Gesucht: ein See - Gefunden: ein Wirtshaus
Unsere Reporter fahren durchs Verbreitungsgebiet unserer Zeitung und bringen Geschichten mit. Diesmal geht es im Zickzackkurs durch den Landkreis Landsberg. Von Manuela Mayr
Prittriching/Schöffelding/Finning - Das Wetter gibt die Richtung vor. Ans Wasser zieht es uns, am liebsten an den Ammersee. Die schnellste Strecke über die B 17 und die A 96 kommt natürlich nicht infrage. Der Weg ist das Ziel, also fahren wir hintenherum.
Schon in Mering der erste Wegweiser: Ammersee steht groß und breit am südöstlichen Ortsende geschrieben, so als läge der Badestrand gleich um die Ecke. Wir ignorieren die vorgeschlagene Route und nehmen stattdessen die "Umleitung nach Egling". So gelangt man gleich hinter der unsichtbaren Bezirksgrenze an einen Ort mit dem wundersamen Namen Prittriching.
Wer hätte das gedacht: Die oberbayerische Gemeinde weit draußen im Lechfeld hat sogar ein Warmfreibad, nebst Schule und Museum. Das steht auf der Willkommens-Tafel am Ortseingang. Im Museum wäre bestimmt zu erfahren, woher das Dorf seinen Namen hat. Aber das hat Zeit bis zum nächsten Regen.
Wir bleiben draußen und heften uns an die Fersen eines Rollerfahrers, der mit einer Ladung Gras ortsauswärts braust. Bringt man hier so den Rasenschnitt zur Grüngut-Sammelstelle? Weit gefehlt: Der Mann mit den weißen Bartstoppeln transportiert Futter für seine 30 Kaninchen. Und dafür hat er extra den Anhänger gebaut, aus Holz mit zwei Achsen. Zu seinem Hasenstall im Nachbardorf Winkl hat Gottfried Schäfer nur ein paar Minuten zu fahren, vorbei an abgeernteten Feldern.
Wenige Hundert Meter entfernt in der Ebene eine eigenartige Silhouette. Es sieht nach Kapelle aus, aber so dunkel? Kupfer. Der ganze Bau bis unter die goldglänzende Kugel an der Turmspitze besteht aus teurem Kupfer. Drumherum sprießt makelloser Rasen, eingefasst von Stauden. "Assisi-Kapelle 2006" ist zu lesen. Im Inneren fällt durch kleine Scheiben mit Kreuzweg-Motiven gedämpftes Licht. Auf dem Altar die Heilige Schrift. Wer näher tritt, löst Musik aus - ein Ave Maria.
Irritiert sucht man nach Erklärungen. Auf Blättern zum Mitnehmen findet sich in Hochglanzdruck eine Beschreibung des Kirchleins und der Name des Erbauers, Kreishandwerks- und Spenglermeister Franz Lanzinger senior.
"Aus Dankbarkeit" habe der sie wohl gestiftet, vermutet ein weißhaariger Herr, der mit seiner Frau auf dem Radweg hierhergekommen ist - wie jeden Tag. Von Friedberg-West sind sie eineinhalb Stunden unterwegs, um in der Assisi-Kapelle ihr Morgenlied zu singen. "Es klingt hier so schön", sagt die Frau.
Kontrastprogramm in Scheuring: Ein altes Häuschen - grüne, schief hängende Fensterläden, Furchen im Putz, das Dach gewellt - macht neugierig. Nicht, weil es so schutzbedürftig wirkt, sondern wegen der vielen schönen Blumen am Eingang. Sie strahlen Wohlbefinden aus. Wer pflegt sie? Auf das Klopfen an der Tür rührt sich nichts. Auch in der Nachbarschaft kein Mensch, den man fragen könnte. Schade!
Im Zickzackkurs geht es weiter. "Bauernhof-Eis" steht verheißungsvoll auf einem Schild in Ramsach. Doch auch hier kein Mensch, die Türen zur "Bürgerstub'n" verschlossen, auch der "Möbel-Trödel" ein paar Häuser weiter hat zu.
Die einen sind beim Geldverdienen, die anderen im Urlaub. Wer zu Hause bleibt, werkelt. "Ich habe heute schon die Hecke geschnitten", sagt Johann Fischer, der es sich unter Geranien, die vom Balkon hängen, gemütlich gemacht hat. Gearbeitet hat er schon genug in seinem Haus in Schöffelding. Er ist Maurer. Den Umbau des Stalls in eine Wohnung hat er selbst bewältigt.
Schon vor 20 Jahren gab die Familie die Landwirtschaft auf. Fischer bedauert es nicht: "Landwirtschaft und in die Arbeit gehen - das taugt nichts." 42 Bauernhöfe habe es früher im Dorf gegeben, jetzt seien es noch "zwei große und zwei mittlere".
Schöffelding ist Wohnort, für manche auch ein Ort der Kreativität, wie etwa für die Künstlerin Eva Radek. Auch sie ist nicht daheim - "dienstags nie", sagt ihr Mann Helmut, der im Hof des Nachbarhauses gerade vom Motorrad steigt.
Mit dem Zwölfuhrläuten meldet sich der Hunger. Doch der Halt am Gasthof Kaindl ist umsonst. In der Tür hängt ein Schildchen, das einen Mann in einer Hängematte zeigt. "Heute Ruhetag", bedeutet das.
Am Ammersee wird mehr los sein, also weiter. Ein Brückchen führt über die Autobahn nach Finning. Und wieder lockt ein Wirtshausschild. Doch unter den Bäumen ist alles leer geräumt. "Wir machen Sommerpause bis Mitte September", heißt es im Kasten, wo sonst die Speisekarte hängt.
Geöffnet hat nur die anheimelnde Kirche gegenüber. Geweiht ist sie den sieben Schmerzen Mariens, sagt der Nachbar und erklärt den Weg zum Ammersee. Aber baden - und essen - könne man auch am Windachspeichersee. Das ist ein Wort.
Das Sträßchen endet auf einem Parkplatz mit sehr wenigen Fahrzeugen. Ein gepflasterter Weg führt hinauf zum Damm des Hochwasser-Rückhaltesees. Auf der Liegewiese ist viel Platz. Und das moosgrüne Wasser hat für seine Badequalität von der EU 2008 die Note eins bekommen, steht auf einem Plakat. Einen FKK-Strand gibt es auch.
Ein Trampelpfad führt zu einem Biergarten. "Windachsee-Alm" heißt das Lokal - ein Geheimtipp. "Schreiben Sie nicht zu viel", bitten zwei Damen am Nebentisch. Die eine aus Essen hütet in Finning den Hund ihres Sohnes, die andere ist aus München. Und beide sind froh, dass es hier immer noch so ruhig ist. Viel ruhiger als am Ammersee.
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