Uli Hoeneß - bald abseits der Freiheit
Uli Hoeneß muss bald im Landsberger Gefängnis eine Zelle beziehen. Was erwartet ihn dort? Ein prominenter Ex-Häftling sagt: die Hölle. Ein anderer: bevorzugte Behandlung.
Für Uli Hoeneß sind es bittere Wochen. Erst wird er zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Steuerhinterziehung verurteilt, dann verpasst sein FC Bayern den Finaleinzug in der Champions League, und nun hat er bei seinem Klub – zumindest vorerst – kein Amt mehr. Der spektakuläre Auftritt vom Freitagabend kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der 62-Jährige auf seinen schwersten Gang vorbereitet. Wohl Ende des Monats wird er seine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Landsberg antreten. Was erwartet ihn dort? Kuschelvollzug mit Prominenten-Bonus? Oder eine Knasthölle?
Von außen wirkt das Gefängnis wie ein Schloss
Von außen betrachtet, mit seinem 100 Jahre alten Eingangsgebäude, wirkt das Gefängnis fast wie ein Schloss. Hinter den Mauern sieht es anders aus. Wer hier einziehen muss, gibt nicht nur seine Freiheit ab, sondern auch jede Privatsphäre und Eigenständigkeit. Der bekannte Münchner Klatschreporter Michael Graeter, Vorbild für die Filmfigur Baby Schimmerlos in „Kir Royal“, saß 2008 acht Monate in Landsberg, weil er während der Bewährungszeit mit 200 Stundenkilometern geblitzt wurde. Für ihn war es die „Hölle“, er nennt das Gefängnis „Bayerns Alcatraz“. „Du stürzt so tief, wie es tiefer nicht geht“, sagt Graeter, „man ist der letzte Dreck.“
Die Beamten in Landsberg seien zwar freundlich gewesen, aber man ist nur eine Nummer, in Graeters Fall die 10108. „Du verlierst jede Würde“, sagt Graeter, 72. Er selbst habe sich, entgegen seinem Naturell, sehr passiv verhalten. „Wenn du aufmuckst, gibt es Ärger – entweder mit den Bediensteten oder mit den anderen Häftlingen.“
Michael Graeter: „Du stürzt so tief, wie es tiefer nicht geht. Man ist der letzte Dreck.“
Michael Graeter begann, seine Memoiren zu schreiben, um sich abzulenken, und wurde schließlich in den offenen Vollzug in die Gefängnis-Außenstelle Rothenfeld verlegt. Das Gebäude liegt schön am Ammersee in der Nähe von Andechs, war einst ein Sommersitz des Adels. Die JVA betreibt eine Landwirtschaft mit Rindern, Ziegen, Hühnern, Enten und Damwild. Der Hof ist ein Park, es gibt eine Wiese zum Sonnen. „Viel zu schön für ein Gefängnis, außerdem war es der reinste Drogenmarkt“, beschreibt Graeter den lockeren Vollzug. Rothenfeld könnte auch für Uli Hoeneß nach einigen Monaten eine Option sein.
Doch erst werde er leiden, glaubt auch ein anderer Ex-Gefangener. „Gerade am Anfang ist es hart, Uli Hoeneß wird sich umschauen“, sagt der ehemalige Häftling Stefan D. (Name geändert), der ein Jahr hinter Gittern saß. Wer neu nach Landsberg kommt, muss erst mal warten. Es dauert einige Zeit, bis man arbeiten und an den Freizeitangeboten teilnehmen kann. „Man sitzt viel herum und kommt ganz schön ins Grübeln.“ Anfangs saß Stefan D. in einer Vierer-Zelle – wie die meisten Häftlinge, die neu in die JVA kommen. Und er musste sich daran gewöhnen, dass er keine eigene Kleidung tragen durfte. Für alle Häftlinge gibt es blaue Hosen und Jacken.
JVA Landsberg: Für alle blaue Hosen und Jacken
Nach einiger Zeit konnte er in eine Doppelzelle umziehen. Dort hat man zwar mehr Ruhe, dafür ist die Toilette nur durch einen Vorhang vom Raum abgetrennt. Mit etwas Glück bekommt man irgendwann eine Einzelzelle. 318 davon gibt es in Landsberg. Ob es für Uli Hoeneß einen Promi-Bonus bei der Vergabe geben könnte? Stefan D. kann sich das nicht vorstellen. „Ich habe es nicht erlebt, dass jemand gleich in eine Einzelzelle kam.“
Doch vielleicht hat es Stefan D. ja auch nicht mitbekommen. Der frühere Steuer- und Anlageberater Josef Müller, 58, dessen Buch „Ziemlich bester Schurke“ ein Bestseller geworden ist, saß wegen Betrugs ebenfalls in Landsberg ein. Der Ex-Millionär, der zur Münchner Schickeria gehörte, kennt die Vorteile der Prominenz. Es gebe sehr wohl Privilegien – auch wenn JVA-Chefin Monika Groß keine Gelegenheit auslässt zu betonen, dass „alle gleich behandelt werden“.
Flatscreen-Fernseher und Kaffeemaschine in der Zelle
Wenn man als Insasse unter Beobachtung der Presse steht und einen guten Anwalt hat, werde es einem im Gefängnis besser gehen, sagt Müller. „Ich hatte zeitweise eine 24 Quadratmeter große Einzelzelle mit Flatscreen-Fernseher, CD-Spieler, eigener Toilette und eigener Duschgelegenheit. Ich hatte auch dieselbe Kaffeemaschine, die die JVA-Mitarbeiter hatten“, berichtet er.
Denn für das Gefängnis seien solche prominenten Häftlinge unangenehm. Alles steht auf einmal unter Beobachtung. Wird ein Promi besser behandelt, gibt das ein schlechtes Bild ab, wird er schlechter behandelt, auch. Und doch gebe es diese Privilegien – zumindest unter der Hand. „Das spielt sich alles auf persönlicher Ebene ab“, berichtet Müller. Stimmt es also doch, dass es Prominente im Knast leichter haben?
Mit Günter Netzers Besuch könnten sich die Haftbedingungen verbessern
Von einer solchen Begebenheit berichtet auch Michael Graeter. Nach seiner Verhaftung saß er erst in einem Schweizer Gefängnis. War er anfangs ein Nobody, änderte sich das rasch nach einem Besuch des Ex-Fußballstars Günter Netzer. Der musste erst mal Autogramme geben. Danach wurde Graeter, so erzählt er, von einem leitenden Justizbeamten zuvorkommend behandelt. Er erhielt dann auch mal eine Einzelduschkabine oder eine frische Zeitung. „Es war interessant zu sehen, wie man sich im Knast hocharbeiten kann.“ Netzer will auch Hoeneß besuchen, hat er angekündigt.
Trotz einer solchen bevorzugten Behandlung empfiehlt es sich für Prominente, sich ruhig zu verhalten. Stefan D.s Erfahrung ist: „Auch bekanntere Leute fallen im Gefängnis nicht sehr auf. Die ordnen sich ein wie jeder andere.“ D. sang im Landsberger Gefängnis zusammen mit dem Erpresser der BMW-Miteignerin Susanne Klatten im Kirchenchor. Und er half im Gottesdienst als Ministrant. An den Wochenenden ist der Besuch in der Gefängniskirche für viele Häftlinge eine willkommene Abwechslung. Auch Graeter war oft dort. Er verstand sich gut mit dem Pfarrer.
Josef Müller: „Im Nachhinein waren es die heilsamsten Jahre meines Lebens.“
Der querschnittsgelähmte Josef Müller hat einen lockeren Strafvollzug erlebt. „Das liegt am System.“ In Landsberg sind keine notorischen Kriminellen eingesperrt, sondern Menschen, die zum ersten Mal einsitzen, darunter Wirtschaftskriminelle, aber auch Kapitalverbrecher wie der Doppelmörder von Krailling. In Straubing, wo nur Schwerverbrecher sitzen, war Müller auch kurze Zeit: „Straubing ist Guantanamo“, sagt er. Müller findet den „humanen Vollzug“ in Landsberg gut. „Man muss einen Menschen, der einmal in seinem Leben Mist gebaut hat, nicht gleich zerstören.“
Und doch zerbrechen manche im Knast. Müller hat einen Lufthansa-Piloten erlebt, der sich für unschuldig hielt und in Haft ziemlich Rabatz gemacht hat. „Am Schluss saß er weinend auf seinem Bett.“ Das Schlimmste ist der Verlust der Eigenständigkeit und die öffentliche Vernichtung, sagt Josef Müller. Wer es immer gewohnt war, Verantwortung zu tragen und Entscheidungen zu treffen, für den sei die Fremdbestimmtheit im Gefängnis eine Qual. Daher hat Josef Müller für Leute wie Uli Hoeneß einen dringenden Rat: „Sich schnell umstellen, die Strafe akzeptieren und sich mit seiner eigenen Tat auseinandersetzen – sonst gehst du kaputt.“
Müller hat seine Lektion gelernt. „Im Nachhinein waren es die heilsamsten Jahre meines Lebens“, sagt er heute. Er hat hinter Gittern zu Gott gefunden. So ist es zu erklären, wenn er jetzt sagt: „Ich bete für Uli Hoeneß, dass man ihn als Mensch sieht und er nicht noch mehr Häme und Spott ertragen muss.“
Knast-Essen in Landsberg gilt als eines der besten in Bayern
Zumindest eines muss Uli Hoeneß nicht befürchten: dass er hungrig bleiben könnte. Das Knast-Essen, das dort gekocht wird, gilt als eines der besten in Bayern. „Es gibt meistens Suppe, Salat und eine Hauptspeise“, sagt Stefan D. „Und es schmeckt auch ganz gut.“ Eher karg fällt dagegen das Frühstück aus: Brot, Marmelade, Malzkaffee.
Stefan D. hat im Landsberger Gefängnis unter anderem in einer Halle gearbeitet, in der für Drogerieketten Lippenstifte und andere Kosmetikprodukte verpackt wurden. 1,20 Euro bekam er dafür pro Stunde. Mit einem ähnlich niedrigen Verdienst wird sich auch der Millionär Hoeneß zufriedengeben müssen. „Die meisten arbeiten gerne, weil die Zeit schneller vergeht“, sagt D.
In der „Freizeit“ gibt es ein Programm, das deutlich besser ist als in anderen Haftanstalten. Dazu gehören ein Lauftreff, Kunstprojekte und eine Fußballgruppe. Es geht auch etwas lockerer zu als in anderen Gefängnissen. Tagsüber sind die Zellentüren offen und man kann sich in seinem Trakt frei bewegen.
Uli Hoeneß darf etwa zwei Besuche im Monat empfangen
Besuch von Angehörigen und Freunden dagegen ist nicht oft gestattet. Üblich seien zwei Besuche pro Monat. Für jeweils zwei Stunden darf man dann mit einem Besucher an einem Tisch sitzen und plaudern. Drei Tafeln Schokolade darf der Besucher für den Häftling kaufen. „Der Besuchsraum gleicht einem Café mit Tischen und Stühlen“, erzählt Stefan D. Ein Justizbeamter passt auf – und nach der Besuchszeit werden meistens drei Häftlinge ausgewählt, die sich nackt ausziehen müssen und durchsucht werden. Das soll verhindern, dass bei den Besuchen heimlich etwas übergeben und geschmuggelt wird.
Trotz der strengen Regeln gelangen aber immer wieder Dinge in den Knast. Handys zum Beispiel werden heimlich über den Zaun geworfen. Denn offiziell sind Mobiltelefone nicht erlaubt, auch Computer sind in der Zelle tabu. Bedrohungen oder Misshandlungen durch andere Gefangene hat Stefan D. nicht erlebt.
Wer einen Brief schreiben will, kann sich eine Schreibmaschine ausleihen. Erlaubt ist auch ein Fernseher in der Zelle, maximal 21 Zoll groß, mit Kabelanschluss. Doch der TV-Genuss war zu Stefan D.s Zeit immer wieder getrübt. In dem alten Gebäude war abends zum Teil stundenlang der Strom weg.
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