Unternehmerinnen machen Mut zur Führungsposition: "Mädels, traut euch!"
Noch immer gibt es wenig Frauen in Führungspositionen, vor allem im Handwerk. Woran liegt das? Das sagen Unternehmerinnen aus dem Landkreis Neu-Ulm dazu.
Im Landkreis Neu-Ulm sind 27 Prozent der Personen in Führungspositionen weiblich. Das belegt eine Studie der IHK Schwaben. Weniger als ein Drittel also. Der größte Anteil ist im Reise- und Gastgewerbe tätig, die wenigsten in Industrie- und Bauunternehmen. Unternehmerinnen aus der Region geben einen Einblick, wie sie den Weg nach oben empfunden haben.
Pia Schnarrenberger hat als Quereinsteigerin das Familienunternehmen übernommen
"Niemand ist als Chefin vom Himmel gefallen", sagt Pia Schnarrenberger. Sie hat dafür ein paar Umwege genommen. Nach dem Abitur wollte sie Landwirtin werden. Da ihre Eltern keinen Hof hatten, brach sie das Studium ab, entschied sich für Produktdesign und machte sich als Industriedesignerin für Büromöbel selbstständig. 2004 wurde sie überraschend Mutter. "Es war schwierig, den Job dann noch zu halten", sagt sie. Darum stieg sie 2007 ins Unternehmen des Vaters in Vöhringen ein. Ein Betrieb, der Schleifscheiben herstellt. "Da fehlte das Vorwissen erst mal", sagt Schnarrenberger zu ihrem Quereinstieg. Nach und nach übernahm sie dann in dritter Generation die Geschäftsführung.
Die Arbeit im Familienbetrieb kennt auch Stephanie Schrapp. Ihr Vater ist der Mitbegründer von Schrapp und Salzgeber, einem Bauunternehmen in Illertissen. Und auch sie hat eigentlich erst ganz anders angefangen - als gelernte Buchbinderin, mit einem Meister in Digital- und Printmedien. 2006 seien die Mitarbeitenden auf sie zugekommen und hätten sie gebeten, das Unternehmen mit ihrem Vater zu leiten. "Am Anfang war ich skeptisch", sagt die 38-Jährige. "Funktioniert das?"
Stephanie Schrapp entschied sich spontan für eine Ausbildung auf dem Bau
Nach Gesprächen mit ihrem Vater begann sie dann eine Ausbildung im Schnelldurchlauf: Sie lernte Dachdeckerin und setzte einen Meister drauf. 2010 stieg sie in die Geschäftsführung ein und fuhr mit auf die Baustellen. Während ihrer ersten Schwangerschaft kümmerte sie sich mehr um Bürotätigkeiten, wie Kalkulationen und Bauleitung. "Ich konnte in Ruhe reinwachsen", sagt sie heute. Man habe ihr die Zeit gegeben, alles zu lernen. "Manchmal mit einem Schmunzeln", sagt sie. Denn die beiden Geschäftsführer Wolfgang Schrapp und Dieter Salzgeber hätten stellenweise gesagt: "Mädle, mach' wie du meinsch", wenn sie etwas anders anging, als die beiden es gewohnt waren.
Maschinenbauingenieurin Anita Renc hat in ihrem bisherigen Leben schon drei Firmen gegründet. Erst vertrieb sie Heizkessel, dann ein Produkt in der Eisenbahnbranche. "Das waren a) nur Männer und b) musste ich alleine gegen Stahlwerke ankommen", sagt sie. Damals kümmerte sich die 54-Jährige im Alleingang um Service und Installation des Produkts. "Damit habe ich meine drei Kinder ernährt", sagt sie. Irgendwann war der Wettbewerb aber zu groß, um die Aufträge ohne Personal zu schaffen. Also gab sie das Projekt auf und wurde in der Unternehmensberatung tätig. Heute ist sie Vertriebsleiterin in einer Automationsfirma und hat, so ganz nebenbei, 2017 ein weiteres Unternehmen gegründet. Den Shop Whiskey4you in Altenstadt. "Das hat als Hobby angefangen", sagt Renc. Die Idee dazu kam ihr aus Liebe zum Whiskey, den sie auf Motorradtouren in Schottland einkauft.
Schrapp: "Manchmal muss man als Frau andere Wege finden"
Bei einem Männeranteil von 99 Prozent im Studium könnte man annehmen, Renc hatte es als einzige Frau besonders schwer. "Da kann ich jede beruhigen", sagt sie. "Ich hatte nie das Gefühl, dass ich nicht ernst genommen werde." Natürlich habe es den ein oder anderen gegeben, der mal testete "Was kann das Mädel so?". Und obwohl sie auch im Job oft darauf angesprochen wurde, habe sie "die Gräben nie so groß empfunden". Bei körperlichen Arbeiten, zum Beispiel beim Schmieden, habe sie eher einen Unterschied gemerkt. So ähnlich beschreibt es auch Schrapp in ihrer Ausbildung zur Dachdeckerin. "Man muss manchmal andere Wege finden", sagt sie. Etwa um Hilfe bitten, wenn etwas zu schwer ist. "Der Bau zeichnet sich dadurch aus, dass man als Team arbeitet." Zwar sei der Ton mal ruppig, dafür aber ehrlich. Auch Männer könnten damit manchmal nicht umgehen.
Bei einem sind sich die drei Unternehmerinnen einig: Sie denken nicht, dass sie es zwingend schwerer hatten als ihre männlichen Kollegen. Schrapp steht in Kontakt mit 120 "Dachdeckermädels", sie tauschen sich regelmäßig aus und werben auf Messen für ihren Beruf. Diskriminiert wurde ihrer Einschätzung nach keine, sofern Arbeitseinstellung und Leistung passen. Was in den Gesprächen aber deutlich wird: Als Unternehmerin und Mutter benötigt es Unterstützung. "Wenn man will, dass Frauen mehr in den Beruf gehen, dann ist das wichtig", sagt Renc. "Aber heutzutage ist das schon viel einfacher." Von einer Frauenquote hält Renc wenig, denn ihrer Meinung nach sollte eine Stelle nicht nach Geschlecht besetzt werden. Dennoch sollten Frauen gesellschaftlich die Chance bekommen, sich beweisen zu können.
Für eine Führungsposition müssen Frauen und auch Männer kämpfen
Eine Frauenquote braucht Viola Pfersich in ihrem Neu-Ulmer Unternehmen nicht. "Bei uns überwiegt die Anzahl der Frauen. Auch in der Führungsebene", sagt sie. Die 30-Jährige hat ebenfalls das Geschäft ihrer Eltern übernommen. Für sie sei es zu Beginn ihrer Karriere in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft herausfordernd gewesen, sich in der männerdominierten Branche zu behaupten. Es gab zwar wenig Negatives, dennoch werde man als Frau öfter stigmatisiert oder auf das Äußere reduziert. Frauen, die Familie und Karriere vereinen, bewundere sie sehr. "Diese Frauen unterstütze ich ganz besonders, wenn es um spontane Flexibilität im beruflichen Alltag geht", sagt Pfersich.
Stephanie Schrapp bemüht sich laut eigener Aussage darum, Mädchen für den Bau zu gewinnen. Viele junge Menschen wüssten gar nicht, was eine Spenglerin macht. Laut Schnarrenberger brauche es, gerade auf dem Weg in eine Führungsposition, Leidenschaft. "Man muss es wirklich wollen", sagt sie. Nach Schrapps Erfahrung hätten Frauen nur mehr Respekt davor als sie haben müssten. "Oft trauen sie sich einfach nicht, obwohl sie das genauso können", sagt sie.
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