Tödlicher E-Scooter-Unfall in Augsburg: Die Angehörigen quälen Fragen
Ein 36-jähriger Familienvater ist bei einem Unfall mit einer Straßenbahn Mitte März in Augsburg gestorben. Der Bruder des Opfers fordert lückenlose Aufklärung.
Eine Fahrradfahrerin bekreuzigt sich zweimal, als sie an der Unfallstelle in der Friedberger Straße vorbeifährt. Mehr als sechs Wochen sind seit dem tödlichen Unfall in der Friedberger Straße auf Höhe des Bürgerbüros Hochzoll vergangen. Ein 36 Jahre alter E-Scooter-Fahrer war an jenem späten Montagnachmittag Mitte März beim Queren der Fahrbahn von einer Straßenbahn erfasst worden. Der Familienvater erlag seinen Verletzungen im Krankenhaus. Noch immer stehen an der Stelle, wo das Unglück passierte, Kerzen. Ein Bild erinnert an den Toten. Die Mutter des Verunglückten sucht, wie sie erzählt, den Unfallort täglich auf. Die Hinterbliebenen quälen Fragen. Der Bruder des 36-Jährigen fordert eine lückenlose Aufklärung.
Nebojsa Kantar steht an der Fußgängerampel an der Friedberger Straße, die sein Bruder überquert hatte. Fußgänger müssen aktiv den Schalter der Ampel betätigen, damit das Lichtsignal erscheint. Bei Grün gehen sie erst über die eine Fahrbahn, dann über die Gleise der Straßenbahn und zuletzt über die weitere Fahrbahn mit dem entgegengesetzten Autoverkehr. Kantars Bruder hat an jenem Tag diesen Übergang mit einem E-Roller genutzt. Er war krank und hatte deshalb einen Arzt an der Friedberger Straße aufgesucht, erzählt sein Bruder. Kantar kann sich den Unfall nicht erklären. "Mein Bruder war ein umsichtiger Mensch, vor allem wegen seiner kleinen Tochter."
E-Scooter-Fahrer in Augsburg gestorben: Video aus Tram überprüft
Der genaue Unfallhergang ist bislang nicht abschließend geklärt. Das unfallanalytische Gutachten wird bearbeitet, teilt die Polizei mit. "Es ist ganz normal, dass derartige Gutachten mehrere Wochen Zeit in Anspruch nehmen", betont Sprecher Markus Trieb. Zwischenzeitlich hätten sich mehrere Zeugen gemeldet, die Polizei stufe ihre Aussagen als "sehr hilfreich" ein. Bei den Ermittlungen wird vieles geprüft. Etwa die Videoaufzeichnungen aus der Straßenbahn, die im Rahmen des Gutachtens ausgewertet würden. Aktueller Gegenstand der Ermittlungen sei mitunter, ob die Fußgängerampel in dem Moment Rot für den E-Scooter-Fahrer gezeigt habe.
"Zum Zeitpunkt des Unfalls gegen 17 Uhr ist auf der Friedberger Straße verkehrsmäßig die Hölle los, man schafft es kaum über die Straße. Wenn man hier bei Rot losgehen würde, würde jeder instinktiv schauen, ob ein Auto oder eine Straßenbahn kommt", sagt Kantar, der im Kopf viele mögliche Szenarien durchgegangen ist. Auch sei sein Bruder weder durch Kopfhörer noch durch sein Handy abgelenkt gewesen. "Das Handy wurde in seiner Jackentasche gefunden." Nebojsa Kantar lässt das "Warum" nicht los, und auch nicht die weiteren Fragen. Etwa, ob mit der Ampelschaltung etwas schiefgelaufen sein könnte. Die Polizei verneint dies. Es gebe bislang keinerlei Anhaltspunkte für einen technischen Defekt.
Tödlicher Unfall in Augsburg: Familie überlegt, Anwalt zu nehmen
In der Friedberger Straße dürfen Straßenbahnen, wie der Autoverkehr auch, maximal Tempo 50 fahren. Laut Stadtwerkesprecher Jürgen Fergg werde diese Geschwindigkeit aber kaum erreicht. Im Kreuzungsbereich bei der Fußgängerampel werden alle Signalgeber von einer Lichtsignalanlage geschaltet, erklärt ein Sprecher des Tiefbauamtes. Straßenbahnen erhielten eine Vorrangschaltung, bei der die Kreuzung bis zur Einfahrt der Tram sicher geräumt werden kann. "Nach Anforderung und Ablauf einer berechneten Räumzeit erhalten die Fußgängerinnen und Fußgänger ihr Grünsignal." Je nach Verkehrsmenge gebe es verschiedene Programme, bei denen Umlaufzeit und Dauer der Grünphasen variierten. "Die Schutzzeiten insbesondere für die Fußgängerinnen und Fußgänger werden dabei nicht verändert", heißt es von der Behörde. Die Familie des Unfallopfers überlegt, sich einen Anwalt zu nehmen. Auch, um Akteneinsicht zu erlangen. Letztendlich kann aber nichts über den Verlust hinwegtrösten. Kantar denkt bei allem auch an den Straßenbahnfahrer. "Für ihn muss das auch eine große Belastung sein."
Die Stadtwerke äußern sich dazu nicht. Laut Sprecher Jürgen Fergg werde bei Unfällen der Kriseninterventionsdienst eingeschaltet. Im Weiteren stünden die Hilfen zur Verfügung, die ein betroffener Fahrer auch brauche. "Eine solche auch für das Fahrpersonal traumatische Situation wird sehr individuell verarbeitet." Das Leid, das so ein Unglück mit sich bringt, ist nicht nur groß, sondern trifft viele Menschen. Zur Beerdigung des 36-jährigen Familienvaters sollen rund 400 Menschen gekommen sein.
"Mein Bruder war sehr beliebt", erzählt Nebojsa Kantar. Bei einer Spendenaktion, zu der Freunde aufgerufen hatten, seien knapp über 12.000 Euro für die Witwe und das gemeinsame Kind zusammengekommen. "Davon wurden die Beerdigungskosten gezahlt. Und dann lege ich für meine Nichte ein Treuhandkonto an, bis sie alt genug ist. Sie ist schließlich erst vier. Mein Bruder hätte sich das gewünscht."
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Bereits in der Dämmerung sind E Scooter ohne Beleuchtung und dabei relativ schnell und gegenüber Fahrradfahrern wegen der geringen Silhouette nur schwer zu erkennen. Von Haus geht von ihnen ein hohes Gefahrenpotential aus, da die Fahrer oft mögliche Begegnungen mit anderen Verkehrsteilnehmern unterschätzen bzw einfach ignorieren ebenso wie Pedelecfahrer mit mangelnder Übung gepaart mit mangelnder körperlicher Fitness und Überschätzung der eigenen Fähigkeiten.
@SABINA M. oh wie wahr, so tragisch der Vorfall ist, bleiben die e-scooter Fahrer immer ein Gefahrenpotential..
Von AZ-Seite wird sehr einseitig im Boulevardstil berichtet, wie ich meine. Bei allem Respekt müssen zunächst alle Fakten genau ausgewertet werden, um dann ein richtiges Urteil abgeben zu Können.
"Er war krank und hatte deshalb einen Arzt an der Friedberger Straße aufgesucht, erzählt sein Bruder. Kantar kann sich den Unfall nicht erklären." War der Fahrer überhaupt fahrtüchtig, wenn er zum Arzt musste. Das wird bestimmt alles geklärt werden.
Über den Strassenbahnführer oder die Führerin wird fast kein Wort verloren. Wie muß sich ein Mensch fühlen, der gerade unabsichtlich jemand zu Tode gefahren hat. Einfach eine tragische Geschichte.
Zu Walter B. („sehr einseitig im Boulevardstil“)
Bei derartigen Publikationen und insbesondere deren
Ausgestaltung frage ich mich immer wieder, ob diese
so auf Wunsch der betroffenen Angehörigen abge-
fasst werden . . . .
diese e-scooter gehören alle verboten. die meisten fahren auch noch ohne helm.