Genmais - erst hui, dann pfui
Noch vor wenigen Jahren galt die "grüne Gentechnik" der Staatsregierung als "Schlüsseltechnologie". Sogar im neuen Grundsatzprogramm der CSU, das erst vergangenes Jahr verabschiedet wurde, wird "Freilandanbau gentechnisch veränderter Pflanzen" noch nicht kategorisch ausgeschlossen. Von Uli Bachmeier
Fast 9,3 Millionen Bayern haben am 28. September die Möglichkeit, einen neuen Landtag zu wählen. In unserer Serie "Bayern vor der Wahl" berichten wir jenseits von Posten und Personen über die wichtigsten politischen Sachthemen. Welche Partei steht wofür - und warum? Heute geht es um Gentechnik in der Landwirtschaft.
München Manchmal geht es dann doch blitzschnell in die andere Richtung. Noch vor wenigen Jahren galt die "grüne Gentechnik" der Staatsregierung als "Schlüsseltechnologie". Sogar im neuen Grundsatzprogramm der CSU, das erst vergangenes Jahr verabschiedet wurde, wird "Freilandanbau gentechnisch veränderter Pflanzen" noch nicht kategorisch ausgeschlossen.
Mittlerweile aber hat sich der Wind um 180 Grad gedreht. Die CSU ist auf die gentechnik-kritische Linie der Mehrheit der Verbraucher und Bauern eingeschwenkt - zumindest was den Anbau auf freiem Feld angeht.
Einer der Wortführer ist der bayerische Europaminister Markus Söder. Zum Kurswechsel seiner Partei sagt er, die CSU habe die "große Skepsis in der Bevölkerung, bei Landwirten und christlich geprägten Menschen" aufgenommen. Deshalb fordert er in Opposition zu den Regeln der Europäischen Union: "Sicherheit muss vor Kommerz gehen. Wir wollen selber entscheiden, was wir anbauen."
Praktisch geschehen ist allerdings noch nichts. Anträge von SPD und Grünen, in Bayern "gentechnikfreien Regionen" zu erklären, scheiterten im Landtag bisher stets am Veto der CSU. Begründung: Der Freistaat könne sich nicht gegen europäisches Recht stellen, wonach jeder Landwirt selbst entscheiden darf, ob er konventionellen oder gentechnisch veränderten Mais anbaut.
Die Grünen in Bayern, die Gentechnik von jeher auf breiter Front ablehnen, sehen deshalb im Schwenk der CSU lediglich ein "Wahlkampfmanöver". Ihr Spitzenkandidat, der Landwirt Sepp Daxenberger sagt: "Die CSU weiß genau: Wenn sie die Bauern verliert, dann verliert sie die Wahl."
Dennoch fehle ihr der Mut, Ernst zu machen und Bayern nach dem Vorbild Oberösterreichs zur "gentechnikfreien Zone" zu erklären. Dass das Nachbarland deshalb vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde, stört Daxenberger wenig. Die Oberösterreicher hätten noch längst nicht aufgegeben, sagt er und fügt hinzu: "In diesem Fall ist die CSU zu hörig. Da muss man es eben auch mal auf einen Konflikt ankommen lassen."
Söder will es auf dem Verhandlungsweg probieren, eine "Öffnungsklausel" durchzusetzen. Er sucht Verbündete und zeigt sich überzeugt, schon einen besonders Mächtigen gefunden zu haben: Nicolas Sarkozy, den französischen Staatspräsidenten. Der habe, so Söder, das Problem zur Chefsache gemacht. Schon im Oktober werde das Thema im Umweltrat der EU und danach bei der Konferenz der Staats- und Regierungschefs zur Sprache kommen. Söder: "In Europa bewegt sich was. Wir waren noch nie so nahe dran."
In Brüssel dagegen herrscht Skepsis, dass die EU-Kommission nachgeben könnte. "Ein gentechnikfreies Bayern wird es nie geben", sagte Klaus-Dieter Borchardt, der mit an der Spitze des Kabinetts von EU-Agrakommissarin Fischer Boel sitzt. "Das verstößt gegen Gemeinschaftsrecht und hätte sofort ein Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland zur Folge."
Und die Opposition in München erkennt zudem ein Glaubwürdigkeitsproblem bei der Regierungspartei: Während nämlich die CSU gegen den Anbau von Genmais auf freiem Feld mobil macht, wächst er immer noch auf sieben staatlichen Versuchsgütern - zu Forschungszwecken. Zwar ist die Anbaufläche mit insgesamt nur 1,92 Hektar verschwinden klein. (Zum Vergleich: Mais wächst in Bayern auf 470.000 Hektar). Aber immerhin: Der Staat selbst sei in der "grünen Gentechnik" noch immer vorne mit dabei.
Landwirtschaftsminister Josef Miller beteuert, er nehme "die Sorgen und Ängste" der Menschen sehr ernst. Aus Gründen der Sicherheit komme ein völliger Verzicht aber nicht in Frage: "Nichtwissen führt zu Fehleinschätzungen. Nur durch einen neutralen staatlichen Versuchsanbau ist gewährleistet, dass wir uns nicht auf die Ergebnisse Dritter verlassen müssen, die möglicherweise nur kommerzielle Interessen verfolgen."
Die Beschlüsse für diese Langzeitversuche allerdings stammen aus einer Zeit, als die grüne Gentechnik für die CSU noch eine "Schlüsseltechnologie" war.
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