Airbus fährt Produktion massiv hoch und braucht Augsburgs Flugzeugteile
Der europäische Konzern hat mit einem starken Jahr 2021 die Krise der Branche deutlich schneller als erwartet hinter sich gelassen. Am Ende stand ein Rekordgewinn.
Ende April 2020 hatte sich die Welt durch die Corona-Pandemie verdüstert. Die Aussichten für Airlines und Flugzeugbauer wirkten katastrophal. In der schweren Zeit wandte sich Airbus-Chef Guillaume Faury in einem Brandbrief an die Beschäftigten des deutsch-französisch-spanischen Konzerns. Der Franzose ließ keinen Zweifel daran, wie ernst die Lage ist: „In nur wenigen Wochen haben wir rund ein Drittel unseres Geschäfts verloren. Ehrlich gesagt, ist dies nicht einmal das schlimmste Szenario, mit dem wir konfrontiert sein könnten.“ Dann folgten seine in der Welt des Unternehmens lange nachhallenden Sätze: „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich. Der Abfluss an Liquidität erfolgt in einem so hohen Tempo, dass dies die Existenz unseres Unternehmens gefährden könnte.“
Doch rund 22 Monate später steht fest: Airbus hat die große Krise der Luftfahrtindustrie erstaunlich schnell überwunden. Weil das Unternehmen erheblich mehr Flugzeuge als erwartet ausliefert und die Kosten auch durch einen Arbeitsplatzabbau spürbar gesenkt hat, steht unter dem Strich ein Rekord-Gewinn von 4,21 Milliarden Euro, während 2020 noch ein dicker Verlust von 1,13 Milliarden Euro zu Buche stand. Nachdem die Aktionärinnen und Aktionäre für das Horror-Jahr 2020 auf eine Dividende verzichten mussten, sollen sie jetzt mit 1,50 Euro Bonus pro Wertpapier an der finanziellen Blitz-Genesung des Flugzeugbauers teilhaben.
Das Airbus-Auftragsbuch ist prall gefüllt
Das Airbus-Auftragsbuch ist prall gefüllt und hat einen Wert von gut 398 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von sieben Prozent entspricht. Die Bestellungen summieren sich auf die gigantische Zahl von 7082 zivilen Flugzeugen. Dass sich die wirtschaftliche Verfassung des Konzerns erheblich verbessert hat, führt Airbus-Chef Faury neben dem Erfolg der Flugzeugsparte auch auf die Ergebnisbeiträge des Verteidigungs- und Hubschraubergeschäfts zurück. Auf der Jahrespresse-Konferenz des Unternehmens am Donnerstag zeigt der Manager sich zuversichtlich. Er rechnet damit, dass Airbus in diesem Jahr 720 zivile Flugzeuge ausliefern kann, während es 2021 noch 611 waren. Doch im Vor-Corona-Jahr 2019 hatte Airbus 863 Maschinen an Fluggesellschaften übergeben, was einem Rekord gleichkommt. Das Unternehmen will nun vor allem immer mehr der stark nachgefragten Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeuge aus der A320-Familie bauen. Die Produktionsrate soll von rund 45 auf 65 Stück pro Monat und bis zu 75 im Jahr 2025 nach oben gefahren werden.
Hinzu kommt der ehrgeizige Plan, 2035 das erste mit Wasserstoff betriebene Serienflugzeug in die Luft zu bringen, um Menschen klimafreundlich zu transportieren. Das stellt eine enorme technologische Herausforderung dar, muss doch Wasserstoff sicher in Flugzeugen gespeichert werden. Für flüssigen Wasserstoff ist ein vier Mal so hohes Tankvolumen als bei Kerosin erforderlich. Während heute das Flugbenzin überwiegend in den Flügeln verwahrt wird, wandert es bei den Öko-Flugzeugen in den Rumpf, der damit breiter und länger wird.
Deshalb baut Airbus die neuen Wasserstoff-Flugzeuge rund um den Rumpf und hat dieses ohnehin schon zentrale Teil eines Fliegers zur „Kernaktivität“ erklärt, die entgegen ursprünglicher Pläne nicht verkauft werden soll. Ab 1. Juli wird auch in Deutschland eine eigene Gesellschaft an den Start gehen, unter deren Dach die Strukturbauteile entstehen. Das zum Airbus-Zulieferer Premium-Aerotec gehörende Werk in Augsburg mit rund 2800 Beschäftigten sollte zunächst nur zu einem kleinen Teil in das neue Konzern-Unternehmen ASA wandern. Den meisten Beschäftigten – etwa 2200 – hätten nach einer Aufspaltung des Standortes gedroht, dass sie nach dem Verkauf an einen Investor mit einem neuen Arbeitgeber vorliebnehmen müssen.
IG-Metall muss Verkauf des Augsburger Werkes zustimmen
Der Betriebsrat befürchtete die Zerschlagung des Augsburger Betriebs und letztlich vor allem, der Käufer könne Arbeitsplätze massenhaft in Billiglohnländer verlagern. Am Ende konnte aber ein angedrohter Arbeitskampf mit einem von Betriebsrat und Gewerkschaft IG Metall erkämpften Kompromiss verhindert werden: Demnach ist die Zerschlagung des Standortes Augsburg vom Tisch und betriebsbedingte Kündigungen sind bis Ende 2030 ausgeschlossen.
Ein Investor müsste das gesamte Augsburger Werk kaufen, in dem neben wichtigen Baugruppen für die A320-Flieger etwa auch Rumpfschalen für die A350-Langstrecken-Maschinen, das Rumpfmittelteil des Kampfflugzeuges Eurofighter oder Arbeiten für das militärische Transportflugzeug A400M auf der Produktionsliste stehen. Das ist also ein dickes Paket. Branchenkenner sprechen von einem großen Brocken. Und am Ende muss noch die IG Metall einem Verkauf zustimmen, was als hohe Hürde gilt. Wenn bis spätestens 2025 keine Einigung erzielt wird, sind Betriebsrat und Gewerkschaft nach dem Etappensieg am Ziel: Das Augsburger Premium-Aerotec-Luftfahrtwerk würde in das Airbus-Strukturbau-Unternehmen ASA wandern, welches auch am Wasserstoffrumpf der Zukunft beteiligt ist.
Derzeit gibt es nach Informationen unserer Redaktion mit dem nordrhein-westfälischen Mittelständler Mubea nur einen Interessenten für den Augsburger Standort und das Schwesterwerk im friesischen Varel mit rund 1300 Beschäftigten. Der Automobil-Zulieferer verfügt aber bislang nur über eine kleine Luftfahrt-Sparte. So wird in der Branche bereits diskutiert, ob die Übernahme des kompletten Augsburger Werkes eine Nummer zu groß für die Mubea-Leute sein könnte. Wenn die Firma am Ende abwinkt und sich kein weiterer Käufer, den die IG Metall akzeptiert, findet, könnte aus dem Augsburger Premium-Aerotec-Werk ein Airbus-Standort werden. Das wäre dann der endgültige Triumph für den Betriebsrat.
IG-Metall-Mitglieder stimmen über Airbus-Kompromiss ab
Doch zunächst stimmen die IG-Metall-Mitglieder in den betroffenen Airbus- und Premium-Aerotec-Werken bis 24. Februar über den Kompromiss zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite ab. Es wird eine hohe Zustimmung erwartet. Derweil wird immer deutlicher, dass Airbus-Chef Faury bei seinen ehrgeizigen Plänen, also den geplanten Produktionshochlauf, auch auf die Beschäftigten des Augsburger Standortes angewiesen ist. Denn im Werksteil IV, den der Franzose zunächst abspalten und dann alleine verkaufen wollte, arbeiten etwa 2200 Frauen und Männer, die unter anderem das wichtige Rumpfende für die A320-Familie bauen. Hier setzen die Beschäftigten darauf, dass Airbus nicht nur von einem Verkauf Abstand nimmt, sondern auch den Betrieb mit weiteren hochwertigen Arbeitspaketen für die kommenden Jahre gut auslastet. Im Gegenzug wäre der Betriebsrat bereit, einfachere Arbeiten in kostengünstigere Länder zu vergeben.
In der Augsburger Fabrik zeichnet sich nach einem deutlichen Arbeitsplatzabbau in der Vergangenheit eine Beschäftigungswende ab. So teilte das Unternehmen auf Anfrage mit: „Premium Aerotec befindet sich wieder im Produktionshochlauf. Ein Teil des Personalbedarfs wird über die Einstellung von Leiharbeitskräften abgedeckt.“
Hunderte zusätzliche Arbeitsplätze bei Airbus in Manching
In anderen Airbus-Fabriken wird die Personalzahl in viel größerem Maße nach oben geschraubt. Am Standort Manching bei Ingolstadt wurden im vergangenen Jahr 380 Kräfte auf jetzt rund 5600 eingestellt. Wie unserer Redaktion von dem Unternehmen bestätigt wurde, sollen in diesem Jahr noch einmal knapp 400 zusätzliche Beschäftigte hinzukommen. Am Hubschrauber-Standort in Donauwörth konnte die Zahl der fest angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit 6500 zuletzt stabil gehalten werden, während nach einst rund 1900 nur noch etwa 500 Leiharbeiter tätig sind. Doch Wolfgang Schoder, Deutschland-Chef von Airbus-Helicopters, verspricht: „Wir wollen im Ingenieur-Bereich und in der technischen Entwicklung rund 200 zusätzliche Kräfte in Deutschland einstellen.“ Das Wachstum geht auch auf zusätzliche Programme wie den CityAirbus zurück, hinter dem Faury voll steht. Der vollelektrische Viersitzer kann vertikal starten sowie landen und heißt im Volksmund „Flug-Taxi“. In Donauwörth stellen Beschäftigte auch Türen und Tore für Airbus-Flugzeuge her. Auch sie sind gefragt, wenn künftig wieder immer mehr Flieger gebaut werden sollen.
Faury wirkt erleichtert über das rasche Comeback des Unternehmens. Ein ums andere Mal nennt er die wiedergewonnene Airbus-Stärke „bemerkenswert“.
Die Diskussion ist geschlossen.