Verhandlungen über EU-Mitsprache vertagt
Berlin (dpa) - Die entscheidenden Gespräche über die Mitspracherechte von Bundestag und Bundesrat in EU-Fragen sind auf der Zielgeraden überraschend vertagt worden.
Die Fraktionen von Union und SPD konnten sich am Montag noch nicht abschließend auf einen Kompromiss einigen, hieß es von Verhandlungsteilnehmern in Berlin. Auch Bund und Länder verschoben die Verhandlungen. Zunächst hatte sich ein parteiübergreifender Kompromiss abgezeichnet.
An diesem Dienstag will eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen und der Länder die Gespräche fortsetzen. Mit einem Scheitern wird nicht gerechnet. "Ich erwarte morgen den Finallauf", sagte der Koordinator der Länder, Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU).
Das Bundesverfassungsgericht hatte den Reformvertrag von Lissabon der Europäischen Union im Juni grundsätzlich gebilligt, aber mehr Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat gefordert. Deshalb muss der Bundestag ein neues Begleitgesetz schaffen, das in der kommenden Woche erstmals im Parlament beraten und am 8. September endgültig verabschiedet werden soll.
Union und SPD konnten sich noch nicht darauf verständigen, ob kommunale Fragen und Verhandlungen über den weltweiten Abbau von Handelsschranken in das Gesetz aufgenommen werden sollen. In der SPD gebe es dagegen Widerstand, hieß es aus Unionskreisen. Umstritten ist auch noch die Frage, in welcher Form und innerhalb welcher Fristen die Bundesregierung den Bundestag über Verhandlungen in Brüssel unterrichten muss. Offen sind auch noch Details im geplanten Notbremseverfahren, mit dem Bundestag und Bundesrat eine Aussetzung von europäischen Gesetzgebungsverfahren verlangen könnten.
"Die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat werden verbessert", hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) am Montagmorgen gesagt. Der Bundestag soll nach Angaben der CSU- Landesgruppe erstmals einklagbare Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union erhalten. Nach Kauders Worten sollen diese Rechte nicht - wie bisher - in einer Vereinbarung, sondern in einem Gesetz festgeschrieben werden.
Künftig soll sich das Parlament beliebig oft in laufende EU- Verhandlungen einmischen können. Die Bundesregierung soll aber bei Verhandlungen in Brüssel flexibel bleiben. Aus zwingenden Gründen könne die Regierung von den Stellungnahmen des Bundestags abweichen, sagte der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, im Bayerischen Rundfunk. Dafür müsse sie sich allerdings später vor dem Parlament und der Öffentlichkeit rechtfertigen. Ursprünglich wollte die CSU durchsetzen, dass Bundestag und Bundesrat der Regierung den Verhandlungskurs komplett vorschreiben können.
Einige Forderungen, die über das Verfassungsgerichts-Urteil hinausgehen, können nach den Worten Kauders nicht mehr vor der Bundestagswahl berücksichtigt werden. Darüber soll erst wieder in der kommenden Wahlperiode gesprochen werden.
Die Diskussion ist geschlossen.