Die Todes-Mails steckten in einem Müllsack
Donauwörth (AZ). Die Nachricht vom Erfolg der Ermittler im "Tötungsdelikt Murat Yildiz" hatte ausgerechnet die "Nachtrag-Nummer 13". Genau sechs Wochen nach dem Fund der Leiche des 15-Jährigen aus Asbach-Bäumenheim hat die Polizei zwei Tatverdächtige verhaftet. Es handelt sich um den 41-jährigen Mathias B., der einige Monate lang in Erlingshofen und seit kurzem in Burgheim wohnte, sowie einen 33-jährigen Schweizer. Beide Männer stehen in dem Verdacht, den Jugendlichen zu ihrer sexuellen Befriedigung bestialisch getötet zu haben.
Die Erleichterung unter den Beamten der Soko "Murat" war bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Staatsanwaltschaft Augsburg in der Polizeidirektion Dillingen deutlich spürbar. "Ich war immer optimistisch, dass der Fall geklärt wird", sagte Soko-Leiter Manfred Gigl.
Was die Ermittler jedoch herausfanden, verschlug selbst erfahrenen Beamten schier die Sprache. Wie Leitender Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz und Gigl schilderten, hatte sich Murat offenbar per Internet auf ein Treffen mit Unbekannten ("Blind Date") eingelassen. Eingefädelt hatte dies wohl Mathias B., den der Jugendliche am Montag, 12. Juli, in einem Pizza-Service unweit des Donauwörther Bahnhofs traf. Anschließend seien die beiden auf den zweiten Mann aus der Schweiz gestoßen. Wo und wann, das steht Nemetz zufolge noch nicht fest. Auch was in den folgenden Tagen geschah, darüber schweigen die Verdächtigen bislang.
Die Fahnder gehen davon aus, dass die beiden Männer mit Murat homosexuelle Praktiken vornahmen - ob freiwillig oder nicht, das wisse man nicht. Was der Schüler nach Überzeugung der Soko nicht wusste: Mathias B. und sein Bekannter hatten den Plan gefasst, den Jugendlichen zu töten, um sich sexuell zu befriedigen. Sie fesselten ihn und brachten ihn mit zahlreichen Messerstichen um. Zum Tatort und zur genauen Zeit haben die Beamten noch keine Erkenntnisse. Die Leiche schafften die Täter bekanntlich in ein Waldstück im Bereich Riedlingen/Wörnitzstein. Am Freitag, 16. Juli, entdeckte eine Reiter-Gruppe gegen 18 Uhr das Opfer.
Bereits einen Tag später wurde die Soko "Murat" geformt. Bei dieser sammelten sich im Laufe der Wochen über 300 Hinweise an, aus denen sich etwa 450 Spuren entwickelten, listete der Leiter der Polizeidirektion Dillingen, Karl-Heinz Alber, auf. 220 Vernehmungen hätten stattgefunden. Der Fall sei "einzigartig in Nordschwaben". Eine "heiße Spur" oder den entscheidenden Tipp für einen schnellen Fahndungserfolg bekamen die Beamten nicht. Dafür leisteten sie Alber zufolge akribische Kleinarbeit und "fügten Mosaikstein für Mosaikstein zusammen".
Die Spur mit der Nummer 44 führte die Soko auf die Fährte von Mathias. B.. Ein Bürger aus Donauwörth teilte mit, dass es in der Gegend einen "Sadisten" gebe, der sich im Internet darstelle. Die Ermittler bohrten nach und hatten Glück. Mit Spur 349 kam quasi der Durchbruch: Bei einer Wohnungsdurchsuchung in Erlingshofen - dort wohnte der 41-Jährige bis zum 17. Juli - stießen die Ordnungshüter auf einen Plastiksack voller Papiermüll. Darin fanden die Beamten ausgedruckte Mails, auf denen der aus Ostdeutschland stammende Mathias B. und sein Bekannter aus der Schweiz Schreckliches austauschten.
Schreckliche Fantasien
Die Männer hätten "Folterungs- und Tötungsfantasien geäußert, die sie auch mit dem Opfer praktiziert haben", so Nemetz, "die E-Mails machen eindeutige Aussagen zum Tatgeschehen". Der Name des Schülers aus Bäumenheim sei nicht genannt worden, jedoch sei er in den Todes-Mails beschrieben gewesen. Aus dem Schriftverkehr gehe hervor, dass die Verdächtigen "in hohem Maße sadistisch veranlagt" seien, berichtet der Chef der Staatsanwaltschaft.
Der Verdacht gegen Mathias B. verdichtete sich noch weiter. Nicht nur, dass er laut Nemetz eine große Ähnlichkeit mit der Person hatte, die bekanntlich per Phantombild gesucht wurde - am Donnerstag fand die Polizei in der neuen Wohnung des Arbeitslosen in Burgheim auch noch Murats Handy. Mit diesem hatte das Opfer am Montag, 12. Juli, abends gegen 19.30 Uhr mit seiner Mutter telefoniert. Es war das letzte Lebenszeichen des 15-Jährigen.
Am Morgen gegen 6.15 Uhr griffen Spezialkräfte der Polizei in Burgheim und in der Schweiz gleichzeitig zu und ließen die Handschellen klicken, nachdem der zuständige Richter in Augsburg am Donnerstagabend Haftbefehle wegen des Verdachts des Mordes erlassen hatte. In Burgheim wurde zudem der Lebensgefährte von Mathias B. vorläufig festgenommen. Augenscheinlich hat er aber mit der Tat nichts zu tun und wurde bereits im Laufe des Vormittags wieder auf freien Fuß gesetzt. Mathias B. habe keinerlei Widerstand geleistet, sagte Nemetz. Die Vernehmungen dauerten gestern den ganzen Tag an.
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