
Naturschützer kritisieren Pläne für Wasserkraftwerk bei Illertissen

Ein baden-württembergisches Landratsamt genehmigt eine neuartige Wasserkraftanlage an der Iller. Der Landesfischereiverband und der Bund Naturschutz klagen.
Die Iller soll wieder fließen dürfen. Das ist das Credo von Hans-Joachim Weirather, dem schwäbischen Fischereipräsidenten. Umso mehr ist er empört über eine Entscheidung des baden-württembergischen Landratsamtes Alb-Donau-Kreis: Es habe in einer Hauruck-Aktion kurz vor Weihnachten den Bau einer Wasserkaftanlage auf der Höhe Illertissen/Dietenheim genehmigt, sagte Weirather jetzt in Augsburg.
Beim Gewässerunterhalt und der Renaturierung flussabwärts bei Vöhringen haben sich laut Weirather die Fachbehörden von Bayern und Baden-Württemberg immer eng abgestimmt. Aber jetzt seien vollendete Tatsachen geschaffen worden – obwohl inzwischen das Gesamtentwicklungskonzept des Wasserwirtschaftsamtes Donauwörth für den 50 Kilometer langen Abschnitt von der Mündung in die Donau bis auf die Höhe von Memmingen vorliegt. Es sieht ein Maßnahmenbündel vor, wie die geschundene Iller in einen von der EU geförderten guten ökologischen Zustand versetzt werden kann. Dafür wären den Behördenangaben zufolge 123 Millionen Euro notwendig.
Denn um die gesteckten Ziele erreichen zu können, müsste die starre Uferverbauung entfernt und der kanalisierte Fluss verbreitert werden. Wo dies nicht möglich ist, könnten Nebengewässer im Auwald als Umgehungsbäche aktiviert werden, sagt Dr. Oliver Born, Fischereifachberater des Bezirks Schwaben. Dass das funktioniert, zeigt eine Musterstrecke an der Iller bei Maria Steinbach (Unterallgäu). Dort wurden nach kurzer Zeit in einem ökologisch hergerichteten Laichhabitat zwölf junge Huchen gezählt. Ein Beweis, dass Fischen mit einer Strukturvielfalt sehr wohl geholfen werden kann.
Zweifel an "energiewirtschaftlicher Sinnhaftigkeit"
Durch die Genehmigung des Kraftwerks würden die Renaturierungspläne konterkariert, sagt der Unterallgäuer Landrat Weirather, der früher Chef des Wasserwirtschaftsamtes Kempten war. Mindestens 40 Jahre Stillstand würde das bedeuten. So lange laufe die Betriebsgenehmigung. Empört wie er ist auch Prof. Albert Göttle, Präsident des bayerischen Landesfischereiverbandes. Auch er war viele Jahre als Wasserwirtschaftler tätig. Der anerkannte Naturschutz-Verband hat jetzt Klage gegen den wasserrechtlichen Bescheid des Landratsamtes Alb-Donau-Kreis eingereicht. Göttle hat kein Verständnis, dass die Energiegewinnung von staatlicher Seite höher gewertet wird als das öffentliche Interesse des Artenschutzes.
Weirather und Göttle ärgern sich besonders, weil Kleinkraftwerke nur einen minimalen Anteil zur Energiegewinnung aus Wasserkraft beitragen. In Bayern gibt es 4300 Anlagen, die 200 großen produzieren 90 Prozent des Stroms. Die Fischereipräsidenten bezweifeln deshalb „die energiewirtschaftlichen Sinnhaftigkeit“. Der Eingriff in das Gewässer sei dagegen unverhältnismäßig groß.
Klage gegen das Wasserkraftwerk eingereicht
Die Sorge um die Iller hat eine lange Geschichte. Nach langwierigen Verhandlungen war es vor rund 25 Jahren gelungen, dem Mutterbett eine Restmenge zu sichern. Das wurde mit einem Staatsvertrag zwischen Bayern und Baden-Württemberg besiegelt, sagt Weirather. Immerhin 90 Prozent der natürlichen Wasserführung des Grenzflusses werden bereits in den Seitenkanälen energetisch genutzt. Die letzten zehn Prozent müssten dem alpinen Fluss deshalb uneingeschränkt erhalten bleiben. Die Menge sei unerlässlich, um den Mindestanspruch der Gewässerökologie zu erfüllen.
Die Genehmigung des technisch neuartigen Schachtkraftwerks bei Illertissen ist für die unermüdlichen Kämpfer für die Fischwelt nur der Anfang. Denn beantragt sind insgesamt acht Anlagen. Hier würden Türen aufgerissen, sagen sie.
Nicht nur der bayerische Landesfischereiverband hat Klage gegen das Wasserkraftwerk eingereicht. Der Bund Naturschutz in Bayern und der BUND Baden-Württemberg versuchen ebenfalls juristisch gegen die Genehmigung des Landratsamtes Alb-Donau-Kreis vorzugehen.
Im Gegensatz zu den Naturschutzverbänden argumentiert der Münchner Investor, dass die von der Technischen Universität München entwickelten sogenannten Schachtkraftwerke besonders umweltfreundlich seien. Turbine und Generator sind unter der Wasseroberfläche in einem Schacht im Flussbett verbaut. Das sei schonend für Fische.
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