EU: Pipeline-Sabotage wahrscheinlich
Was ist die Ursache für die Nord-Stream-Explosionen? An zeitgleiche Unfälle glaubt kaum jemand. Die EU droht bereits mit Sanktionen - aber gegen wen?
Im Westen wächst die Überzeugung, dass die Lecks an den Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 auf einen Sabotageakt zurückzuführen sind. Alles deute auf eine vorsätzliche Handlung hin, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell im Namen der 27 Mitgliedstaaten. Zugleich drohte die EU den Verantwortlichen mit Sanktionen.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach von Sabotage. Mit Schuldzuweisungen hielten sich westliche Politiker jedoch zurück. Russland wies jede Verantwortung von sich.
In der Nacht zum Montag war zunächst in einer der beiden Röhren der nicht genutzten Pipeline Nord Stream 2 ein starker Druckabfall festgestellt worden. Später meldete der Nord-Stream-1-Betreiber einen Druckabfall auch in diesen beiden Röhren. Dänische Behörden entdeckten schließlich insgesamt drei Lecks an den beiden Pipelines. Mehrere Länder brachten bereits am Dienstag einen Anschlag auf die europäische Gasinfrastruktur als Ursache für die als beispiellos geltenden Schäden ins Spiel.
Ein Sprecher der Nord Stream 2 AG sprach von einem möglichen "Riesenriss". Ein Sprecher der Nord Stream AG sagte, es sei "beispiellos", dass innerhalb kurzer Zeit derartige Schäden an mehreren Leitungen eingetreten seien.
Borrell: "Diese Vorfälle sind kein Zufall"
EU-Chefdiplomat Borrell betonte, man sei über die Schäden sehr besorgt. "Diese Vorfälle sind kein Zufall und gehen uns alle an", erklärte der Spanier. "Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass diese Lecks das Ergebnis einer vorsätzlichen Handlung sind." Man werde jede Untersuchung unterstützen, die Klarheit schaffen solle. Zugleich machte er deutlich, dass jede vorsätzliche Störung der europäischen Energieinfrastruktur inakzeptabel sei und "mit einer robusten und gemeinsamen Reaktion beantwortet" werde. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen äußerte sich ähnlich.
Ein Sprecher der Bundesregierung sagte, dass es "keine natürliche Ursache für diesen Vorfall geben kann". Auf die Frage, ob es sich um einen Anschlag handele, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit: "Ich würde das im Augenblick gar nicht beschreiben."
Die Ukraine hatte bereits am Dienstag Russland für die Lecks verantwortlich gemacht. So solle die Energiekrise in Europa verschärft und Panik vor dem Winter ausgelöst werden.
Kreml weist Anschuldigungen zurück
Kremlsprecher Dmitri Peskow wies derlei Schuldzuweisung zurück. "Es ist ziemlich vorhersehbar und vorhersehbar dumm und absurd, solche Annahmen zu treffen", sagte er nach Angaben der Agentur Interfax. Die Schäden seien auch für Russland ein großes Problem. Beide Stränge von Nord Stream 2 seien mit Gas gefüllt. "Dieses Gas kostet viel Geld, und jetzt entweicht es in die Luft."
Bevor irgendwelche Aussagen gemacht würden, müssten Untersuchungen an den Lecks abgewartet und festgestellt werden, ob es sich um eine Explosion oder nicht gehandelt habe, sagte Peskow. Zudem forderte er, dass Russland an der Aufklärung der Vorfälle beteiligt werden solle. Peskow selbst hatte Sabotage bereits am Dienstag nicht ausgeschlossen.
Moskau ermittelt wegen internationalen Terrorismus
Die russische Generalstaatsanwaltschaft leitete wegen mutmaßlicher Sabotage der Pipelines ein Verfahren wegen internationalen Terrorismus ein. "Nicht später als am 26.09.2022 wurden im Bereich der Insel Bornholm vorsätzliche Handlungen zur Beschädigung der auf dem Ostseeboden verlegten Gasleitungen Nord Stream 1 und Nord Stream 2 verübt", teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft auf ihrem Telegram-Kanal mit.
Moskau begründete den Schritt damit, dass mit der Beschädigung der Pipelines "Russland erheblicher wirtschaftlicher Schaden zugefügt" worden sei. Moskauf forderte wegen der Lecks zudem eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats.
Dänische Behörde: Hälfte des Gases entwichen
Wann die Lecks untersucht werden können, war unklar. Da so viel Gas in den Leitungen sei, könne es eine oder zwei Wochen dauern, bis ausreichend Ruhe in dem Gebiet eingekehrt sei, um die Lecks in etwa 80 Metern Tiefe untersuchen zu können, sagte der dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov in Brüssel.
Später erklärte die dänische Energiebehörde allerdings, dass bereits mehr als die Hälfte des Gases aus den betroffenen Leitungen entwichen sei. Voraussichtlich am Sonntag sollen die Leitungen demnach leer sein, wie Behördenchef Kristoffer Böttzauw sagte.
Nord-Stream-1-Betreiber schließt Reparatur nicht aus
Der Betreiber der Pipeline Nord Stream 1 schloss eine Reparatur des beschädigten Doppelstrangs grundsätzlich nicht aus. Zurzeit sei allerdings gar nichts auszuschließen, sagte ein Sprecher der Nord Stream AG der Deutschen Presse-Agentur. Für eine genaue Beurteilung müssten zunächst die Schäden begutachtet werden. Es gebe Erfahrungen und Anbieter für mögliche Arbeiten. Man wolle die Schäden so schnell wie möglich inspizieren, das setze aber voraus, dass die Behörden die verhängten Sperrzonen aufhöben.
Auch der Nord Stream 2 AG sind die genauen Schäden an ihrer weitgehend parallel verlaufenden Pipeline nach eigenen Angaben noch unbekannt. Es könne "kein Mensch momentan seriös sagen, wie es da unten aussieht" und welche technischen Möglichkeiten es nun gebe, sagte Sprecher Ulrich Lissek.
Die Lecks befinden sich nach Angaben des dänischen Ministers Bødskov in internationalen Gewässern in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen Dänemarks und Schwedens. Beide Länder hatten nach der Entdeckung Sicherheitszonen für die Schifffahrt errichtet. Schiffe dürfen das Gebiet um die Lecks in einem Radius von fünf Seemeilen (knapp 9,3 Kilometer) nicht passieren.
Nato-Generalsekretär Stoltenberg schrieb auf Twitter, in einem Gespräch mit dem Bødskov sei es um "die Sabotage" der Pipelines gegangen. Zudem hätten sie über den Schutz der kritischen Infrastruktur in den Nato-Staaten gesprochen. Auch Borrell erklärte, man werde Schritte unternehmen, um die Energiesicherheit robuster zu machen. Bødskov selbst betonte, dass es sich nicht um kritische Infrastruktur seines Landes handle.
Das Bundesinnenministerium erklärte zur Sicherung der Infrastruktur in Deutschland, die Maßnahmen würden immer an die Lage angepasst, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Lage. Eine "abstrakte Gefährdungslage" für die kritische Infrastruktur sei immer anzunehmen, nicht nur nach dem aktuellen Vorfall.
Freitretendes Methan: Umweltbundesamt besorgt
Das Umweltbundesamt ist nach den Lecks besorgt über freitretendes Methan. Nach Berechnungen der Behörde führen die Schäden zu etwa 7,5 Millionen Tonnen an sogenannten CO2-Äquivalenten. Das entspreche etwa einem Prozent der deutschen Jahres-Gesamtemissionen, teilte die Behörde mit.
Die Berechnung stütze sich auf geschätzte Informationen zu Füllzustand und Volumen der beiden Pipelines. Zur besseren Vergleichbarkeit werden andere Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet. Maßstab ist ihr jeweiliger Beitrag zur Erderwärmung im Vergleich zu Kohlendioxid.
(dpa)
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Auch hier ist die zentrale Frage: Wem nutzt es?
Und, wie waren (und sind) die politischen und vorallem wirtschaftlich motivierten Positionen zu NS1 und/oder NS2? Irgendwo in dieser Gemengelage wird die Antwort liegen, die wir vermutlich nicht erfahren. Das Vorverurteilen ist ja bereits in vollem Gange.
Wer auch immer es war, hat Russland das Druckmittel gegen die EU weg genommen. Zudem kann Russland jetzt nur noch über die Sudza Pipeline über die Ukraine Gas liefern. Über Sudza wurde ja bisher - anders als Nord Stream 1 - kontinuierlich Gas in die EU weiter geliefert. Hat die Ukraine jetzt eben ganz sicher die Durchleitungsgebühren in der Tasche. Polen und die Ukraine waren ja von Anfang an gegen Nord Stream 1 und 2, wegen der dann wegfallenden Durchleitungsgebühren.
Beide Pipelines lassen sich bei Bedarf reparieren. Ok es gibt ausser der Pipeline durch die UA auch noch Turkish Stream , dass Erdgas Richtung Ungarn und Serbien durch Bulgarien liefert. Nur was ist wenn RU nicht mitspielt mit mehr Lieferungen durch die UA, die ja mittlerweilen auch nur noch teilweise nutzbar ist wegen des Krieges. Die Jamal Pipeline durch Polen ist ja praktisch auch nicht mehr nutzbar; weil dieses Musterland alle Verträge mit RU vorzeitig bereits vor Beginn des UA Krieges aufgekündigt hat und sich jetzt freut, dass NS1 und NS 2 nicht mehr funktionsfähig ist.
Jochen H., nun dürfte auch Ihnen klar geworden sein, dass eine mögliche Inbetriebnahme von Nordstream 2 eine Schnappsidee war. Die Schäden an drei von vier Strängen sind offensichtlich gewaltig. Wenn Salzwasser in großem Stil in die Pipelines eintritt, sind sie kaum mehr zu reparieren, wenn das nicht sofort geschieht. Und das halte ich in der derzeitigen Lage für ausgeschlossen.
Man darf gespannt sein, wie die Untersuchungen an den Angriffsorten ergeben und insb ob Reste der Sprengladungen gefunden werden, die Rückschlüsse auf etwaige Verursacher ermöglichen. Interessant dürfte auch sein, warum 1 Strang nicht betroffen ist. Natürlich gibt es Gruppierungen, die die Zerstörung von NS1 und NS 2 begrüssen wie Polen. Unverständlich ist, warum sich die EU Führung in Brüssel so aufregt bei ihrer negativen Haltung zu Lieferungen von RU Erdgas nach Europa. Beide Pipelines gehören nicht zum Besitzstand der EU. Hoffe nur, dass bei der Untersuchung der Schäden an beiden Pipelines nicht wieder Fakten unterdrückt werden, die nicht in das offizielle EU Bild passen. So wie beim Besuch von Experten im UA AKW- Schuldige für den Beschuss nicht genannt wurden obwohl neutrale Zeugen vor aus Wien vor Ort waren.
Habe gerade unter https://www.ndr.de/nachrichten/mecklenburg-vorpommern/Lubmin-Demonstranten-fordern-Oeffnung-von-Nord-Stream-2,nordstream800.html gelesen:
Am Sonntag haben in Lubmin 3.500 Demonstranten gefordert: "Damit unsere Heimat eine Zukunft hat - Nord Stream 2 endlich öffnen". Die Ausschaltung solcher Forderungen könnte auch ein Motiv sein.
Aber vermutlich werden wir nie erfahren, wer hinter diesen Taten steckt. Unter https://www.wiwo.de/politik/ausland/schiffsdaten-ausgewertet-diese-karte-zeigt-wo-die-nord-stream-pipelines-beschaedigt-sind/28708960.html steht z. B.: "Der Stelle, an der jetzt die Nord-Stream-2-Pipeline leckt, näherte sich unter anderem langsam fahrend das polnische Fischerboot „Koll 211“. Ableitungen lassen sich daraus allerdings nicht ziehen."
Ein polnischer MEP twittert gerade unter Nutzung der gleichen Luftaufnahme vom Gasleck „Thank you USA“. – https://twitter.com/radeksikorski/status/1574800653724966915