Fall Karolina: Täter wollen mildere Strafen erstreiten
Weißenhorn Der qualvolle Tod der kleinen Karolina wird möglicherweise erneut verhandelt werden müssen. Die Anwälte der wegen Mordes an dem damals dreijährigen Mädchen verurteilten Täter haben den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angerufen und sich über die in ihren Augen willkürliche Auswahl des Gerichtes beschwert. Bekommen sie damit Recht, muss der spektakuläre Fall um die Todesfolter an dem Mädchen vor dem Landgericht in Memmingen neu verhandelt werden. Der Dillinger Strafverteidiger Georg Zengerle und sein Augsburger Kollege Ralf Schönauer wollen grundsätzlich geklärt wissen, ob der Bundesgerichtshof ein beliebiges Gericht für einen Revisionsprozesswählen darf.
Von Roland Ströbele
Weißenhorn - Der qualvolle Tod der kleinen Karolina wird möglicherweise erneut verhandelt werden müssen. Die Anwälte der wegen Mordes an dem damals dreijährigen Mädchen verurteilten Täter haben den europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angerufen und sich über die in ihren Augen willkürliche Auswahl des Gerichtes beschwert.
Die beiden Rechtsanwälte sind fest entschlossen, auch noch das allerletzte Rechtsmittel auszuschöpfen. Nachdem sie in der Vergangenheit vor deutschen Gerichten gescheitert waren, haben sie nun als letzte Instanz den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angerufen. Ihr Hauptansatzpunkt: Der Bundesgerichtshof (BGH) habe "gegen den Grundsatz des unparteilichen Gerichts" verstoßen, als er eine Neuauflage des Erstprozesses vor dem Landgericht Memmingen ohne Begründung an das Landgericht München zwei verwiesen hat.
Sehr schnell waren Spekulationen aufgekommen, dass der BGH bewusst das Münchner Gericht ausgewählt hatte, weil dies weit und breit für seine harten Urteile bekannt und unter Strafverteidigern gefürchtet ist.
Im ersten Prozess vor dem Memminger Landgericht waren Karolinas Mutter Zaneta Copic und ihr früherer Lebensgefährte Mehmet Akul noch relativ glimpflich davon gekommen. Akul, der die dreijährige Karolina rund eine Woche lang in einem Haus im Weißenhorner Stadtteil Biberachzell brutal geschlagen und bis zu ihrem qualvollen Tod gefoltert hatte, bekam damals wegen Körperverletzung zehn Jahre und drei Monate Freiheitsstrafe, die Mutter des Kindes, die bei den Misshandlungen tatenlos zugesehen und zum Teil sogar "assistiert" hatte, kam mit fünf Jahren und sechs Monaten davon.
Gegen dieses Urteil, das in weiten Teilen der Bevölkerung helle Empörung ausgelöst hatte, ging der damalige Oberstaatsanwalt Dr. Johannes Kreuzpointner in Revision - mit Erfolg. Der Bundesgerichtshof verwies den neuen Prozess nach München. Dort wurden beide am 24. Mai 2006 wegen Mordes zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.
Für die beiden Verteidiger liegt der Verdacht nahe, dass der BGH das Münchner Landgericht bewusst ausgewählt hat und die Entscheidung "ergebnisorientiert" war, obwohl "ganz klar" eine andere Kammer des Memminger Landgerichtes zuständig gewesen wäre.
Im Auftrag von Mehmet Akul hat nun Georg Zengerle gestern die zehnseitige Menschenrechtsbeschwerde nach Straßburg geschickt, das gleiche hat Ralf Schönauer für seine Mandantin getan. Akul sitzt im Gefängnis in Kaisheim, Zaneta Copic verbüßt ihre Strafe im Frauengefängnis Aichach.
Georg Zengerle rechnet frühestens in einem halben Jahr mit einer Entscheidung aus Straßburg. Bekommt er dort Recht mit seiner Beschwerde, muss der aufsehenerregende Fall erneut verhandelt werden - in Memmingen.
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