Bayern - Leipzig: Fünf wichtige Dinge für ein gelungenes Spitzenspiel
Schweigegelübde und Elfmetertraining, vielleicht noch schnell ein Stadionneubau. Die Rezeptur für das Duell des FC Bayern mit RB Leipzig ist denkbar einfach.
1. Nicht zu viel labern, wichtig ist auf dem Platz
Ein Spitzenspiel zeichnet sich nicht durch Lautsprecherei im Vorfeld aus. Für die Öffentlichkeit sind ein paar forsche Töne eine wunderbare Sache. Der eigenen Mannschaft dienlich sind sie allerdings nicht. Das hätte Uli Hoeneß auch schon wissen können, als er auf der Zielgerade des Meisterrennens eindrücklich in Richtung der Bremer agitierte. Am 32. Spieltag der Saison 2003/04 liegen die Münchner sechs Punkte hinter den Werderanern. Um noch eine Chance auf den Titel zu haben, müssen die Münchner gewinnen. Das wissen die Bayern natürlich, keiner aber formuliert es so scharf wie Hoeneß: „Werder hat nur zwei der letzten sechs Spiele gewonnen. Nächste Woche wird sich zeigen, wie nervös sie wirklich sind. Dann werden wir auch sehen, wer die beste Mannschaft in Deutschland ist. Wir müssen die jetzt mit drei, vier Toren wegfegen und richtig niedermachen.“ Bremen führt nach 35 Minuten 3:0, gewinnt 3:1. Die Frage nach der besten Mannschaft ist beantwortet, kurz darauf halten Aílton und Co. die Schale hoch.
Dabei hatte Hoeneß in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass verbale Angriffe im Vorhinein eines Spitzenspiels eher eine Idee durchschnittlicher Natur sind. Im Mai 1989 sind es die Kölner, die zwei Zähler hinter den Münchnern liegen. Christoph Daum hat als Trainer der Rheinländer schon in den Wochen zuvor die überschaubare Außenwirkung von Bayern-Coach Jupp Heynckes thematisiert. Kurz vor dem Spiel kommt es im "Aktuellen Sportstudio" zum Aufeinandertreffen von Heynckes, Hoeneß, Udo Lattek (Kölner Sportdirektor) und Daum.
Der führt aus, dass Gespräche mit einer Wetterkarte interessanter seien als mit Heynckes und dieser problemlos Werbung für Schlaftabletten machen könne. Hoeneß kontert: „Am nächsten Donnerstag ist dein Weg zu Ende.“ Die beiden gerieten zwar später in einem anderen Fall noch mal dezent aneinander. An besagtem Donnerstag aber hatten die Kölner tatsächlich ihre Chancen verspielt, sie verloren 1:3.
2. In Steine statt Beine investieren
Spiele vor heimischer Kulisse sind erfolgversprechender als Auswärtsspiele. Optimieren lässt sich dieser Faktor durch ein komplett neues Stadion. Vor dem letzten Spieltag der Saison 1971/72 liegt der FC Schalke lediglich einen Punkt hinter dem FC Bayern. Ein Sieg in München am 28. Juni wäre gleichbedeutend mit der Meisterschaft für die Königsblauen. Die Münchner allerdings treten erstmals im neuen Olympiastadion an. Statt in der dezent provinziellen Arena an der Grünwalder Straße spielen die Teams nun vor 79 000 Zuschauern. Eine Kulisse, die die Schalker merklich einschüchtert, die Bayern gewinnen mit 5:1. Nun stehen in Deutschland Planfeststellungsverfahren, Ausschreibungen und mögliche Streiks der Arbeiter einem Stadionbau bis Sonntag im Wege. Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Münchner die Einführung einiger autokratischer Elemente gewünscht haben dürften.
3. Im Falle einer Niederlage: Bloß nicht aufgeben
Wahrscheinlich wird eine Mannschaft das Spiel verlieren. Das ist ärgerlich. Aber noch lange kein Grund, das Streben nach der Schale aufzugeben. Im Frühsommer 1992 entspann sich ein faszinierender Dreikampf um den Titel. Frankfurt, Dortmund und Stuttgart balgten sich um die Meisterschaft. Wären die Topspiele entscheidend gewesen, wäre die Menschheit um die aphoristische Weisheit Lebbe geht weider gebracht worden. Frankfurt verlor keines der Spiele gegen die direkten Konkurrenten.
Am Ende war es aber nicht der Serbo-Hesse Dragoslav Stepanovic, der als Trainer jubelte. Sein Team verlor am letzten Spieltag 1:2 in Rostock. Blöd aber auch, dass die Hansa trotzdem abstieg. Guido Buchwald köpfte den VfB vier Minuten vor Schluss in Leverkusen zur Meisterschaft. Bis dahin durften sich die Dortmunder ausmalen, wie sie sich am Borsigplatz würden feiern lassen. Wichtiger als die wenigen Spitzenspiele sind all die anderen Partien gegen Wolfsburg, Freiburg und Co.
4. An der einzig relevanten Statistik orientieren
Zweikampfwerte, Ballbesitzquoten, Laufleistung – alles unwichtig. Eine tagelange Intensivrecherche der Fußball-Analyse-Kontroll-Einrichtung (FAKE) hat ergeben, dass ausschließlich ein Parameter entscheidend ist für den Erfolg. Wer ein Spitzenspiel gewinnen will, muss lediglich in einer statistischen Wertung vorne liegen: geschossene Tore. FAKE hat ermittelt, dass in sämtlichen Fällen einer positiv gestalteten Partie jene Mannschaft die drei Punkte erhalten hat, die bei Abpfiff zumindest ein Tor mehr geschossen hat als ihr Gegner. FAKE fasste diese bahnbrechende Erkenntnis in einer simplen Formel zusammen:TM1 (Tore Mannschaft1) > TM2 (Tore Mannschaft2) = JM1 (Jubel Mannschaft1)
Für all jene, die für dieses höchstkomplexe mathematische Gebilde eine Brille benötigen, die allgemeingültige Zusammenfassung: Wer ein Tor mehr schießt, freut sich. Die einzig logische Schlussfolgerung daraus lautet, in jeder erdenklichen Situation anzugreifen, Abwehrverhalten zu vermeiden und stattdessen sämtliche im Kader befindliche Offensivspieler aufs Feld zu schicken. Dem entgegen steht lediglich die Antithese des Fußball-Philosophen Kalle R.: „Fußball ist keine Mathematik.“
5. Aus elf Metern: Konzentration, bitteschön!
Das erste Halbjahr 2012 sollte aus sportlicher Sicht nicht zu den glücklicheren im Leben des Arjen Robben zählen. Die Münchner haben am 11. April die Chance, die Meisterschaft noch mal spannend zu machen. Sie liegen am 30. Spieltag drei Zähler hinter den Dortmundern, treten bei eben jenem BVB an. Robert Lewandowski scheint eine ausgeglichene Partie in der 77. Minute zugunsten des BVB entschieden zu haben. Wenig später aber räumt Roman Weidenfeller Robben ab. Der Niederländer tritt selber zum Elfmeter an und scheitert am Schlussmann. Dortmund wird zum zweiten Mal in Folge Meister. Einen Monat später verschießt Robben erneut aus elf Metern. Petr Cech hält den FC Chelsea so im Champions-League-Finale im Spiel. Am Ende gewinnen die Briten. Robben immerhin konnte sich ein Jahr später rehabilitieren, als er seine Mannschaft gegen Borussia Dortmund zum Sieg in der Königsklasse schoss – kurz vor Schluss und ganz ohne Elfmeter.
Michael Kutzop war das nicht vergönnt. Der wird immer und überall mit einem an den Pfosten gesetzten Elfmeter in Erinnerung bleiben. In seiner Karriere trat der Abwehrmann 40-Mal vom Punkt aus an – und verschoss nur ein einziges Mal. Dummerweise aber am vorletzten Spieltag der Saison 1985/86. Die Bremer führen in der Tabelle mit zwei Punkten Vorsprung vor dem FC Bayern. Trifft Kutzop in der 89. Minute gegen die Münchner zum 1:0, sind die Werderaner Meister.
Der Ball aber prallt vom Außenpfosten ins Aus. Unentschieden. Vier Tage später schenken die Bremer die Meisterschaft mit einer 1:2-Niederlage in Stuttgart her, die Münchner nehmen das Präsent dank eines 6:0-Erfolgs gegen Gladbach an. Möglich nur wegen eines verschossenen Elfmeters.
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