El Masri fühlt sich als Opfer der Geheimdienste
Memmingen/Neu-Ulm Mehr als eineinhalb Jahre nach seiner Freilassung aus der Gefangenschaft in einem Geheimgefängnis in Afghanistan fühlt sich der Deutsch-Libanese Khaled El Masri noch immer von deutschen und amerikanischen Geheimdiensten verfolgt und beobachtet. Seit gestern muss sich der 44-Jährige vor dem Landgericht Memmingen wegen gefährlicher Körperverletzung und Brandstiftung verantworten.
Wort- und gestenreich schilderte El Masri fast eine Stunde lang, unter welch menschenunwürdigen Zuständen er Anfang 2004 sechs Monate gefangen gehalten worden ist. Beim Thema Folter versagte ihm die Stimme: Er berichtete von vermummten Männern, von amerikanischen und deutschen Geheimdienstleuten und von Folterungen, die er und seine Mitgefangenen erdulden mussten. Und Khaled El Masri ist sich sicher, dass er auch nach seiner Freilassung noch von mindestens sechs verschiedenen Geheimdiensten in Ulm, Senden und Neu-Ulm observiert wurde. Das sei auch Ursache für seine "Ausraster". Anfang des Jahres verprügelte der damals noch 110 Kilogramm schwere Arbeitslose einen Ausbilder der Dekra in Ulm - der Mann hatte ihm eine schriftliche Abmahnung erteilt. Der Ausbilder trug damals schwere Kopfverletzungen davon.
Wegen eines Streits um einen kaputtgegangenen MP3-Spieler spuckte Khaled El Masri einer Mitarbeiterin des Metro-Marktes in Neu-Ulm mitten ins Gesicht. Weil er anschließend Hausverbot in dem Markt bekommen hatte, besorgte sich der 44-jährige drei Kanister mit Benzin. In der Nacht zum Feiertag Christi Himmelfahrt rammte er mit seinem schweren amerikanischen Van die Eingangstür zu dem Markt und legte an mindestens vier Stellen Feuer. Der Brand wurde rasch entdeckt und gelöscht, sodass nur rund 100 000 Euro Schaden entstanden war. Anschließend ließ sich der sechsfache Familienvater, der in zweiter Ehe verheiratet bis zu seiner Festnahme in Senden gewohnt hatte, widerstandslos festnehmen.
Zu Prozessbeginn legte er gestern ein Geständnis ab, fühlt sich aber nach eigenen Angaben als Opfer in einem "psychologischen Nervenkrieg", der nach wie vor von den Geheimdiensten geführt werde. "Das hört sich absolut verrückt an, aber es ist so", sagte der Angeklagte, der nach seiner Festnahme zunächst in psychiatrischer Behandlung in Kaufbeuren war. Später wurde er in Untersuchungshaft genommen, weil sich in den Untersuchungen kaum Anhaltspunkte für eine verminderte Schuldfähigkeit ergeben hatten.
Die Geheimdienste seien es gewesen, die ihn so lange provoziert hätten, bis er schließlich ausgerastet sei. Hinter alledem stecke eine Verschwörungsaktion der Geheimdienste, sagte El Masri, der im kurzärmeligen Urlaubshemd vor den Richtern saß. "Ich musste irgend etwas tun, um den Plan der Geheimdienste zu stören und darauf aufmerksam zu machen, dass da was im Gange ist", umschrieb er sein Motiv für die Taten. Hilfe von der Bundesregierung habe er in den vier Jahren seit seiner Freilassung nie bekommen. Sein Schicksal und die Folgen der Folter müssten Auswirkungen auf das Strafmaß haben, fordert sein Anwalt Manfred Gnijdic. Es hängt davon ab, was der psychiatrische Gutachter sagt. Der Prozess wird heute fortgesetzt.
Der Prozess gegen Khaled El Masri
Ein Video und eine Bildergalerie unter
augsburger-allgemeine.de
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