Union unter 30 Prozent - Regierung gibt sich gelassen
Berlin (dpa) - Die Union ist erstmals seit 2006 im Forsa-Wahltrend unter die 30-Prozent-Marke gefallen. Rot-Grün hätte im theoretischen Fall einer Bundestagswahl derzeit weiter eine absolute Mehrheit. Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel sieht dennoch keinen Grund zur Beunruhigung.
Sie setzt nach Angaben von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wegen der anziehenden Konjunktur und der Erholung auf dem Arbeitsmarkt auf eine Trendwende in der Stimmung der Bevölkerung. Doch der Unmut im Unions-Wirtschaftsflügel nimmt zu.
CDU und CSU verlieren in der am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für das Magazin "Stern" und RTL im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt und kommen nur noch auf 29 Prozent. Die FDP gewinnt einen Punkt, bleibt mit 5 Prozent aber weiterhin schwach. SPD und Grüne hätten zwar erneut eine absolute Mehrheit der Mandate, wenn an diesem Sonntag Bundestagswahl wäre - allerdings vor allem wegen der Stärke der Grünen. Die SPD ist zwar im Jahreshoch, liegt aber immer noch unter dem schwachen Unionswert, wenn auch nur einen Punkt.
Schwarz-Gelb verharrt mit 34 Prozent auf dem niedrigsten Wert, den das Institut seit Beginn seiner kontinuierlichen Umfragen für den "Stern" 1986 für die drei Parteien gemeinsam gemessen hat. Unter 30 Prozent lag die Union im "Stern"-RTL-Wahltrend zuletzt im Herbst 2006 sowie Anfang 2000 auf dem Höhepunkt der CDU-Spendenaffäre. Bei der Bundestagswahl 2009 erreichte sie 33,8 Prozent der Stimmen.
Regierungssprecher Wilhelm, der Intendant des Bayerischen Rundfunks wird, sagte bei seinem letzten Auftritt vor den Berliner Parlamentsjournalisten: Wenn die Entwicklung besser sei, "zeigt sich das erst an den Umfragen in einigen Wochen". Der Koalitionszwist der vergangenen Monate könne eine Ursache für das Umfragetief sein, er sehe aber keinen Grund zur Beunruhigung. "Ich denke, dass die größte gestellte Aufgabe war und ist, dass man die Folgen dieser größten Wirtschafts- und Finanzkrise seit 60 Jahren bewältigt." Hier sei Merkel auch mit Blick auf das Erreichte der Auffassung, "dass wir auf dem richtigen Weg sind".
Die CDU/CSU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung warnte vor einem zu starken Modernisierungskurs. "Einige aus der Union, wie zum Beispiel der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, verwechseln Modernisierung mit Anpassung an den Zeitgeist", sagte der Vorsitzende Josef Schlarmann (CDU) in "Handelsblatt Online". Die CDU solle den Parteitag im November nutzen, um Konservative und den Wirtschaftsflügel stärker einzubinden. Altmaier hatte vor einer konservativen "Mittelalter"- Politik gewarnt und dafür plädiert, neue Wählerschichten anzusprechen, die mit den Grünen sympathisieren.
Die SPD hält in der Forsa-Umfrage ihr Jahreshoch von 28 Prozent und liegt nur noch einen Prozentpunkt hinter der Union. Die Grünen verteidigen ihr Rekordhoch von 19 Prozent, die Linke verharrt bei 11 Prozent. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, könnten SPD und Grüne (zusammen 47 Prozent) erneut mit einer absoluten Mehrheit der Mandate rechnen.
Das politische Spitzenpersonal wird schlechter benotet als vor acht Wochen. Das ergibt sich aus einer Forsa-Umfrage für den "Stern", in der Bürger Politikern Vertrauenspunkte auf einer Skala von 0 (kein Vertrauen) bis 100 (sehr großes Vertrauen) vergeben konnten. Mit im Schnitt 61 Punkten liegt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) weiter an der Spitze, er bekam aber zwei Punkte weniger als Anfang Juni. Die stärksten Einbußen hatte Merkel. Die Bürger gaben der Kanzlerin nur noch 56 Punkte - minus 6 Punkte. Schlusslicht ist erneut Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Er kommt auf 31 Punkte (minus 2) - für den Vizekanzler ein neues Rekordtief. Leicht an Vertrauen verlor auch das Personal der Opposition.
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