. Ob da am Ende der Titel wirklich möglich ist – das glaube ich nicht. Das ist nicht zuletzt wegen der Verletzungen von Süle und Sané etwas unrealistisch.
Wenn wir auf die Bundesliga schauen, ist die spannend wie nie. Die Bayern-Dominanz scheint weg zu sein.
Effenberg: In der Liga sind aktuell viele Vereine im Umbruch. bei Bayern sind mit Franck Ribéry und Arjen Robben wichtige Stützen weggebrochen – die zu ersetzen, geht eben nicht so schnell. Aber wenn der FC Bayern ins Laufen kommt, wird sich das Bild für den Klub auch verbessern. Ich glaube aber, dass auch Dortmund sich noch steigern wird.
Derzeit steht Ihr alter Klub Mönchengladbach ganz vorne. Hätten Sie das erwartet?
Effenberg: Der Verein hat in den letzten Jahren sehr gut auf dem Transfermarkt gearbeitet. Dass Gladbach jetzt oben steht – ich hoffe nicht, dass es eine Momentaufnahme ist. Es gibt viel Qualität im Kader.
Glauben Sie, dass Gladbach sogar bis zum Schluss in der Tabelle oben dabei sei könnte?
Effenberg: Ich drücke ihnen jedenfalls die Daumen.
Bei den Bayern dürfte es mit Müller oder Martínez mehrere Spieler geben, die froh sein dürften dass der bisherige Coach Niko Kovac nicht mehr Trainer ist. Allgemein soll der Draht zur Mannschaft nicht mehr gut gewesen sein. Ist Kovac auch an der Hausmacht der Spieler gescheitert?
Effenberg: Er ist ja nicht gescheitert. Er hat in der vergangenen Saison das Double geholt. Dass Kovac nicht mehr da ist, ist in erster Linie eine Entscheidung des Vereins, nicht die der Spieler.
Uli Hoeneß zieht sich beim FC Bayern zurück. Ist für Sie der Klub ohne Hoeneß überhaupt denkbar?
Effenberg: Der FC Bayern ohne Uli Hoeneß – das wird es nicht geben. Er wird immer ein extrem wichtiger Faktor für diesen Verein sein. Ich hatte als Spieler einen super Draht zu ihm und habe erlebt, was für eine Rolle er in dem Klub spielt.
Zumal Hoeneß im Aufsichtsrat bleibt. Welche Rolle wird er künftig im Hintergrund spielen?
Effenberg: Der Verein wäre nicht gut beraten, wenn er die Kompetenz von Hoeneß nicht in Anspruch nimmt. Wer so lange so erfolgreich war, den wird man auch in Zukunft immer fragen, wenn es nötig ist.
Beim FC Augsburg wurde vor der Saison so viel Geld wie selten in die Mannschaft gesteckt, unter anderem kam Tomas Koubek für rund sieben Millionen Euro. Trotzdem steckt die Mannschaft im Abstiegskampf. Überrascht Sie das?
Effenberg: Die Augsburger müssen jetzt zusammenhalten, dann kommen sie auch da raus. Und zu den Investitionen: Von außen heißt es immer, dass einer funktionieren muss, nur weil er die Summe X gekostet hat. Aber das sind Menschen, man muss Geduld haben. Aber die fehlt im Fußball oft.
Manche Spieler wie Martin Hinteregger und nun gerade Michael Gregoritsch provozieren ihren Abgang aus Augsburg...
Effenberg: Es ist nicht meine Aufgabe, das zu bewerten. Ich kann nur sagen, dass Gregoritsch viele sehr gute Spiele für Augsburg gemacht hat. Es ist ein Spieler, der den Klub weiterhelfen kann.
Wie sehen Sie die Arbeit von FCA-Trainer Martin Schmidt?
Effenberg: Ich hab ihn kennen gelernt, er hat eine wirklich positive Ausstrahlung. Er muss es schaffen dieses Positive auf die Mannschaft zu übertragen.
Zur Person:
Stefan Effenberg, 51, stand als Spieler bei Borussia Mönchengladbach, dem FC Bayern, dem AC Florenz und beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Mit den Bayern gewann er die Champions League und mehrfach die Deutsche Meisterschaft. In der Saison 2015/16 war Effenberg Trainer des damaligen Zweitligisten SC Paderborn. Seit Oktober ist er Sportmanager beim KFC Uerdingen. Seit August 2018 ist er Experte des TV-Talks „Check 24Doppelpass“ auf Sport1. Am Sonntag ab 11.00 Uhr wird Effenberg dort über das aktuelle Fußballgeschehen diskutieren.
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