Rente in Gefahr: Ampel spricht über neue Lösungen
Bundesregierung plant Reform und hat dabei Schweden als Vorbild im Blick: Aus Arbeitnehmern sollen Aktionäre werden. Union fordert gar Kapitalbildung schon ab der Geburt.
Die Bundesregierung will die Bürgerinnen und Bürger zu Investoren machen, um das chronisch defizitäre gesetzliche Rentensystem zu retten. Noch in diesem Jahr soll mit einer großen Reform die Grundlage für eine verpflichtende Aktienrente geschaffen werden. Das bestätigte Stephan Thomae, der parlamentarische Geschäftsführer der Bundestags-FDP, unserer Redaktion.
Er sagte: „Um in einer alternden Gesellschaft die Renten zukunftssicher, stabil und generationengerecht zu gestalten, brauchen wir einen Ausbau der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Daher setzen wir uns dafür ein, das Rentensystem um eine gesetzliche Aktienrente zu erweitern." Dies würde eine Abkehr von der freiwilligen Riester-Rente bedeuten, die wegen ihrer oft hohen Nebenkosten und geringen Renditen viel kritisiert wird. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen hält die Riester-Rente etwa für "nicht reformierbar".
Immer mehr Rentner, immer weniger Beitragszahler
Das Kernproblem des deutschen Rentensystems ist sattsam bekannt: Immer weniger Erwerbstätige müssen für immer mehr Rentnerinnen und Rentner aufkommen. Waren es Anfang der 1960er Jahre noch sechs Beschäftigte pro Rentner, sind es heute noch rund 1,8. Wenn in den kommenden Jahren die geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben ausscheiden, wird sich das Problem noch einmal deutlich verschärfen. Prognosen gehen davon aus, dass es 2050 noch 1,3 Beschäftigte pro Rentnerin oder Rentner gibt.
Grundlegende Reformen wie Leistungskürzungen, Beitragssteigerungen oder eine Erhöhung des Renteneintrittsalters aber gelten als politisch nur äußerst schwer durchsetzbar. So werden immer höhere Zuschüsse aus dem Steuertopf nötig. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte schon im Frühjahr angekündigt, mit einem zweiten Rentenpaket das Rentenniveau von mindestens 48 Prozent dauerhaft zu sichern.
Forderungen von Wirtschaftswissenschaftlern, das Renteneintrittsalter angesichts einer gestiegenen Lebenserwartung von den schrittweise angepeilten 67 Jahren etwa auf 70 Jahre heraufzusetzen, hatte die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP kürzlich eine Absage erteilt.
In Schweden investieren 2,5 Prozent der Einkünfte in Kapitalmarktfonds
Weil jetzt auch noch die Inflation heutige wie künftige Renten entwertet, ist der Handlungsbedarf groß. Der unabhängige Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium forderte die Ampel jüngst zum raschen Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge auf. Als Vorbild nannten die Experten Schweden, wo die Arbeitnehmer seit langem neben ihrem Beitrag zur Umlagen finanzierten Rentenversicherung (derzeit 16 Prozent der Einkünfte) weitere 2,5 Prozent in Kapitalmarktfonds investieren müssen. Wer sich nicht aktiv für ein bestimmtes Finanzprodukt entscheidet, investiert automatisch in einen zentral verwalteten Staatsfonds, der sich zur beliebten und renditestarken Anlageform entwickelt hat.
FDP-Politiker Thomae kann sich ähnliches auch für Deutschland vorstellen. "Die Idee, bei der Rente auf den Kapitalmarkt zu setzen, passt deswegen perfekt, weil Altersvorsorge immer auf lange Zeit angelegt ist und auch die Aktienrente über Jahrzehnte gesehen ihre Wirkung entfaltet", sagte er. Dabei setzt er auf Investitionen in heimische Firmen, damit "die Bürgerinnen und Bürger von den langfristigen Gewinn- und Wachstumsperspektiven unserer Wirtschaft profitieren". Ziel müsse es sein, die Aktienrente noch dieses Jahr auf den Weg zu bringen, sagte er.
Union will schon ab der Geburt fürs Alter sparen
Kritik an den Rentenplänen der Ampel kommt dagegen aus der Union. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte unserer Redaktion: "Die Bundesregierung wirkt bei der Rente bisher in hohem Maße ideenlos." Auch er sieht freilich den drängenden Reformbedarf, hat aber andere Vorstellungen als SPD, Grüne und FDP. "Wir brauchen bei der Rente eine vierte Säule von Anfang an. Dafür braucht es eine Generationenrente als kapitalgedeckte Säule neben der gesetzlichen, der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge, die von Geburt an aufgebaut wird und so Altersarmut bekämpft. Das ist wirksam und effizient, anstatt ständig am Renteneintrittsalter herumzuschrauben."
Die Diskussion ist geschlossen.
Die Finanzindustrie stellt jetzt schon den Champagner kalt!
Ein vom Staat verwalteter Fond nach dem Vorbild Norwegens ist natürlich kein Geschäft für die "Finanzindustrie", sondern wäre viel mehr unliebsame Konkurrenz. Man hätte dies schon bei der Einführung der Riesterrente tun sollen.
Nun ist es höchste Zeit und der Zeitpunkt wäre angesichts der niedrigen Kurse günstig. Die Anlagen sollten natürlich möglichst breit gestreut sein und nicht nur Deutschland oder Europa abdecken.
Der große Haufen Geld der bei einer Kapitalversicherung angesammelt wird weckt Gelüste dahinein zu grapschen.
Wenn sich erst mal ein ordentlicher Kapitalstock angesammelt hat finden sich auch irgendwelche Politiker die das Geld für irgendeine Notlage zur Finanzierung heranziehen werden.
Bereits als Kind wurde mir gesagt: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not.“
Das Vorhaben der Ampel scheint mir dagegen mit „Spare in der Not“ zutreffend beschrieben zu sein.
Schweden und Norwegen haben ihre Staatsfonds nicht wegen akuter Probleme mit einer alternden Gesellschaft, sondern in guten Zeiten ins Leben gerufen.
Dass der schwedische AP7 zu 96 % in globale Aktien investiert, ist aus schwedischer Sicht schlüssig, schließlich vertraut Schweden auch nicht dem Euro und führt(e) ihn auch nicht ein.
Übrigens, Staatsfonds können auch hohe Verluste erleiden. Das Verlustrisiko ist besonders hoch bei einem Einstieg „in einer Phase, in der die Bewertungen bereits hoch sind, in der Aktien und Anleihen schon teuer sind“. (https://www.focus.de/finanzen/boerse/geldanlage/bis-zu-40-prozent-verlust-chef-des-norwegischen-staatsfonds-malt-duesteres-szenario_id_95953836.html). Der Spiegel hat am 17.08.2022 von einem bereits eingetretenen Rekordverlust in Norwegen berichtet: „Der 1,3 Billionen Euro schwere Fonds musste zwischen Januar und Juni einen Verlust von 14,4 Prozent hinnehmen.“
Zum Staatsfonds: in den letzten 25 Jahren hatte man dort eine Rendite von durchschnittlich 6,6% JÄHRLICH erwirtschaftet. Diversifizierte Langfristanlagen an der Börse rentieren sich immer, es sei denn man setzt 100% auf Wirecard ... .
Herr Wolfgang B., als Fachmann für Aktienanlagen wissen Sie, dass die Performance des DAX schöngerechnet ist. (vgl. „Index fällt bei Praxistest durch“ unter https://www.n-tv.de/wirtschaft/Dax-performt-schlechter-als-es-scheint-article20542153.html)
Aber selbst eine schöngerechnete Durchschnittsrendite von 6,6 Prozent jährlich – hört sich heute gut an – ist schon allein wegen des langen Zeitraumes und des darin versteckten Zinseszinseffektes grottenschlecht. Außerdem wäre noch weiter darauf zu achten, ob nicht ein für die Aktie besonders günstiger Beobachtungszeitraum gewählt wurde.
Die Idee ist natürlich nicht schlecht, einen Teil der Rente über den Kapitalmarkt zu finazieren. Bei den jungen Mitbürgern würde es sich um eine langfristige Anlage über mehrere Jahrzehnte handeln. Da kann man nur gewinnen - wenn man's richtig macht.
Wenn man ein Pferd blau anstreicht, ist es immer noch ein Pferd. Es kann nur das an Rente verteilt werden, was vorher erwirtschaftet wurde. Wenn jetzt ein extrem bürokratischer Staatsapparat wie der deutsche mit dem Geld seiner Bürger an der Börse spekulieren will, macht das mir Bauchkrämpfe.
Besser wäre eine Einheitsrente, deren Höhe alleine von den Arbeitsjahren abhängig ist. Es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Rentner zu Bettlern verkommen und auf der anderen Seite wohlhabende Rentner und Pensionäre mit dem Geld um sich werfen können. Es wäre nicht tragisch, wenn Besserverdiener tatsächlich mehr einzahlen, als sie herausbekommen. Schließlich haben sie auch ein Leben lang von den billigen Arbeitskräften, welche die wichtigsten Aufgaben in der Gesellschaft erledigen, profitiert.