Neuer Anlauf für ein NPD-Verbot?
Bundesregierung und Bundestag planen offenbar einen erneuten Gang nach Karlsruhe. Doch vor einem Antrag müssten alle V-Leute des Verfassungsschutzes zurückgezogen werden
Berlin Ein neuer Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren rückt offensichtlich näher. Nach der erst jetzt bekannt gewordenen Mordserie, die Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe von der ausländerfeindlichen und neonazistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ zwischen 2000 und 2007 begangen haben, sind Bundesregierung und Bundestag bereit, möglicherweise bereits im Frühjahr beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einen neuen Antrag für ein Verbot der rechtsextremistischen Partei zu stellen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem neuen Verbotsantrag komme, sei „hoch“, hieß es am Mittwoch in Berliner Regierungskreisen. Und aus der CSU verlautete, Parteichef Horst Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt würden daran „arbeiten“, ihren Parteifreund, Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, von einem neuen Verbotsantrag zu überzeugen. Friedrich selber, der bislang einem neuen Anlauf skeptisch bis ablehnend gegenüberstand, sagte, sein Haus sei dabei, die Vor- und Nachteile, die „Chancen und Risiken“ abzuwägen. Er habe „keine Zweifel, dass die NPD verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“.
Ein erster Anlauf war im März 2003 gescheitert. Zwei Jahre zuvor, 2001, hatten drei Verfassungsorgane, die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Innenminister Otto Schily (beide SPD), der Bundestag und der Bundesrat, das Verfassungsgericht angerufen, die Verfassungswidrigkeit der NPD feststellen zu lassen und ein Verbot der Partei zu erreichen. Da sich der Bund und die Länder allerdings weigerten, Karlsruhe die Namen von V-Leuten zu nennen und diese während des Verfahrens abzuschalten, stellte das Gericht am 18. März 2003 das Verfahren ein. Es sei nicht auszuschließen, so der Tenor der Richter, dass die Partei durch die V-Leute des Staates gesteuert worden sei und ausgerechnet die Verbindungsleute der Verfassungsschutzämter jene verfassungsfeindlichen Pamphlete verfasst hätten, die von den Antragstellern zur Begründung des Verbotsantrags zitiert wurden. Ein Verbotsverfahren aber, so die Richter, erfordere „ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit“. Dies sei nicht gegeben, wenn „Personen mit ihren Äußerungen als Teil des Bildes einer verfassungsfeindlichen Partei präsentiert werden, die nachrichtendienstliche Kontakte mit staatlichen Behörden unterhalten“.
An dieser Problematik hat sich bis heute nichts geändert. Das Bundesamt und die Landesämter für Verfassungsschutz müssten sich bei einer Wiederholung des Verbotsantrags von ihren V-Leuten in den Führungsstrukturen der NPD trennen. Doch diese Vorbedingung fällt Friedrich und etlichen seiner Länderkollegen schwer. Der Abzug der V-Leute berge das Risiko, „dass wir nicht mehr in die Führungsstrukturen der NPD blicken können“, sagte Friedrichs Sprecher Jens Teschke. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, forderte dagegen von den Innenministern einen „Masterplan“ für ein NPD-Verbotsverfahren. Dazu gehöre auch ein Zeitplan „für den geordneten Abzug der verbliebenen V-Leute aus Funktionen in der NPD“, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestags zur Überwachung der Geheimdienste. „Mit ihrem staatlichen Spitzellohn finanzieren die V-Leute rechtsradikale Aktivitäten. Gleichzeitig verhindert der Einsatz der V-Leute ein Verbot der NPD.“
Gleichzeitig plant Innenminister Friedrich, eine zentrale Verbunddatei anzulegen, in der nach dem Vorbild der bereits bestehenden Datensammlung über Islamisten die Namen gewaltbereiter und gefährlicher Neonazis und die von ihnen begangenen Straftaten erfasst und gespeichert werden. Das Zentralregister soll von den Verfassungsschutzämtern und den Polizeibehörden des Bundes und der Länder gespeist werden, die auch Zugriff auf die Daten haben sollen. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gibt es in Deutschland etwa 9500 gewaltbereite Rechtsextremisten.
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