Der Kampf um Gleis 3
Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil hält ein drittes Gleis Richtung Ulm für unnötig. Schwabens Politiker sind erzürnt. Von Josef Karg und Stefan Krog
Von Josef Karg und Stefan Krog, Augsburg
Seit Jahren wird in Augsburg um Überholstrecken für den Bahn-Fernverkehr (dritte Gleise) zur Verwirklichung eines S-Bahn-ähnlichen Schienentakts für die Großregion gerungen. Gerade kocht der Streit wieder richtig hoch. Der Grund: Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil hat erklärt, dass er - zumindest auf der Bahnstrecke Richtung Ulm - ein drittes Gleis als Überholmöglichkeit für Fernzüge nicht für nötig hält. Dieses werde erst gebraucht, wenn nach der Fertigstellung der Magistrale Stuttgart - Ulm - also in knapp zehn Jahren - mehr Fernverkehr fahre. Zeil: "Das dritte Gleis würde zu keiner Verbesserung des Angebots führen."
Das sehen die Schwaben anders, deren Zorn sich der Wirtschaftsminister zugezogen hat. Denn das Problem ist: Auf manchen Strecken müssen sich die Nahverkehrszüge die Gleise mit Fernzügen teilen - und deshalb oft warten. So kommt für Augsburg kein ordentlicher Regio-Takt zustande, wie er beispielsweise im S- oder U-Bahn-Betrieb in Städten wie Nürnberg oder München längst verwirklicht ist.
Zwar verkehren die Züge auf einigen Strecken tatsächlich viermal pro Stunde, teilweise auch zu halbwegs regelmäßigen Zeiten. "Von einem richtigen Takt, etwa alle Viertelstunde ab voller Stunde, kann man aber nicht sprechen", erklärt Helmut Hofmann, Geschäftsführer des Augsburger Verkehrsverbundes, im Gespräch mit unserer Zeitung.
Mal kommt ein Zug elf Minuten nach dem vorherigen, mal 19. Änderungen sind nicht ausgeschlossen, wenn zum nächsten Fahrplanwechsel auch die Fernzüge wieder anders verkehren. "Um richtig erfolgreich zu sein, muss der Kunde letztlich aber ohne Uhr zum Bahnhof gehen können und es muss klar sein, zu einer bestimmten Zeit fährt auch ein Zug", so Winfried Karg, Sprecher des Fahrgastverbandes Pro Bahn.
Dritte Gleisabschnitte wären laut Gutachten nötig, damit zumindest in einigen Bereichen Fern- und Nahverkehr getrennt fahren. Nötig wären diese Abschnitte bei Westheim (auf der Strecke Richtung Ulm) und zwischen Herbertshofen und Meitingen (Strecke nach Donauwörth). Darauf pocht auch die regionale Politik. "Am dritten Gleis führt kein Weg vorbei", fordert Martin Sailer (CSU), Landrat des Landkreises Augsburg seit langem. Sailer verweist auf eine Petition mit 25 000 Unterschriften. Zuletzt hatte die Region sogar vorgeschlagen, die Planungen für die Gleise vorzufinanzieren, um trotz des Streits zwischen Land und Bund, die sich gegenseitig die Zuständigkeit zuschieben, Bewegung in die Sache zu bringen. Grundsätzlich ist der Bund für die rund 40 Millionen Euro teure Schienenfinanzierung zuständig - doch der leidet unter Geldmangel.
Den "völlig unverständlichen Positionswechsel der Staatsregierung" machen auch die SPD-Landtagsabgeordneten Harald Güller, Linus Förster, Simone Strohmayr und Paul Wengert zum Thema im Landtag. Sie fordern umgehend einen Bericht. Güller: "Die Staatsregierung muss unmissverständlich ihre Position deutlich machen, Ministerpräsident Seehofer muss sich von den Äußerungen seines FDP-Wirtschaftsministers distanzieren und gegenüber der Region Augsburg klar zu den gegebenen Versprechen stehen, nämlich die Einführung eines 15-Minuten-Taktes." SPD-Verkehrsexperte Heinz Paula kritisiert: "Mit der Regierungsbeteiligung der FDP droht der Stillstand." Während viele Druck auf Zeil machen, hält sich Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) vornehm zurück. Er macht Urlaub. Sein Sprecher verwies auf Anfrage auf seine Stellvertreter und eine ältere Stellungnahme.
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