Der Terror kommt näher - ein Stimmungsbild im Landkreis Donau-Ries
Nicht nur bei Behörden, der Polizei und Helfern im Landkreis ist man sensibilisiert. Für ein Geschwisterpaar aus Bäumenheim waren die Anschläge besonders nah.
Ansbach – keine 80 Kilometer ist die mittelfränkische Stadt entfernt, die seit Sonntagabend im Zentrum der medialen Berichterstattung steht. Der Bombenanschlag bei einem Festival mit 2500 Besuchern bewegt die Menschen, auch im Landkreis Donau-Ries. „Angesichts der Ereignisse erscheinen unsere Probleme, die wir sonst so diskutieren, nicht mehr gravierend“, sagt Landrat Stefan Rößle gestern vor der Sitzung des Kreisausschusses. Und tatsächlich scheinen die gewaltsamen Anschläge der vergangenen Tage alle anderen Themen in den Hintergrund zu schieben.
Für zwei junge Menschen aus dem Landkreis gilt das besonders. Die Geschwister Stephan und Carola Raul stammen aus Bäumenheim, doch Stephan Raul lebt mittlerweile in München, Carola Raul studiert in Ansbach. Für sie sind die gewaltsamen Anschläge ganz nah, teilweise haben sie die Auswirkungen direkt gespürt.
Stephan Raul saß gerade in der Nähe des Bahnhofs in einer Prüfung, als per Durchsage über die Lage in München informiert wurde. Kurze Zeit später wurde das gesamte Hochschulgebäude evakuiert, weil eine Bombendrohung ausgesprochen wurde. „Wir mussten das Haus verlassen und sollten uns in Sicherheit begeben“, sagt Raul. Damals wusste er natürlich noch nicht, dass nahe des Olympia-Einkaufszentrums tödliche Schüsse gefallen waren. Als er es später erfuhr, sorgte er sich vor allem um seine Freunde und Bekannte.
Heute, mit ein wenig zeitlichem Abstand sagt er: „Ich werde nachdenklicher. Die Gefahr ist allgegenwärtig und ich überlege schon, ob ich in ein paar Wochen überhaupt aufs Oktoberfest gehen soll.“ Andererseits will er nicht, dass die Täter ihre Ziele erreichen, die Menschen permanent in Angst zu versetzen. „Aber es erscheint plötzlich alles so unkalkulierbar.“
Auch seiner Schwester kam der Terror nahe. Die 21-Jährige studiert in Ansbach Betriebswirtschaftslehre. Sie wohnt mitten in der Innenstadt, unweit des Ortes, wo gegen 22 Uhr die Bombe hochgeht. Sie lernt gerade auf eine Prüfung, als bei ihrem Freund der Piepser anschlägt, denn er ist bei der Feuerwehr aktiv. „Erst hieß es, es sei eine Gasexplosion gewesen, aber ich habe gleich an einen Anschlag gedacht“, sagt Carola Raul. Sie kontaktiert ihre Studienfreunde, die auf dem Festival sind, ob bei ihnen alles in Ordnung ist. Heute Morgen dann die Prüfung – trotz all der Aufregung. Auf dem Heimweg sieht sie Polizeiwagen, Einsatzkräfte, Absperrbänder. „Ich fühle mich betroffen, es kommt näher“, sagt sie. In den Semesterferien ist sie zu Hause in Bäumenheim. „Ich hoffe, dass sich auch die Stimmung in Ansbach wieder beruhigt.“
Auch bei der Polizei sind die Ereignisse der vergangenen Tage nicht ohne Einfluss geblieben. „Wir sind deutlich sensibler geworden“, sagt Thomas Scheuerer, Dienststellenleiter in Donauwörth. Zwar glaubt er nicht, dass der ländliche Bereich wie der Landkreis Donau-Ries von der Struktur her der Schauplatz für ein solches Szenario wäre. „Aber es gibt auch bei uns keine hundertprozentige Sicherheit.“ Dennoch warnt er davor, jetzt den Fehler zu machen, jede Veranstaltung als potenzielles Anschlagsziel zu sehen. Vor dem Schwäbischwerder Kindertag hätten doch einige besorgte Bürger angerufen und nach erhöhten Sicherheitsmaßnahmen gefragt. „Wir tun, was möglich ist, aber wenn sich ein Einzeltäter unter die Besucher mischt, können wir das nicht verhindern“, gibt er offen zu.
Nachdem die Taten in Ansbach und Würzburg jeweils von Flüchtlingen – teilweise bereits mit Abschiebebescheid – ausgeführt wurden, rückt diese Personengruppe auch regional in den Fokus. Johann Stark, Leiter der Abteilung „Abschiebungen“ im Landratsamt Donau-Ries, hat bisher noch keine weiteren Empfehlungen vom Innenministerium erhalten, besonders zu agieren. „Das war ja alles bisher kein Thema“, sagt er. Theoretisch wäre seine Behörde selbst ein Anschlagsziel. Darauf ist man aber auch nur theoretisch vorbereitet: Mit einer Tastenkombination am PC kann der Mitarbeiter einen stillen Alarm auslösen. Einen Überblick über Flüchtlinge, die ausgewiesen werden und vielleich bereits auffällig waren, hat er nicht. „Auch das ist ja ein frisches Thema“ , sagt Stark, der bewusst auch nicht in Panik verfallen will.
In sozialen Netzwerken hingegen wird diese gerne geschürt – und es wird die Asylpolitik der Kanzlerin für die Ereignisse verantwortlich gemacht. Für die Flüchtlingshelfer im Landkreis durchaus Grund zur Sorge: „Ich habe Angst, dass die Stimmung kippt“, sagt Sylvia Huber von der Aktion Anker in Donauwörth. Sie meint die Stimmung gegen die Flüchtlinge, die jetzt nicht unter Generalverdacht gestellt werden sollten. Und sie meint auch auch die Stimmung gegen die Helfer. „Ich will mich nicht rechtfertigen, warum ich den Flüchtlingen helfe“, sagt sie. Und ihren Mitstreitern gehe das ebenso. „Jeder sollte sich fragen, wo wir stünden, wenn nicht so viele Menschen ehrenamtlich dafür sorgen, dass die Flüchtlinge sich in Deutschland gut aufgehoben fühlen.“ In ihren Augen könnte die Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Ehrenamtlichen, die ja oft Probleme und auch die Traumatisierung der Flüchtlinge miterleben, noch verbessert werden.
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