Sechs Nötigungsanzeigen gegen Inkassofirma
Aichach/Dachau/München Sechs Anzeigen wegen Nötigung sind inzwischen bei der Polizei nach der umstrittenen Abschleppaktion einer Münchner Inkassofirma vor der Norma-Filiale Aichach eingegangen (wir berichteten). Die Wagen waren dort länger als die erlaubte Dreiviertelstunde geparkt gewesen. Den Besitzern wurde erst mitgeteilt, wo sie ihre Autos zurückbekommen, nachdem sie über 250 Euro bar oder per EC-Cash bezahlt hatten.
"Die Anzeigen haben wir der Staatsanwaltschaft Augsburg vorgelegt", so Aichachs Polizeichef Rudolf Rothhammer. Diese müsse nun entscheiden, ob ein Straftatbestand vorliegt. In der Zwischenzeit arbeitet die Firma, die auch in Augsburg Auftraggeber hat, weiter.
In der vergangenen Woche entfernte sie mehrere Autos von einem Privatgrundstück am Münchner Ostbahnhof. Auf dem öffentlichen Grundstück daneben hatte die Premiere der Show "Afrika! Afrika!" stattgefunden. Mehrere Autofahrer hatten ihre Wagen auf das Privatgrundstück gestellt, obwohl dort ein Schild darauf hinweist, dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge abgeschleppt werden. So auch der Chefarzt des Dachauer Krankenhauses, Dr. Michael Weber. Er war wegen eines Staus erst in letzter Minute zur Premiere gekommen. Auf dem regulären Parkplatz war nichts mehr frei gewesen. "Da habe ich mein Auto am Hintereingang des benachbarten Privatgrundstücks geparkt. Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes haben mir schon gesagt, dass eventuell abgeschleppt wird", gibt er offen zu.
Ihn bringt daher nicht zur Weißglut, dass er tatsächlich abgeschleppt wurde. Sondern die Art, wie die Parkräume KG die Abschleppgebühren eintrieb. Diese Firma hatte auch in Aichach kräftig abkassiert. 250 Euro sollten die Falschparker bezahlen. Die Premierenbesucher in München mussten sogar fast 350 Euro berappen.
Die Inkassofirma Parkräume KG arbeitet im Auftrag von Grundstückseigentümern und holt sich die Abschleppgebühr direkt von den Falschparkern zurück - zuzüglich einer Bearbeitungsgebühr. Bis bezahlt wird, macht sie bei den Autos der Betroffenen vom sogenannten Zurückbehaltungsrecht Gebrauch. Ob das rechtens ist, ist strittig.
Der Gesellschafter der Parkräume KG, Joachim Gehrke, beruft sich auf drei Landgerichtsurteile der vergangenen Jahre, die das Zurückbehaltungsrecht in diesen Fällen bestätigten. Welche Urteile das aber sind und von welchen Gerichten sie gesprochen wurden, will er nicht sagen. "Ich gebe meine Trümpfe nicht preis", so Gehrke.
Eine andere Ansicht vertritt ADAC-Verkehrsjurist Dr. Markus Schäpe. Er bestreitet, dass Inkassofirmen ein Zurückbehaltungsrecht für sich in Anspruch nehmen können. Genau mit dieser Begründung aber hatte sich die Münchner Polizei laut Michael Weber geweigert, die Anzeigen der Autobesitzer überhaupt aufzunehmen.
"Die Polizei hätte einschreiten müssen", glaubt der Verkehrsjurist. "Ein Zurückbehaltungsrecht besteht nur bei einem Vertragsverhältnis. Etwa, wenn ein Mieter auszieht und die letzte Miete nicht bezahlt." Er rät, in solchen Fällen die Polizei zu verständigen und keinesfalls die Abschleppgebühren zu bezahlen. Außerdem sollten Betroffene Strafanzeige wegen Nötigung erstatten.
Auf den ADAC-Juristen ist der Gesellschafter der Parkräume KG nicht gut zu sprechen. "Der ADAC stellt sich gerne gegen die Grundstückseigentümer. Deren kostenpflichtig gemietete Stellflächen aber wurden von Leuten benutzt, die nichts dafür zahlten. Diese Leute begehen vorsätzliche Besitzstörung." Die Entscheidung der Münchner Gewerbeüberwachung, die den Fall nach einer Beschwerde im Lauf der nächsten Wochen prüft, erwartet Gehrke gelassen: "Ich gefährde keine Arbeitsplätze, indem ich etwas tue, was ich nicht darf."
Keine Rechnung ausgestellt?
Die Münchner Gewerbeaufsicht will den Fall prüfen. Es sei nicht auszuschließen, dass sich auch das Finanzamt dafür interessieren könnte. Dann nämlich, wenn sich Aussagen von Betroffenen der Abschleppaktion in Aichach bewahrheiten, wonach nicht alle von ihnen eine Rechnung für die Abschleppgebühren erhalten haben. Auch das bestreitet Gehrke entschieden: "Bei uns wird kein Geld entgegengenommen, ohne dass quittiert wird." Chefarzt Weber geht den juristischen Weg. Er will in den nächsten Tagen Anzeige gegen die Parkräume KG wegen Nötigung erstatten.
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