„Wir sind das tuntigste Team der Liga“
Bei Saisoneröffnungsfeiern ist oft Zeit für Schoten. In diesem Jahr geht es um einen Diamanten schürfenden Trainer, die Stadt ohne Namen und händchenhaltende Eishockey-Profis
Ganz verkneifen kann sich Matt Bailey das Grinsen nicht, als er sich am Samstag zum ersten Mal den Fans des ERC Ingolstadt vorstellt. Ob es an der launigen Übersetzung seines Co-Trainers Tim Reagan liegt? Oder doch an Sportdirektor Larry Mitchell, der den kanadischen Stürmer Minuten zuvor noch eingeweiht hatte in die Klassiker der „Neuzugangs-Interview-Fragen“, die jetzt auf Bailey einprasseln?
Wie dem auch sei, trotz miesen Wetters und Spontan-Verlegung vom Arena-Vorplatz auf die Eisfläche mangelte es bei der Saisoneröffnungsfeier der Panther vor gut 1000 Fans nicht an guter Laune. Stürmer Kris Foucault hofft in Oberbayern auf bessere Luft als bei seinem alten Arbeitgeber in Wolfsburg. Hans Detsch bestände jeden Ingolstädter Integrationstest und nennt seinen Ex-Klub Augsburg nur „die andere Stadt“. Und Jerry D’Amigo präsentiert mit seinem guten Freund Timo Pielmeier – händchenhaltend und hinterntätschelnd – die hawaiianisch bemusterten Sondertrikots zum Vinschgau-Cup, lacht und feixt im Anschluss: „Wir sind das tuntigste Team der Liga.“
Am Rande der Eröffnungsfeier trifft man auf einen ziemlich relaxten Doug Shedden. „Mein Sommer war fantastisch“, sagt der Coach, der nach Hurrikan Irma im Jahr 2017 noch immer mit Reparaturarbeiten an seinem Haus in Florida beschäftigt ist. Seine neue Truppe gefällt ihm. „Wir haben keine erste, zweite, dritte und vierte, sondern vier ziemlich gute Reihen“, sagt der Kanadier. Natürlich, man habe viele gute Spieler verloren: Thomas Greilinger, Tyler Kelleher und Pat Cannone etwa. „Aber Matt Bailey sieht nach einem guten Deal aus. Wayne Simpson macht einen fantastischen Eindruck. Kris Foucault ist sehr schlau. Und Mirko Höfflin scheint auch ein sehr guter Spieler zu sein.“
Und dann wäre da ja noch die Sache mit Neuzugang Colin Smith und Ex-Neuzugang Daniel Sparre. Letzterer hatte sich trotz Vertragsunterschrift geweigert, nach Ingolstadt zu kommen. Mitchell wusste nur von „privaten Problemen“ und davon, dass sich Sparre „nicht in der Lage fühlt, Eishockey zu spielen“. Jetzt postet Sparre, der zuvor schon nebenbei als Makler gearbeitet hatte, Immobilien am Lake Ontario auf Instagram. „Wie löst man das, wenn man jemanden mit deutschem Pass so spät im Sommer verliert?“, stellt Shedden in den Raum und antwortet gleich selbst: „Gott sei dank war Smith erhältlich. Er hatte kein gutes Jahr in Berlin, aber seine restlichen Statistiken sind sehr gut. Er ist motiviert und viel jünger als Sparre. Vielleicht sind wir hier in die Scheiße gefallen, aber können Diamanten rausholen.“
Von den Anlagen Smiths und der anderen sechs Neuzugänge konnten sich die Panther-Fans bereits zuvor bei einem Show-Training überzeugen. Dabei stachen vor allem Foucault und Simpson hervor. Neben klassischen Aufbau-, Zweikampf-, und Konterübungen hatte sich Shedden für die Fans noch etwas Besonderes überlegt. Eine „aufgepimpte“ Version des Trainingsspiels quasi: Jedes Team sollte zwischen einem und fünf Feldspieler auf’s Eis schicken, ohne die Anzahl der gegnerischen Mannschaft zu wissen. Da fand sich Ville Koistinen schnell in einer ziemlich aussichtslosen Situation gegen Sean Sullivan, Simon Schütz, Garret Pruden und Bailey wieder – sehr zur Belustigung der Anhänger.
„Ich hatte noch nie ein Training vor so vielen Leuten. Die Fans haben eine gute Show abgezogen. Das war echt cool“, zeigte sich Simpson begeistert. Überhaupt ist für den Neuzugang von den Rochester Americans aus der AHL gerade vieles neu. Die größere Eisfläche, der Verkehr, die Stadt, Europa. Ingolstadt ist Simpsons erste Station außerhalb Nordamerikas. Dies bedeutet für den Atlanta Falcons-Fan auch: Fußball statt Football! Am Freitag war er mit der gesamten Mannschaft beim DFB-Pokalfight zwischen dem FCI und dem Club – für den amerikanischen Stürmer das bisherige Highlight. „Ich war hier aber auch schon sehr gut essen und habe mir die Altstadt angesehen“, sagt Simpson. „Die Jungs haben mich herumgeführt und mir geholfen mit meinem Handy, meinem Wlan, solche Dinge. So kommt man gleich in Kontakt miteinander. Ich glaube, einer der Schlüssel zum Erfolg ist, eine gute Truppe in der Kabine beisammen zu haben. Und das haben wir definitiv.“
Neues vom Fanprojekt : Der Sonderzug des ERC Ingolstadt fährt in dieser Saison am 22. Dezember nach Schwenningen (Sonntag, 14 Uhr). Das gab die Fanbeauftragte Petra Vogl im Rahmen der Saisoneröffnungsfeier bekannt. Außerdem wird Max Redl dritter Fanbeauftragter. „Ich will die Fangemeinschaft wieder zusammenbringen“, sagte der 30-Jährige, der nach den Stadionverboten gegen einen Großteil der Ultra-Gruppierung „Gioventù“ vielen Fans in der vergangenen Saison als Ersatz-Vorschreier bekannt wurde.
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