Vertriebenen-Präsidentin greift Westerwelle an
Berlin (dpa) - Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach hat FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle im Streit um einen Beiratsposten der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" scharf angegriffen.
"Es ist Aufgabe des neuen Außenministers, hier die Weichen umzustellen, statt Vertrauen bei Nachbarländern durch Opfergaben eigener Bürger oder Organisationen zu erkaufen", sagte die CDU-Bundestagsabgeordnete der "Bild"-Zeitung.
Damit falle Westerwelle den Opfern von Vertreibung in den Rücken, sagte Steinbach, die vor allem in Polen wegen ihrer politischen Ansichten äußerst unbeliebt ist. "So würde man weder mit den Rechten von Kirchen, Gewerkschaften oder anderen Opferverbänden umgehen. Deshalb lässt sich der BdV (Bund der Vertriebenen) das auch nicht gefallen."
Der BdV entscheidet am kommenden Dienstag, ob Steinbach den Posten im Rat der Stiftung besetzen soll. Dieser Sitz ist bisher vakant, weil der Verband wegen Widerstands der SPD die Bundestagswahl abwarten wollte. Außenminister Westerwelle hatte angesichts von Kritik aus Polen mit einem Veto gedroht. Letztlich entscheidet das Bundeskabinett über die Besetzung.
Die CSU pocht auf Steinbachs Recht. "Der Sitz von Erika Steinbach in der von ihr selbst angeregten Stiftung ist nicht verhandelbar", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich dem "Hamburger Abendblatt" (Freitag). Im Koalitionsvertrag hätten Union und FDP bekräftigt, dass dem BdV drei Sitze zustünden. "Es ist bedauerlich, dass Guido Westerwelle jetzt in bester SPD-Tradition versucht, sich auf Kosten der Vertriebenen zu profilieren." Die CSU werde die Auseinandersetzung mit dem Koalitionspartner nicht scheuen.
Die Bundesregierung ließ das Vorgehen offen. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm wies am Freitag allerdings darauf hin, dass sich das Kabinett einvernehmlich äußern müsse. Erst werde der Verband einen Namen benennen, dann berate das Kabinett. "Diese Bestellung müsste dann das Bundeskabinett einvernehmlich treffen."
Polens Regierung und Opposition lehnen eine Teilnahme der Vertriebenen-Präsidentin an dem Projekt strikt ab. Westerwelle bezeichnete das Verhältnis zu Polen bei seinem Antrittsbesuch in Warschau Ende Oktober als Kernanliegen und äußerte Vorbehalte gegen Steinbach. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich mehrfach vor ihre Parteikollegin gestellt. Die im Nachbarland als anti- polnisch angefeindete Steinbach setzt sich seit mehreren Jahren für eine Stätte der Erinnerung an die Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg ein.
Nach jahrelanger kontroverser Diskussion hatte die Bundesregierung 2008 die Errichtung einer Stätte zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung in Europa beschlossen. Nach dem Kabinettsentscheid ist ein Dokumentationszentrum in Berlin geplant, das dem deutschen Historischen Museum angegliedert wird. Im Mittelpunkt des Projekts steht eine Dauerausstellung zur historischen Dokumentation der Themen Flucht, Vertreibung und Integration vom Zweiten Weltkrieg bis zur Gegenwart in Deutschland und Europa. Ein Schwerpunkt soll dabei auf die Darstellung von Einzelschicksalen gelegt werden.
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