Zwischen Vätermonaten und Herdprämien
Mit dem Elterngeld und der Krippenoffensive hat die Große Koalition auf den gesellschaftlichen Wandel reagiert. Die Geburtenzahlen aber sind deshalb nicht gestiegen. Im Gegenteil.
Die Nachricht kommt zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt: Auch im Wahljahr sinken die Geburtenzahlen. Nach ersten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wurden von Januar bis Juli in der Bundesrepublik nur 312 000 Kinder geboren - sechs Prozent weniger als in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres. Für Familienministerin Ursula von der Leyen ein empfindlicher Dämpfer: Die siebenfache Mutter wollte Deutschland nicht nur kinderfreundlicher machen, sondern auch kinderreicher.
Konrad Adenauers berühmtes Bonmot "Kinder kriegen die Leute immer" liegt schon lange auf der Halde fataler politischer Fehleinschätzungen. In keinem EU-Land kommen heute weniger Kinder zur Welt als in Deutschland: Mit acht Neugeborenen je 1000 Einwohner hinkt Europas größte Volkswirtschaft weit hinter den Spitzenreitern Irland, Frankreich und Großbritannien zurück, die auf Werte zwischen 13 und 17 Kindern kommen. Umgekehrt allerdings hat auch kein Land in EU-Europa in den vergangenen Jahren mehr getan, um die schleichende Vergreisung zu stoppen.
Elterngeld, Vätermonate, vier Milliarden Euro für Krippen-Offensiven und Tagesmütterkurse: Vor allem für die Union war der Kurswechsel in der Familienpolitik, der schon unter der SPD-Ministerin Renate Schmidt in der rot-grünen Koalition begonnen hatte, ein regelrechter Kulturschock. Ein lange Zeit unterschätztes Ressort, das Gerhard Schröder noch als Ministerium "für Frauen und Gedöns" abgetan hatte, wurde unter der Christdemokratin von der Leyen zum Sinnbild für Modernität und gesellschaftlichen Wandel. Obwohl die CSU ihre Vätermonate als "Wickelvolontariat" verspottete, ließ sich die Seiteneinsteigerin aus Niedersachsen nicht von ihrem Kurs abbringen: Ein Land, argumentiert sie, ist erst dann wirklich kinderfreundlich, wenn sich Mütter nicht mehr zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen, sondern beides unter einen Hut bringen können.
Das sogenannte Betreuungsgeld, das die CSU in der kommenden Wahlperiode für jene Eltern einführen will, die ganz bewusst eine längere Auszeit für die Familie nehmen, schluckte die forsche Ministerin nur murrend. SPD-Abgeordnete verhöhnten es gar als "Herdprämie". Ob sie tatsächlich kommt, hängt auch vom Ergebnis der Bundestagswahl ab. In einer Ampelkoalition mit Grünen und Liberalen, wie SPD-Kandidat Frank-Walter Steinmeier sie plant, wäre das Thema vermutlich schnell vom Tisch.
Für jedes dritte Kind unter drei soll spätestens im Jahr 2013 ein Krippenplatz zur Verfügung stehen. Dass der Bedarf groß ist, bestätigt eine Umfrage der Zeitschrift Eltern: Danach hat noch mehr als die Hälfte aller Befragten Probleme mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - was auch daran liegt, dass der Ausbau in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich flott vorankommt. Außerdem stehen auf der Wunschliste von Deutschlands Eltern eine saubere Umwelt und ein besseres Bildungssystem ganz weit oben. Mehr als die Hälfte würde, sofern sie es sich leisten könnte und es ein entsprechendes Angebot in der Nähe gäbe, ihre Kinder aus der staatlichen Schule nehmen und in eine Privatschule schicken. Die rein materielle Hilfe ist Müttern und Vätern inzwischen weniger wichtig: Nicht einmal ein Drittel wünscht sich noch ein höheres Kindergeld oder höhere Kinderfreibeträge.
Das liegt nicht nur daran, dass das Kindergeld Anfang des Jahres leicht erhöht wurde, sondern auch am neuen Elterngeld, das die Große Koalition nach skandinavischem Vorbild eingeführt hat und das mit 67 Prozent des Nettoeinkommens deutlich über dem alten Erziehungsgeld liegt. Dass es maximal 14 Monate gezahlt wird, ist politisch gewollt: Junge Frauen sollen nach dem Willen von Ursula von der Leyen möglichst rasch in ihre Berufe zurückkehren. Für alle, die noch zögern, will die Ministerin nun ein "Teilelterngeld" einführen. Eine junge Mutter könnte dann halbtags arbeiten - und für den anderen halben Tag Elterngeld beziehen.
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