Der fast unheimliche Aufstieg des Freiherrn
So langsam wird es unheimlich: Seit seinem Amtsantritt im Februar steigt Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg scheinbar unaufhaltsam in der Gunst der Bürger.
Von Bettina Grachtrup und Ruppert Mayr, dpa
Nun überflügelt der CSU-Politiker auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und steht beim ZDF-"Politbarometer" auf dem ersten Platz. Der Franke hat auch wesentlich höhere Sympathiewerte als sein Gönner und Förderer, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Innerparteiliche Konkurrenten wie Markus Söder hat er inzwischen deutlich abgehängt.
Und dies, obwohl Guttenberg auch unbequeme Positionen vertritt. Innerhalb der großen Koalition ist der 37-Jährige nach wie vor der einzige Minister, der eine "geordnete Insolvenz" als beste Lösung für den angeschlagenen Autobauer Opel ansieht. Guttenberg bleibt auch dann bei seiner einmal als richtig erkannten Position, wenn er aus dem Kanzleramt heraus freundlich bedrängt wird, er möge doch nicht ganz so fundamental auftreten, um der Sache nicht zu schaden.
Auch in der Auseinandersetzung mit Seehofer lässt sich Guttenberg nicht so schnell einschüchtern. Während der CSU-Chef in München die Berliner Politik drängte, doch endlich den Notkredit für den in Fürth ansässigen insolventen Versandhändler Quelle zu besiegeln, mahnte Guttenberg zur Sorgfalt im Umgang mit den Steuergeldern. Ungeachtet des Polterns seines Landesvaters bekräftigte der 37-Jährige einmal mehr, dass er sich auch in der großen Politik "Unbequemlichkeit" und "Unabhängigkeit im Denken" bewahren wolle.
Dieser Widerstand gegen den bayerischen Landesvater scheint ihm selbst in bayerischen Bierzelten nicht zu schaden. Auf dem CSU- Parteitag vor einer Woche wurde er gefeiert - und mit dem mit Abstand besten Ergebnis in den Parteivorstand gewählt. Offenbar akzeptiert ihn die Partei als ihr ordnungspolitisches Gewissen in Berlin und gleichzeitigen Kontrahenten zum Landesvater in München.
Was macht nun das Phänomen Guttenberg aus? Beobachter meinen, dass er seine Positionen und politischen Ansichten in der CSU genauso glaubwürdig vertreten kann wie er sie - was nicht jedem CSU-Politiker vergönnt ist - in der CDU oder gar bei den Liberalen vertreten könnte. Und wenn es ihm nötig erscheint, hält er an grünen Positionen konsequenter fest als die Grünen selbst. Es scheinen also Grundsätze zu sein, die über Parteigrenzen hinweg Gültigkeit haben.
Guttenbergs Vater, Enoch zu Guttenberg, selbst ein ausgewiesener Umweltschützer, würdigte jüngst in der "Süddeutschen Zeitung" das "wahnsinnige Pflichtbewusstsein" seines Sohnes und dessen Geradlinigkeit. "Wir sind so erzogen worden, dass man für das, was man für richtig hält, zur Not auch sterben können muss", sagt Vater Guttenberg. Mit solchen Positionen argumentiert man selten parteitaktisch.
Kritiker sehen bei ihm jedoch mangelndes politisches Profil. Guttenbergs wohlgesetzte Worte lenkten von der fehlenden Präzision seiner politischen Aussagen ab. Er sei zu geschmeidig.
Bei den Wählern genießt der CSU-Politiker gleichwohl bis heute hohe Glaubwürdigkeit. Man nimmt ihm sogar ab, dass er nicht darüber nachdenke, was nach der Bundestagswahl am 27. September mit ihm passiere. Angesichts der jüngsten Umfragewerte muss er sich darüber auch tatsächlich kaum Gedanken machen. Und im übrigen hat der promovierte Jurist und Politologe schon als Lenker eines kleinen Familienunternehmens gezeigt, dass er nicht auf die Politik angewiesen ist.
Bei allem kommt Guttenberg auch sein einnehmendes Wesen zugute. Er kann mit seiner freundlichen und wohlerzogenen Art, die nicht aufgesetzt wirkt, Gesprächspartner für sich gewinnen. Die Kanzlerin dürfte keine größeren Schwierigkeiten damit haben, dass der Polit- Jungstar inzwischen höhere Sympathiewerte hat als sie und gar als kanzlertauglich angesehen wird. Bei Seehofer und den innerparteilichen CSU-Konkurrenten darf das bezweifelt werden.
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