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Interview
12.02.2024

Franz Müntefering: "Man zwingt einen Menschen nicht, im Stehen zu essen"

Der frühere SPD-Vorsitzende Franz Müntefering dichtet und schreibt über das Älterwerden und die Weisheit seiner Mutter.
Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)

Franz Müntefering war einer der einflussreichsten Politiker des Landes. Heute dichtet er. Einen wachen Blick auf die SPD hat er sich dabei bewahrt.

Herr Müntefering, man kennt Sie als sehr belesenen Menschen. Wann hat Sie denn der literarische Ehrgeiz gepackt?

Franz Müntefering: Ich bin nur acht Jahre zur Schule gegangen, mehr an Bildung hatte ich nicht. Ich habe aber schon immer viel gelesen. Und ich war bekannt als Leserbriefschreiber, so ein kleiner Klugscheißer, der alles besser weiß und alle kritisiert. Wenn man redet, das habe ich früh erkannt, ist man nicht so genau. Das Schreiben ist präziser. Deshalb schreibe ich mir immer viel auf, meist auf irgendwelchen Zetteln, die ich gerade dabeihabe. 

Dass Politiker ihre Erinnerungen in einem Buch verarbeiten, ist ja durchaus üblich. Aber Gedichte und Aphorismen?

Müntefering: Das sind keine Gedichte, sondern Reime, einen poetischen Anspruch erhebe ich nicht. Irgendwann habe ich angefangen, aus meinen Notizen so kurze Stücke zu machen, und manchmal hat sich das halt gereimt. Mag sein, dass manche das banal finden, aber das Reimen hat so eine gewisse Leichtigkeit, das macht mir einfach Freude. Ich will damit ja auch nicht mein Leben beschreiben, sondern punktuell Themen ansprechen, die mich beschäftigen, zum Beispiel das Älterwerden und das Sterben. 

Als junger Mann haben Sie Sartre und Camus gelesen, die großen Denker. Max Weber schreibt: „Der Einfall ersetzt nicht die Arbeit.“ Ist das Schreiben für Sie Arbeit?

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Müntefering: Schreiben ist die Chance, die Wahrheit zu finden, das ist bei Ihnen als Journalist nicht anders. Und ja, das ist auch Arbeit. Man hat ja nicht immer gleich viel Lust, umgekehrt gibt es aber auch Tageszeiten oder Situationen, wo es besonders gut geht. Gestern Abend zum Beispiel habe ich noch was aufgeschrieben. Da bin ich darauf gestoßen, dass sich Oskar Lafontaines Rücktritt als Finanzminister, Parteivorsitzender und Bundestagsabgeordneter vom 11. März 1999 bald zum 25. Mal jährt. Später tippe ich das dann auf der Schreibmaschine – hier in Berlin steht eine Triumph und in Herne eine Olympia, die Klassiker sozusagen. 

An einer Stelle in Ihrem Buch zitieren Sie Ihre Mutter mit dem Satz „Man zwingt einen Menschen nicht, im Stehen zu essen.“ Was wollte sie Ihnen damit sagen?

Müntefering: Das war nach dem Krieg, ich war noch ein kleiner Junge, als einer der vielen Bettler, die damals unterwegs waren, an die Tür klopfte – nicht gewaschen, nicht gekämmt und auch nicht gerade gut riechend. Er habe Hunger, klagte er, worauf meine Mutter ihn hereinbat und sagte: Ich kann Ihnen einen Teller Milchsuppe machen oder eine Schnitte. Als der Mann nach dem Essen aufgestanden und gegangen war, habe ich zu meiner Mutter gesagt, dass ich das gut finde, dass sie ihm hilft. Aber würde es nicht reichen, wenn sie ihm etwas zu essen vor die Tür gebracht hätte? Darauf sagte sie: Man zwingt einen Menschen nicht, im Stehen zu essen. Das hatte für sie etwas mit Würde zu tun, mit Nächstenliebe – einen Menschen so zu akzeptieren, wie er ist. Damit beginnt Solidarität. 

Den Begriff „Ruhestand“ nennen Sie einen kulturhistorischen Irrtum, weil auch ältere Menschen sich weiter engagieren sollen. Hat man sich nach einem langen Arbeitsleben die Ruhe nicht verdient?

Müntefering: Die Ordnung, die wir durch Arbeit und die anschließende Rente in unserem Leben schaffen, ist gut und schön. Aber manche können mit 45 schon nicht mehr, und manche können eben auch länger. Ich war 73, als ich aus dem Bundestag ausgeschieden bin. Ich habe dann begonnen, mich bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren und beim Arbeiter-Samariter-Bund zu engagieren und dort tolle Leute kennengelernt. Natürlich muss dieser Fixpunkt Rententag irgendwie sein, weil man das ja regeln muss. Aber das darf nicht bedeuten: Du bist jetzt draußen. Möglichkeiten, etwas zu tun, gibt es genug. Etwa wenn ich in ein Altenheim gehe und mit Menschen rede, die niemanden zum Reden haben. Oft ist es ja so, dass die Kinder und Enkel heute weit weg sind – und mit ihnen geht auch die Nähe, die eine Großfamilie einem früher gegeben hat, in der drei Generationen unter einem Dach gelebt haben. 

Bahnt sich da ein neues soziales Problem an, dessen Dimension wir womöglich noch gar nicht erahnen?

Müntefering: Jeden Tag sterben in Deutschland Menschen ganz alleine. In der Pandemiezeit haben wir uns fürchterlich darüber aufgeregt. Mit Recht, wie ich finde, und deshalb müssen wir uns als Gesellschaft überlegen, was wir da tun können. Ich könnte mir vorstellen, dass Kommunen Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen beschäftigen, die sich um einsame Menschen kümmern, die mal anrufen oder vorbeikommen, es aber auch akzeptieren, wenn jemand sagt: Danke, aber ich will nur meine Ruhe haben. Ich habe das bei meiner Mutter selbst erlebt, bei der der katholische Frauendienst jede Woche zwei oder dreimal vorbeigeschaut hat. Die hatten Zeit, die tranken Kaffee und erzählten sich viel. Dieses Sich-Kümmern kommt mir heute oft zu kurz. Einsamkeit kann schrecklich sein. 

Ohne Sie gäbe es die Rente mit 67 nicht. An der demografischen Entwicklung aber hat sich seitdem nichts geändert. Brauchen wir bald die Rente mit 70?

Müntefering: Ich würde nach den Erfahrungen, die ich damals gemacht habe, das Rentenalter nicht mehr schematisch erhöhen. Aber ich würde den Leuten sagen, wenn ihr länger wollt, dann steht euch der Weg auch frei. Oft scheitert das heute ja daran, dass der Chef nicht mitspielt. Aber Alte können noch was. 

Einer Ihrer Texte trägt den Titel „Der Vorteil der Mitte“. Es geht um Ihre Schulzeit, in der die Lehrer die Schüler gerne in der Reihenfolge des Alphabetes drannahmen oder in umgekehrter Richtung bei „Z“ beginnend. Mit „ M“ waren sie in der Mitte, also auf der sicheren Seite. Olaf Scholz mit seinem „S“ verorten Sie “ in der Grauzone.“ Steht er da nicht auch politisch?

Müntefering: Was er zu leisten hat, ist enorm. Wir haben eine superbreite Koalition, in der alle Richtungen und wichtigen Themen vereint sind, die aber auch alles abdeckt, was das Land braucht: Für Wirtschaft und Finanzen haben wir die FDP, für das Soziale die SPD, und für die Umwelt und das Klima die Grünen. Die Union und Friedrich Merz brauchen wir so gesehen gar nicht mehr. Allerdings muss man die sehr unterschiedlichen Ansätze auch ausgleichen und erklären. Da wünsche ich mir ein bisschen mehr, von allen, auch vom Kanzler. Er selbst und seine Ministerinnen und Minister müssen uns Menschen besser erklären, was sie tun und warum sie es tun. Selbst mir mit meinem gebremsten Sauerländer Temperament ist die Ampel da etwas zu defensiv. Willy Brandt und Helmut Schmidt waren sehr unterschiedliche Temperamente, aber sie haben mehr geredet, und sie haben mehr von sich zu erkennen gegeben. Johannes Rau war da ein Vorbild. 

Wie sehr leiden Sie denn an der SPD? Magere 14 Prozent in den Umfragen. Als Wahlkampfmanager von Gerhard Schröder haben Sie 1998 fast 41 Prozent geholt.

Müntefering: Nichts bleibt, wie es ist, und damit meine ich nicht nur das Parteiensystem. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, das Weltklima, eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump: Diese Koalition hat ganz andere Herausforderungen zu meistern als wir damals. Meine Generation hat nach dem Krieg mithilfe der Amerikaner aus dieser Bundesrepublik Deutschland einen attraktiven Staat gemacht, eine echte Demokratie. Wir waren der Puffer gegen den Kommunismus, wir haben die deutsch-französische Freundschaft und auch die deutsche Einheit gewonnen. Heute dagegen stehen wir alle vor einer Bewährungsprobe. Die Briten sind aus der EU ausgetreten, die AfD macht Stimmung gegen Europa, das ist alles gefährlicher als es auf den ersten Blick scheint. Wir waren als junge Menschen nicht besonders stolz, Deutsche zu sein, aber Europa – das war uns wichtig. Die europäische Idee ist keine verrückte Idee, die man irgendwann opfert. Sie ist der Garant für Frieden und Freiheit.

Muss Europa auch wehrhafter werden?

Müntefering: Ich bin 1940 geboren. Wir waren der zweite Jahrgang, der eingezogen wurde. Meine Eltern waren keine Pazifisten, aber sie hätten es gerne gesehen, wenn ich nicht zur Bundeswehr gegangen wäre. Ich aber habe immer gesagt, im Zweifelsfalle würde ich mich wehren, wenn jemand käme, der uns ans Leder will. So habe ich mich für die Bundeswehr entschieden. Und ja: Wir müssen heute wehrhaft und wehrfähig sein. Mein Vater hat gesagt: Gehe nie in eine Partei – und nie wieder deutsche Stiefel im Ausland. Das fand ich anfangs einen guten Spruch, bis ich gemerkt habe, wie verhängnisvoll der ist. Der endet nämlich im Nationalismus. Dass wir die Nato haben, ist ein Segen. 

Zurück in die aktuelle Politik. Hat die Ampel noch eine Chance?

Müntefering: Ich persönlich fand es gut, dass diese – zugegeben – komplizierte Koalition zustande gekommen ist. Und wenn sich das noch verlängern lässt – ich bin dabei. Dazu aber müssen alle drei Parteien stärker das Gemeinsame und nicht so sehr das Trennende hervorheben. Nur gemeinsam gegen die AfD und das neue Bündnis von Frau Wagenknecht und Oskar zu sein, wird nicht reichen. 

Auf Oskar Lafontaine sind Sie nicht gut zu sprechen, oder?

Müntefering: Mir ist diese Art von Opposition zu klugscheißerisch. Jetzt stellt der Oskar sich hin als Kämpfer für einen höheren Mindestlohn, wäre er bei uns geblieben, könnte er heute sagen: Ich habe den Mindestlohn mit auf den Weg gebracht und erhöht. Haben wir nämlich. Der Nationalstaat hat auch bei ihm eine andere Dimension. Motto: Hauptsache, wir sind gesund und stark. Frieden und Demokratie gibt es aber letztlich nur international. Was wir im Moment bei den vielen Demonstrationen gegen rechts erleben, lässt mich allerdings hoffen, dass die Menschen bestimmte Zusammenhänge jetzt auch erkennen.

Zur Person: Franz Müntefering, im Januar 84 Jahre alt geworden, war Landesminister in Nordrhein-Westfalen, 1998 Gerhard Schröders Wahlkampfmanager, Bundesminister für Bauen und Wohnen, Bundesarbeitsminister und Vizekanzler - und zweimal SPD-Chef. Nun ist der gebürtige Sauerländer, der heute in Berlin und Herne lebt, unter die Schriftsteller gegangen. Sein Buch trägt den Titel „Nimm das Leben, wie es ist. Aber lass es nicht so.“ Dietz-Verlag, 18 Euro.

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18.02.2024

Das Problem ist nicht das Sitzen oder das Stehen, denn viele Politiker können nicht mit Messer und Gabel umgehen.