Halbfinale gegen Atlético wird zu Peps Endspiel
Das Halbfinale gegen Atlético Madrid ist zwar nicht der letzte Auftritt von Guardiola beim FC Bayern. Es entscheidet maßgeblich, wie sein Wirken in München am Ende beurteilt wird.
So sieht echte Liebe aus. Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sitzen auf der Bühne, zwischen ihnen Pep Guardiola. Die schönste Braut, die der Weltfußball zu bieten hat. Schamhaftes Rot zieht über die Gesichter von Rummenigge und Hoeneß. Beide können nicht wirklich glauben, welcher Coup ihnen da gelungen ist. Und Guardiola behauptet, dass diese Liebe auf Gegenseitigkeit beruht. „Es ist ein Geschenk, ein Glück, dass die Bayern überhaupt daran gedacht haben, mir die Chance zu geben, dass ich hier sein darf“, flötet der Katalane.
Drei Jahre ist das nun her. Am 24. Juni 2013 stellen die Bayern ihren neuen Coach der Weltöffentlichkeit vor. 240 Journalisten aus elf Ländern reisen an. Es ist die größte Pressekonferenz, die der FC Bayern jemals gegeben hat. Wenige Wochen zuvor haben die Münchner die Champions League gewonnen. Sie sind das beste Team Europas. Sie haben den besten Trainer der Welt. Guardiola soll das Team noch besser machen. Er soll weitere Titel gewinnen. Viele Titel.
Drei Jahre später spielen die Bayern einen oft sagenhaften Fußball. Sie werden in zwei Wochen zum dritten Mal unter Guardiolas Regie die Meisterschale überreicht bekommen. Die Fans aber lieben Guardiola nicht. Weil der diese vermaledeite Champions League bislang nicht gewonnen hat. Schlimmer noch, weil die Bayern zwei Mal von spanischen Teams im Halbfinale vorgeführt wurden.
Und das, obwohl man doch den besten Trainer mit dem besten Team hatte. Dachten die Anhänger. Die vor allem die Champions League bejubeln wollen. Dass ein energisches Real Madrid vor zwei Jahren ebenso besser war wie im vergangenen Jahr ein überragender FC Barcelona, kommt in ihrer Gedankenwelt nur am Rande vor.
Ist Pep Guardiola der Schuldige beim FC Bayern?
Es muss einen Schuldigen geben. Dieser Spanier, der sich nie zur Fankurve begibt. Der Publikumslieblinge wie Bastian Schweinsteiger wegschickt. Der vor einer Woche dann einfach Thomas Müller gegen Atlético Madrid auf der Bank Platz nehmen lässt. Müller! „Müller spielt immer“, hatte Louis van Gaal gesagt, als er die Münchner anleitete. Ansonsten ist von dem Holländer recht wenig geblieben. Dieser Ausspruch aber besitzt für die Anhänger allgemeine Gültigkeit.
Die Fans haben Guardiola lange Zeit geschätzt. Weil der Fußball, den er spielen lässt, doch ansehnlich ist. Um ihm aber auch Misserfolge zu verzeihen, ist er zu wenig Mann des Volkes. Schon seine edle Garderobe grenzt ihn vom Stadiongänger ab – selbst in München, wo viele mit Sakko ins Stadion gehen. Er ist unnahbar, ein Freak. Für ihn zählt der Fußball. Taktik, Spieler, nichts anderes. Wo Klopp Sprüche klopft, fehlen Guardiola die Deutschkenntnisse, um sich für jedermann verständlich auszudrücken.
Mittlerweile wird der 45-Jährige von vielen Anhängern argwöhnisch betrachtet. Waren die Bayern wirklich jemals seine Herzensangelegenheit? Wie kommt er dann auf die Idee, zu diesem neureichen Scheich-Klub Manchester City zu gehen?
Guardiola sah den FC Bayern wohl von Anfang an als Projekt an. Mit der Übermannschaft aus Barcelona hatte er alles gewonnen. Danach war es an der Zeit, seine Fähigkeiten in einem anderen fußballerischen Kulturkreis zu erproben. Guardiolas Mittel wirkten. Die Bayern besitzen eine taktische Flexibilität, von der man vor drei Jahren nicht gewagt hätte anzunehmen, dass sie eine deutsche Mannschaft erreichen kann. Aber diese Champions League...
Letztlich wird das Wirken Guardiolas darauf reduziert werden, ob er den Henkeltopf gewinnt. „Eine Patrone habe ich noch“, sagte der 45-Jährige nach dem 0:1 bei Atlético in der vergangenen Woche. Die Journalisten hatten ihn seiner Meinung nach nach der Niederlage „getötet. Aber ich bin noch nicht tot.“ Diese eine Patrone muss Guardiola ins Ziel bringen (20.45 Uhr/ZDF und Sky).
Wer spielt beim Halbfinale gegen Atlético?
Er wird wieder unpopuläre Personalentscheidungen fällen. Eine sinnvolle Taktik gibt es schlicht nicht her, dass Ribéry, Costa, Coman, Lewandowski und Müller gemeinsam auf dem Feld stehen. Und wer soll neben Martínez verteidigen? Der gerade erst wieder genesene Boateng? Alaba? Aber den braucht man doch eigentlich auf dem linken Flügel. Scheiden die Bayern aus, hat Guardiola alles falsch gemacht. Kommen sie weiter, war es ein Sieg der Spieler.
Die immerhin folgen dem Mann an der Seitenlinie immer noch bedingungslos. Sie sind überzeugt von der Wirkkraft seiner Besessenheit. Der Sinn für Details geht offenbar so weit, dass Guardiola seinen Spielern rät, bei Ecken, die auf den ersten Pfosten geschlagen werden, genau zweieinhalb Schritte Anlauf zu nehmen. Egal ob die Anekdote aus dem Spiegel stimmt – man traut es Guardiola zumindest zu. „Wir wollen ihm ein Geschenk machen“, sagt Keeper Manuel Neuer über das Vorhaben, in das Finale in Mailand einzuziehen.
Noch höchstens fünf Mal steht er an der Außenlinie der Münchner. Heute aber geht Guardiola bereits in ein Endspiel. Wie schon im Achtelfinale gegen Turin und im Viertelfinale gegen Lissabon. Das eine gewannen die Münchner dank einer Energieleistung, das andere durch Guardiola-Fußball.
Und heute?
Die Diskussion ist geschlossen.