Corona-Panik an der Börse: Dax verliert über zwölf Prozent
Die Corona-Epidemie lässt den Dax ein weiteres Mal in kurzer Folge massiv einbrechen. Bankchefs und Ökonomen befürchten, dass das Ende noch nicht erreicht sein könnte.
Die Coronavirus-Pandemie hat die Finanzmärkte fest im Griff. An den Börsen kam es am Donnerstag zu panikartigen Verkäfen. Der deutsche Leitindex Dax verlor über zwölf Prozent an Wert und rutschte unter die wichtige Marke von 10.000 Punkten. Er schloss bei nur noch 9161,13 Zählern. Dies ist der zweitgrößte prozentuale Tagesverlust der Dax-Geschichte. Lediglich Mitte Oktober 1989 hatte es ein noch höheres Minus gegeben. Damals war der Dax nach dem „Schwarzen Freitag“ an der Wall Street auf Talfahrt gegangen. Ein Grund für den Einbruch am Donnerstag ist der von US-Präsident Trump verhängte Einreisestopp für Europäer. Nach Meldungen über sinkende Konjunkturprognosen, Ausnahmezuständen in Italien und steigende Infektionszahlen in Deutschland steht das Börsenbarometer inzwischen so tief wie zuletzt im Sommer 2016.
Vor drei Wochen hatte der deutsche Aktienmarkt Mitte Februar noch ein Rekordhoch verzeichnet. Seither gab es drei massive Kurseinbrüche. Firmen wie der Reisekonzern Tui haben seit Jahreswechsel über die Hälfte an Wert verloren, Airbus rund 50 Prozent. Die Papiere von Daimler, der Deutschen Bank oder RWE sackten allein am Donnerstag über 15 Prozent ab. In nicht einmal einer Handelswoche hat der Dax jetzt rund 20 Prozent eingebüßt. Einen größeren Verlust hatte es nur zur Finanzmarktkrise im Oktober 2008 gegeben.
Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank als Reaktion auf die Krise konnte die Märkte nicht wirklich beruhigen. Im Gegenteil: Der Ausverkauf hielt an. Die EZB hat beschlossen, bis zum Jahresende 120 Milliarden Euro zusätzlich in Anleihekäufe zu stecken und damit den Finanzmärkten mehr Geld zur Verfügung zu stellen.
Selbst Bankfachleute sehen die Entwicklung an der Börse mit Sorge: „Es gibt kein Halten mehr, es geht alles abwärts“, beschreibt es Lothar Behrens, Chef der Augsburger Aktienbank. „Dies ist eine dramatische Entwicklung – ein echter Crash.“ Das Grundproblem sei, dass Corona und die Folgen für die Anleger nicht kalkulierbar sind, sagt er. „Es gibt keine klare Vorstellung, wo ein gesundes Niveau an der Börse erricht ist – so geht es immer schneller abwärts.“
Angst vor dem Coronavirus und Enttäuschung treiben den Ausverkauf
Der Abwärtstrend wird sich in der nächsten Zeit auch noch fortsetzen. Davon ist Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, überzeugt. Der Ausverkauf habe psychologische Ursachen: „Es sind besonders Enttäuschung und Angst, die Einfluss auf die Einbrüche haben.“ Das neue Tief am Donnerstag führt der Commerzbank-Experte auf US-Präsident Donald Trump zurück, der die Einreise für Europäer in die USA für 30 Tage ausgesetzt hat. Trump habe zudem zwar der US-Wirtschaft Hilfen in Aussicht gestellt, doch keine Details genannt. Wissen muss man aber auch: Kurseinbrüche kommen an den Börsen immer wieder vor.
Nicht nur Epidemien wie Sars hatten in der Vergangenheit für Kurseinbrüche gesorgt, auch Kriege und Terroranschläge, berichtet Krämer. Jede Schockwelle am Aktienmarkt verläuft anders. Es gibt aber ein generelles Muster: „Während es an den Börsen lange Phasen mit tendenziell steigenden Kursen gibt, sind die Abschwünge meist heftig und kürzer.“ Dass sich die Kurse allerdings im freien Fall befinden und innerhalb eines knappen Monats um mehr als 25 Prozent einbrechen, ist eine Ausnahme.
Dass es in „immer rasanterem Tempo“ an der Börse abwärts geht und Einbrüche massiver ausfallen als früher, hat laut Aktienbank-Chef Behrens einen Grund: Zu massiven Verkäufen komme es inzwischen aufgrund automatisierter Mechanismus. Anleger sichern sich damit gegen Kursrisiken ab. Wird eine bestimmte Linie unterschritten, werden automatisch in kurzer Zeit große Mengen an Wertpapieren verkauft – die Börse bricht ein.
Börsen-Crash wegen Coronavirus: Jetzt kommt die Zeit der Spekulanten
Könnten die Börseneinbrüche aber auch die reale Wirtschaft anstecken? Der Absturz an den Finanzmärkten beunruhigt Volkswirt Krämer erstaunlicherweise nicht. Für die deutsche Wirtschaft habe die aktuelle Situation an der Börse nur geringe Risiken, sagt er. Die wirtschaftlichen Auswirkungen gehen aus seiner Sicht direkt auf das Coronavirus zurück, nicht auf die Börse. Besonders der Dienstleistungsbereich stehe vor Problemen: „Restaurants, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften machen zwar nur fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus, kommt es in deren Bereich aber zu Umsatzeinbrüchen, schlägt sich das auf die Gesamtwirtschaft durch“, weiß Krämer.
Um zu verhindern, dass die Wirtschaft dauerhaften Schaden nimmt, mache die Regierung viel richtig, findet der Volkswirt. Liquiditätshilfen und Kurzarbeitergeld hält er für einen wichtigen Schritt. „Die Wirtschaft kann sich nur erholen, wenn Unternehmen die Krise unbeschadet überstehen.“ Würden Mitarbeiter aufgrund der Krise ihre Jobs verlieren, könne die Volkswirtschaft nur schwer wieder in Gang gebracht werden. Einer Pleitewelle will auch die EZB vorbeugen. Mit günstigen Krediten soll es Banken möglich sein, Haushalte und Unternehmen zu finanzieren, die vorübergehend in Schwierigkeiten sind. Besonders kleine und mittelgroße Betriebe sollen davon profitieren.
Was aber können Anleger in der jetzigen Börsenpanik tun? „Aktuell würde ich auch jedem Privatanleger empfehlen nichts zu tun – also weder zu kaufen noch zu verkaufen“, sagt Aktienbank-Chef Behrens. „Dies ist eine Phase für Spekulanten, nicht für Investoren“, betont er. „Wer jetzt seine Papiere verkauft, realisiert einen Verlust,“ Behält man Fonds oder Aktien, könne man dagegen später an der Erholung der Märkte teilnehmen. Besser sei es deshalb, eine Beruhigung und eine „Bodenbildung“ der Börsenindizes abzuwarten. Bei niedrigen, aber stabilen Kursen können sich dann auch für solche Anleger Chancen entwickeln, die bisher nicht in Aktien oder Fonds investiert haben.
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