Das steckt hinter dem neuen Vorstoß für eine Pkw-Maut
Die Wirtschaftsweisen sprechen sich für die Einführung einer Pkw-Maut aus, dabei hatte sich der frühere CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer damit die Finger verbrannt.
Manche Themen scheinen politisch schon tot zu sein, dann kommen sie abrupt wieder aus der Versenkung. Wie ein Springteufel aus einer Schachtel. Zu diesen Themen gehört eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Und seit dieser Woche auch die Pkw-Maut. Der Sachverständigenrat für Wirtschaft hat in seinem Frühjahrsgutachten die Einführung einer Pkw-Maut ins Spiel gebracht. Sie könnte die bestehende Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen für Lkw ergänzen. Was bezwecken die Wirtschaftsweisen?
An der Maut hatte sich die CSU schon die Finger verbrannt. Im Jahr 2013 hatten der damalige CSU-Chef Horst Seehofer und Generalsekretär Alexander Dobrindt die Maut zum Thema im Wahlkampf gemacht, 2017 beschließt sie der Bundestag. Die Maut sollte so konstruiert werden, dass sie Inländer nicht belastet. Im Dezember 2018 schließt der damalige CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer einen Vertrag mit den Mautbetreibern, es gibt aber Klagen. Am Ende unterliegt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof und muss den Mautbetreibern 243 Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Ein Debakel.
Maroder Zustand der Straßen
Trotzdem greifen die Wirtschaftsweisen das Thema wieder auf. Der Grund: der marode Zustand von Straßen und Brücken, der zum Wachstumsrisiko wird. "Der schlechte Zustand der Verkehrsinfrastruktur führt zunehmend zu Staus auf Autobahnen, einer geringen Zuverlässigkeit im Schienenverkehr und beeinträchtigt so den Güterverkehr und die Wirtschaftsaktivität", warnen die Fachleute.
Dem Bundesverkehrswegeplan zufolge seien bis zum Jahr 2030 für den Erhalt von Straßen 141,6 Milliarden Euro vorgesehen, für den Neubau 63,6 Milliarden Euro. Deutschland bewege sich bei den Investitionen in Straße und Schiene international aber nur "im Mittelfeld". Kosten entstehen auch dadurch, den Schwerlastverkehr klimaneutral zu machen, schließlich müssen für Lkw eigene Ladesäulen gebaut werden. Geplant sei, Ladestationen an Raststätten "durch öffentliche Mittel zu unterstützen". Auch hier ist also Geld nötig. Gleiches könnte für Wasserstoff-Tankstellen gelten.
Wirtschaftsweise: Pkw-Fahrer für Finanzierung der Infrastruktur heranziehen
Es liege nahe, "dass mehr finanzielle Mittel für die Verkehrsinfrastruktur in Deutschland bereitgestellt werden sollten", sagen die Wirtschaftsweisen und schlagen dafür unter anderem die Pkw-Maut vor: "Konsequenterweise sollten künftig neben Lkw auch Pkw für die Nutzerfinanzierung der Infrastruktur herangezogen werden", heißt es. "Dies könnte über eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut geschehen." Wer also mehr fährt, müsste mehr zahlen. "Da schwere Fahrzeuge die Infrastruktur stärker abnutzen als leichte Fahrzeuge, wäre eine Differenzierung nach Gewicht sinnvoll."
Politiker der SPD, FDP und der Union reagierten verhalten: "In der aktuellen wirtschaftlich angespannten Lage wäre die Einführung einer Pkw-Maut eine zusätzliche Belastung und Zumutung für die Bürgerinnen und Bürger", sagte zum Beispiel Bernd Reuther, verkehrspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Der ADAC lehnt den Vorstoß ab: "Autofahrer werden seit zwei Jahren durch sehr hohe Energiepreise belastet, zugleich erhöhen viele Großstädte die Gebühren für Bewohnerparken und der CO₂-Preis auf Kraftstoffe steigt Jahr für Jahr weiter an", sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. "Hinzu kommt die allgemein hohe Inflation für private Haushalte. In dieser Situation halten wir zusätzliche Abgaben für Pkw wie durch eine Maut für unangemessen und nicht vermittelbar."
Greenpeace offen für Maut
Offen für den Vorstoß wäre Greenpeace: "Klug ausgestaltet kann eine Pkw-Maut die Modernisierung im Straßenverkehr voranbringen", sagte Verkehrsexpertin Marissa Reiserer. "Mit einer Gewichtsstaffelung sollte sie schwere SUV stärker belasten als sparsame Kleinwagen." (mit dpa)
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Dieses ganze Gejammere "überall in der EU gibt es eine Maut, warum in Deutschland nicht?" ist doch mittlerweile nicht mehr zu ertragen. Würde man sich sachlich und richtig damit beschäftigen, würde man sehr schnell erkenne, dass alle anderen Mautsysteme vollkommen auf einer anderen rechtlichen Basis und Zielsetzung stehen. In Deutschland hat man, außer bei Stammtischparolen, keine vernünftige juristische und zielführende Basis. Auch die sonstigen indirekten Zusammenhänge, Steuer, Nutzungsnehmer, Einnahmenverwendung, etc. stehen auf eindeutigen Pfählen, im Gegensatz zu noch nicht mal gedanklichen Ansätzen in Deutschland. Auch bleibt die Frage, "überall gibt es ...", was sollen solche Vergleiche? Warum soll und muss sich Deutschland immer ausländischen Gepflogenheiten anpassen? Ist man nicht in der Lage für sich selbst erforderliche Entscheidungen zu treffen?
Prinzipiell steht aber auch fest, nicht das Einnahmeproblem ist gegeben, nein, das Kernproblem der deutschen Politik ist ein Ausgabeproblem. Wenn Parteien ihren Bürgern "Wahlgeschenke" im Sinne von Zahlungen zukommen lassen, ohne wirtschaftliche Notwendigkeit und Berechtigung, so kann dies nur zu einer Verschärfung im Finanziellen führen. Dies ist doch derzeit in Deutschland gegeben. Ausgabe, Ausgabe und nochmal Ausgabe; aber die notwendigen Einnahmen werden nicht berücksichtigt bzw. sind nicht existent!
So ganz daneben finde ich die Aussage der Greenpeace-Verkehrsexpertin nicht.
@Franz X.: „alle anderen Mautsysteme vollkommen auf einer anderen rechtlichen Basis und Zielsetzung stehen“
Die unterschiedliche Zielsetzung sehe ich nicht. Meiner Meinung nach wollen alle mit der Maut (nutzungsabhängig) bzw. der Vignette (zeitlich begrenzte Erlaubnis zum Befahren bestimmter Straßen) Einnahmen generieren.
Zwar kritisiere ich nicht die EuGH-Rechtsprechung, aber die europäische Schieflage dagegen schon. Wenn ich in bzw. durch andere Länder mit dem Auto in den Urlaub fahre, werde ich überall zur Kasse gebeten (vgl. Karte der AA*). Ich sehe es als eine Gerechtigkeitslücke an, wenn die aus diesen Ländern kommenden Menschen nicht einen Euro für die Straßenbenutzung in Deutschland zahlen müssen. (Häufig tanken die Transitreisende nicht mal in Deutschland. Beim Transit „for free“ fällt mir auch der des französischen Atomstroms von Frankreich über Deutschland nach Italien ein.)
*Karte eingebettet unter https://www.augsburger-allgemeine.de/wirtschaft/Interaktive-Karte-Maut-in-Europa-Hier-muessen-Autofahrer-zahlen-id54614946.html
Helmut Eimiller
Gerechtigkeitslücke? Soll die EU 100% unseres Alltags bestimmen? Es ist gut, daß die Nationen innerhalb der EU noch 10%-20% selbst bestimmen können. Gleichmacherei hat schon etwas Autokratisches an sich.
@Wolfgang B.
Ich kann Ihnen gedanklich nicht ganz folgen. Dass es in Deutschland keine Pkw-Maut gibt, wurde doch nicht in Deutschland entschieden. Im Gegenteil.
Helmut Eimiller
Gerne deutlicher. Ich sehe keine Gerechtigkeitslücke.
Naja Tafelsilber wie Tank und Rast wurden auch verkauft.
Naja einige autobahnen werden ja auch schon durch private Betreiber betrieben. Daher spült das doch eher Geld in deren Kassen.
Wo sind die Leute die nach einer vernünftigen Planung auch endlich wieder was umsetzen. Aktuelle Politik übt sich nur in Selbstdarstellung und sind sich nur einig bei der Diätenerhöhung. (edit/mod/NUB 7.2)
Scheuer hat sich die Finger verbrannt, weil die CSU eine Maut für Ausländer wollte – in der EU ein Ding der Unmöglichkeit – und Scheuer hat ordentlich Geld verbraten, weil er Verträge unterzeichnet hat, bevor das Urteil des EuGH fiel. Das ganze Theater mit der Ausländermaut hat aber mit einer normalen Maut nichts zu tun. Ich hätte kein Problem mit einer Autobahnmaut. In vielen europäischen Ländern gibt es sie schon – warum nicht bei uns? Das ist keine heilige Kuh, sondern es wäre eine Möglichkeit, dass die Autobahnen endlich besser in Schuss sind. Und es würden nur die belastet, die die Autobahn tatsächlich nutzen. So what?
Weshalb soll nun doch eine PKW-Maut eingeführt werden. Damit werden die Fahrzeugbesitzer doppelt bestraft. Bekanntlich wird vom Staat bereits für die Fahrzeuge die KFZ-Steuer erhoben. Soweit mir bekannt ist, sollen diese Einnahmen auch für den Unterhalt der
Straßen verwendet werden. Dadurch ist doch keine erneute Doppelbesteuerung notwendig.
Warum? Um den bereits aufgeblähten Personalstand des öffentlichen Dienstes noch etwas weiter aufzublähen. Man sagte dazu mal ABM.
Es ist und bleibt die große Frage : Warum gilt in fast ganz Europa und der EU eine Maut und in Deutschland nicht ? Ich fürchte , da steckt die Lobby der In........ dahinter und deren Aktionäre !
In ganz Europa, ja fast der ganzen Welt, gibt es ein Tempolimit auf Autobahnen. Warum in Deutschland nicht?
Deutschland hat kein Einnahme Problem, sondern ein Ausgabe Problem. Viele Milliarden werden in die Ukraine und anderswo hin verschenkt. Jetzt soll der Autofahrer die Lücke stopfen.