Industrie warnt vor hohen Strompreisen
Unternehmen sowie die Industrie- und Handelskammern fordern von der neuen Regierung Entlastung. Sonst drohen weniger Investitionen und Nachteile auch für Arbeitsplätze.
Albert W. Schultz, 41, ist Geschäftsführer eines Unternehmens mit 2600 Beschäftigten, rund davon 2000 arbeiten in Schwaben. Die familiengeführte Firmengruppe „Magnet-Schultz Memmingen“ stellt Antriebselemente und Sensoren für die Investitionsgüter- und Automobilindustrie her. Das Unternehmen ist international breit aufgestellt. Es hat Betriebe in Deutschland, der Schweiz, den USA, Großbritannien, Italien und China. In der Heimat macht Unternehmenschef Albert W. Schultz dabei seit einiger Zeit eines Sorgen: der Strompreis. Vor allem die hohen staatlichen Steuern und Abgaben sind es, die Schultz kritisiert.
In seinem Bereich ist das Unternehmen ein führender Anbieter. Doch sei der Betrieb nicht groß genug, um einen Nachlass bei der EEG-Umlage zu bekommen, erklärt Schultz. Von solch einem Rabatt profitieren zum Beispiel Stahlwerke. Der Memminger Betrieb dagegen muss die staatlichen Umlagen und Steuern in voller Höhe zahlen: Im Jahr 2015 waren es rund 2,5 Millionen Euro, die sein Unternehmen für die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom und alle weiteren Steuern und Abgaben auf den Strompreis bezahlen musste, berichtet Albert W. Schultz.
Unternehmer fürchtet Wegfall von Arbeitsplätzen
Er kritisiert, dass damit Investitionen verhindert werden: Im Jahr 2015 schlug allein die EEG-Umlage in seinem Betrieb mit 1,8 Millionen Euro zu Buche. Dafür könnte er zwei hochwertige Werkzeugmaschinen kaufen, die circa zehn neue qualifizierte Arbeitsplätze schaffen. „Die EEG-Umlage bringt uns nicht um“, sagt Schultz. Er betont aber auch, dass sie zu einer Belastung in wirtschaftlich härteren Zeiten wird: Statt zwei Millionen Euro an EEG-Subvention pro Jahr zu zahlen, könnte er mit dem Geld circa 40 qualifizierte Arbeitsplätze erhalten, die man andernfalls abbauen müsste, rechnet er vor.
Für Schultz gehört die Förderungspraxis deshalb reformiert: „In Relation gesetzt werden vier bis fünf Jahreshaushalte des Bundes an Subventionen bezahlt“, sagt er. Im Gegenzug werde der Wettbewerb im Energiesektor weitgehend ausgesetzt. Und statt der heute hohen Versorgungsqualität begebe sich Deutschland an trüben, windstillen Tagen in eine hohe Abhängigkeit von Kohle- und Kernkraftwerken im Ausland. Mit seiner Kritik steht Schultz nicht alleine da.
Jedes zwanzigste Industrieunternehmen habe bereits die Produktion in Deutschland aufgrund der Energiewende eingeschränkt. Das berichtete der Deutsche Industrie- und Handelskammertag kürzlich in seinem „Energiewende-Barometer 2017“. Dazu wurden 2250 Unternehmen befragt. Der durchschnittliche Strompreis für die Industrie sei seit 2010 um über 40 Prozent gestiegen. „Im Ergebnis haben sich die Strompreise zu einem echten Standortnachteil in Deutschland entwickelt“, schreiben die Autoren. Dies gilt Industrievertretern zufolge auch für unsere Region.
„Die EEG-Umlage ist seit ihrer Einführung weit über alle Vorhersagen hinaus gestiegen“, kritisiert Hartmut Wurster, Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Schwaben. Durch die Ökostrom-Umlage und viele weitere Abgaben seien die Strompreise für viele Unternehmen in Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch.
Solar- und Windenergie auch ohne staatliche Förderung
Energiefachmann Wurster fordert jetzt einen Kurswechsel. Neue Windräder oder Solaranlagen sollten bald „ohne Förderung am Markt bestehen können“, sagt er und gibt damit die Forderung auch der anderen deutschen Industrie- und Handelskammern wieder. Die Kammern schlagen zudem vor, die Kosten der EEG-Förderung nicht allein Industrie und Privatverbrauchern aufzubrummen. Ein Teil der Mittel sollte aus dem Bundeshaushalt stammen. Der Kammer-Vorschlag ist, die Einnahmen aus der Stromsteuer für die Förderung der erneuerbaren Energien zu verwenden, erklärt Matthias Köppel, Leiter des Geschäftsfelds Innovation und Umwelt der IHK Schwaben. Das sieht auch Vizepräsident Wurster so: „Mittel in Höhe des Stromsteuer-Aufkommens ins EEG-Konto fließen zu lassen, würde die Umlage um zwei Cent pro Kilowattstunde absenken und alle Verbraucher sofort spürbar entlasten“, sagt er.
Wie hoch die EEG-Umlage von derzeit 6,88 Cent nächstes Jahr wird, müssen die Übertragungsnetzbetreiber übrigens in den nächsten Tagen bekannt geben. Der Thinktank „Agora Energiewende“ prognostizierte kürzlich zwar einen leichten Rückgang um bis zu 0,3 Cent. Die Umlage könnte dann im Bereich von 6,6 Cent bis 6,9 Cent liegen. Bereits für das Jahr 2019 geht die Organisation aber davon aus, dass die Umlage stark steigt – auf über 7,5 Cent pro Kilowattstunde.
Gleichzeitig kündigte der Übertragungsnetzbetreiber Tennet steigende Netzentgelte an – im Schnitt um neun Prozent. Billiger dürfte Strom also kaum werden.
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