Bunte Front gegen Spahns Organspende-Plan
Eine Gruppe von Abgeordneten stellt ihren Gegenentwurf vor. Die Entscheidung soll freiwillig bleiben, Bürger würden aber besser und regelmäßig informiert.
Gegen die Pläne von Jens Spahn (CDU) zur Reform der Organspende in Deutschland formiert sich im Bundestag breiter, fraktionsübergreifender Widerstand. Der Bundesgesundheitsminister hatte Anfang April eine „doppelte Widerspruchslösung“ vorgeschlagen, nach der jeder, der das nicht ausdrücklich ausschließt, künftig als möglicher Organspender gelten soll. Nach dem Tod sollen zudem enge Angehörige gefragt werden, ob sie von einem Widerspruch wissen. Eine bunte Gruppe von Abgeordneten sowohl aus dem Regierungslager, als auch der Opposition, stellte dazu am Montag in Berlin einen Gegenentwurf vor, der weiter auf das bisher geltende Prinzip der Freiwilligkeit setzt. Allerdings soll die Zahl der Organspender erhöht werden, indem die Bürger künftig besser informiert werden. Jeder soll regelmäßig, etwa beim Hausarzt oder auf dem Passamt, auf das Thema angesprochen werden. Doch ein klares Ja zu Lebzeiten müsse auch künftig die Voraussetzung bleiben, dass Menschen nach ihrem Hirntod Herz, Leber oder Nieren entnommen werden dürfen, so der Tenor der Gruppe.
Sogar in der eigenen Partei gibt es Widerstand gegen Spahn
Zu den Gegnern des Spahn-Vorhabens zählen nicht nur die Parteivorsitzenden der Grünen und Linken, Annalena Baerbock und Katja Kipping oder die FDP-Politikerin Christine Aschenberg-Dugnus. Auch in den Reihen der Großen Koalition regt sich massiver Widerspruch gegen den Gesetzentwurf, den Spahn zusammen mit dem SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach erarbeitet hatte. So kritisierte die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag, dass die von ihrem Parteifreund Jens Spahn geplante Widerspruchslösung „nicht mit dem Selbstbestimmungsrecht und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit zu vereinbaren“ sei. Eine Organspende müsse eine freiwillige und bewusste Entscheidung bleiben. Der Plan der Spahn-Gegner, unter ihnen auch die SPD-Politikerin Hilde Mattheis, sieht vor, dass das Thema Organspende den Bürgern immer wieder in Erinnerung gerufen wird. Dies soll etwa bei Arztbesuchen oder Behördengängen geschehen. Wer sich nach ausführlicher, ergebnisoffener Beratung zur Organspende bereit erklärt, soll in ein zentrales Melderegister eingetragen werden. Die Liste soll beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information eingerichtet werden, was laut Entwurf in den ersten 18 Monaten rund 5,2 Millionen Euro und danach jährlich grob geschätzte 1,5 Millionen Euro kosten soll. Die Bürger könnten sich dann sowohl beim Arzt oder auf dem Amt, als auch von zu Hause aus online als Organspender registrieren lassen können. Eine Verpflichtung zu einer Erklärung soll es aber nicht geben.
Im Prinzip stehen viele Deutsche der Organspende positiv gegenüber
Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock sagte, der Vorschlag beruhe darauf, dass „dort, wo alle Bürger mal hinmüssen“, an das Thema erinnert werde. Sodass dann am Ende möglichst viele aktive, positive Entscheidungen für eine Organspende möglich seien. Denn die Zahl der Spenden deutlich zu erhöhen, sei auch das Ziel des Gegenvorschlags zum Spahn-Modell. Obwohl nach einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung 84 Prozent der Menschen in Deutschland einer Organspende positiv gegenüberstehen, besitzen derzeit nur 36 Prozent einen Organspendeausweis. Linke-Chefin Katja Kipping sagte: „Wir wollen, dass sich möglichst viele Menschen für ein bewusstes Ja entscheiden.“ Spahn dagegen baue darauf, dass sich möglichst wenig Menschen für ein bewusstes Nein zur Organspende entscheiden, was dem Prinzip der „informierten Einwilligung“ widerspreche. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) verwies auf die entscheidende Rolle, die den Hausärzten zukomme, die nach dem Plan alle zwei Jahre das Gespräch über Organspende suchen sollen. „Nur gut informierte Patienten und Bürger können informierte Entscheidungen treffen.“
Initiiert hatte den Gegenvorschlag zum Spahn-Entwurf der Arzt und CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger. Im Gespräch mit unserer Redaktion begrüßte er die breite Unterstützung für seinen Vorstoß: „Wir müssen die Leute in dieser wichtigen Frage selbst entscheiden lassen, Schweigen darf nicht einfach als Zustimmung gewertet werden.“ Pilsinger glaubt, „dass wir gute Chancen haben, die doppelte Widerspruchslösung im Bundestag zu verhindern.“ Eine Entscheidung steht nach der Sommerpause an.
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