Simon Schütz: Der Feuerball
Verteidiger Simon Schütz flitzt über das Eis, springt in Zweikämpfe – und hat am Donnerstag in München seine Tor-Premiere in der DEL gefeiert! Am Samstag gastiert der Meister aus Mannheim in der Saturn-Arena
Draußen, auf dem Eis, sagt Ingolstadts Trainer Doug Shedden, „da ist er ein Feuerball. So wie er checkt, kann er jemandem wehtun. Er ist der Stärkste bei uns. Ich mag ihn.“ Drinnen, im Kabinengang der Saturn-Arena, ist der Feuerball aber handzahm. Die Regensburger Herkunft schlägt leicht durch, wenn Simon Schütz – 22 Jahre jung, 1,79 Meter „groß“ – höflich die Fragen beantwortet. Wieso ihn sein Coach so nennen könnte? „Ich bin halt schnell, glaube ich. Und springe in jeden Zweikampf. Vielleicht deswegen?“.
Genau deswegen. Schütz ist einer, dem kanadische Eishockey-Experten attestieren würden, dass er größer spielt, als es das Maßband vermuten lässt. „He’s playing bigger than his size!“: Ein robuster, furchtloser, manchmal etwas zu riskanter Verteidiger, ausgestattet mit dem schnellsten Antritt des gesamten Ingolstädter Teams. Und wer Schütz noch nicht ganz auf seinem Radar hatte – was legitim ist, mehr dazu später – der tat das spätestens seit vergangenem Donnerstagabend.
Es ist ein Spielzug, wie ihn Shedden wohl schon oft auf die Taktiktafel gekritzelt hat: Ingolstadt kontert in München. Im Rückraum lauert Simon Schütz quasi als vierter Stürmer. Er kriegt die Scheibe, geht leicht in die Knie, zieht aus dem Handgelenk ab. Vorbei an Verteidiger-Kollege Colton Jobke, der ebenfalls mit nach vorne gelaufen ist und jetzt dem Heim-Torhüter die Sicht verdeckt – und trifft! Zum ersten Mal in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) in seiner nunmehr 64 Partie. „Ich habe es erst nicht realisiert. Aber dann war er drin. Und der ganze Druck war da irgendwie weg“, beschreibt Schütz die Szene.
Doch die Freude versickerte bald darauf: Im zweiten Drittel checkt Münchens Andrew Bodnarchuk Schütz in die Bande. Während der ERCI-Verteidiger sich auf dem Eis krümmt, rächt sich Partner Jobke und vermöbelt Bodnarchuk. „Ich habe gehört, wie unsere Fans laut wurden, mich umgedreht und ihn da liegen sehen. Der Schiedsrichter hatte seinen Arm nicht oben, also wollte ich ausgleichende Gerechtigkeit“, sagt Jobke. Schütz sollte nicht mehr auf’s Eis zurückkehren. Der Verdacht einer ausgekugelten Schulter bestätigte sich nicht. Das Ergebnis der gestrigen MRT-Untersuchung steht aber noch aus.
Schlimmste Verletzung im Jahr 2017
Schütz’ Körper hat schon so manche Qual durchmachen müssen. Immer wieder plagten den jungen Profi in den jüngsten Jahren Verletzungen, die schlimmste und folgenreichste davon im Oktober 2017: Bei einem Zweitliga-Spiel für Kaufbeuren reißt sich Schütz das Innen- und Kreuzband. Schütz, damals 19, war da schon zwei Jahre bei den Panthern unter Vertrag. Er hatte bereits DEL-Luft geschnuppert, in Ingolstadt bis 2022 verlängert, hauptsächlich aber beim Kooperationspartner im Allgäu gespielt und die U20-Nationalmannschaft als Kapitän angeführt. Er galt als bester Verteidiger seines Jahrgangs. Auch Ex-Bundestrainer Marco Sturm, der mittlerweile als Assistenz-Coach in der NHL bei den Los Angeles Kings tätig ist, schwärmte regelrecht von „Schützi“. Doch während andere Talente wie Jakob Mayenschein oder Tobias Eder den nächsten Schritt in Richtung Profikarriere gehen konnten, war Schütz’ Saison gelaufen, seine Entwicklung (zunächst) gestoppt.
Acht Monate fällt er aus, mental gar anderthalb Jahre, wie er später zugeben wird. In der Folge-Saison, bereits Vertragsjahr Nummer vier beim ERCI, pendelt Schütz wieder zwischen Kaufbeuren und Ingolstadt. Die Verantwortlichen werden ungeduldig. Sie wollten Schütz schneller in den DEL-Kader einbauen. Auch Schütz ist unglücklich: „Ich habe nicht wirklich irgendwo dazu gehört“, sagt er heute. Dann folgt der Sommer 2019. Abwehr-Routinier Benedikt Kohl verlässt die Panther. Schütz soll mit dem jungen Garret Pruden um seinen Platz kämpfen. Kurzum: Eine Bewährungsprobe!
"Kontrahent" Pruden nach Freiburg verliehen
Schütz hat sich durchgesetzt, Pruden wurde jüngst nach Freiburg verliehen. „Dass ich jetzt fest hier bin, tut meinem Kopf gut und beweist mir, dass ich nie aufgegeben habe und dafür belohnt wurde“, sagt er. „Eine große Zukunft in dieser Liga“, prophezeit ihm Jobke. „Wenn ich neben ihm auf dem Eis stehe, weiß ich, dass er auf den Körper geht.“ Schütz durfte sich zuletzt immer häufiger in die Zweikämpfe schmeißen. Nach der Verpflichtung von Brett Findlay musste als überzähliger Import oft Abwehr-Kollege Ville Koistinen zusehen. Für Schütz bedeutete das: Verteidigerposition sechs, mehr Verantwortung! „Das hat ‘Schützi’ echt geholfen. Er ist die letzten Wochen wirklich gereift. Wir sehen jetzt eine Entwicklung, mit der wir eigentlich vor drei, vier Jahren gerechnet haben“, sagt Trainer Shedden.
Eine Entwicklung auch, die Schütz weiter nehmen will, selbst wenn ein Einsatz am Samstag gegen die Adler Mannheim (17 Uhr, Saturn-Arena) wegen der lädierten linken Schulter nicht infrage kommt. „Aber ganz so schlimm fühlt es sich nicht an. Ich denke, in ein paar Tagen ist es wieder ok“, sagt Schütz verschmitzt. Der Feuerball hat gerade erst angefangen zu lodern.
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